Karrierechancen von Frauen zur Chefsache erklären

Schattenspiele mit Menschen vor Skylines

Eine gleichberechtigte Unternehmenskultur ist der Schlüssel für mehr Gleichberechtigung. Die Wirkungsanalyse der FidAR zeigt, wie bestehende Karrierehemmnisse für Frauen gezielt abgebaut werden können.

Nie waren so viele Frauen in Führungspositionen der Privatwirtschaft. Die seit 2015 geltenden Vorgaben des Führungspositionengesetzes zeigen Wirkung. Besonders dort, wo gesetzliche Regelungen greifen, hat die Zahl der Frauen zugenommen. In den Aufsichtsräten der 179 im DAX, MDAX und SDAX sowie der im Regulierten Markt notierten, paritätisch mitbestimmten Unternehmen liegt der Frauenanteil bei 36,5 Prozent. In den Vorständen erreichen sie 19,3 Prozent.

Doch trotz der positiven Zahlen gibt es noch keine Chancengerechtigkeit . In den Unternehmen bestehen weiterhin bedeutende Hemmnisse, die die Karrierechancen von Frauen beeinträchtigen. Zum einen sind die Vorgaben des Gesetzgebers oft kaum bekannt – selbst in Unternehmen, die ihnen unterliegen. Zum anderen wird gleichberechtigte Teilhabe nicht oder nur oberflächlich umgesetzt. Von Männern dominierte hierarchische Führungsstrukturen hemmen weiterhin die Karriere von Frauen. Auch sind Aufstiegschancen und Beförderungen oftmals intransparent. Zuletzt hindern Defizite bei der Vereinbarkeit von Familie und Karriere den Aufstieg in Führungspositionen – und das betrifft vorwiegend Frauen.

„Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss auf allen Hierarchieebenen gelebt werden“

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht„FidAR – die Initiative für mehr Frauen in die Aufsichtsräte“ zeigt in ihrer Wirkungsanalyse konkrete Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Führungspositionengesetze. Dieser Praxisleitfaden basiert auf einer umfassenden Befragung von knapp 200 Frauen und Männer in Führung und Aufsicht in der Privatwirtschaft, virtuellen Dialogrunden mit weiblichen und männlichen Aufsichtsräten und Vorständen sowie ausführlichen Hintergrundgesprächen mit Entscheider:innen führender Unternehmen. „Ich freue mich, dass die gesetzlichen Regelungen so schnell Wirkung gezeigt haben. Wichtig ist aber, dass sich nicht nur in den Aufsichtsräten und Vorständen etwas verändert. Die Umsetzung von vorgegebenen Zielgrößen geht nur schleppend voran. Hier sehen wir, wie groß der Handlungsbedarf in vielen Unternehmen ist – insbesondere dort, wo keine Quotenregelungen gelten. Gleichberechtigung von Frauen und Männern muss auf allen Hierarchieebenen in den Unternehmen gelebt werden. Mit dem Praxisleitfaden von FidAR liegen nun ausführliche Empfehlungen dafür vor, welche Potenziale in einer Unternehmenskultur liegen, die auf gleichberechtigter Teilhabe basiert. Parität in der Führung werden wir nur dann erreichen, wenn in allen Bereichen der Unternehmen die Voraussetzungen für Chancengerechtigkeit geschaffen werden“, erklärt Bundesfrauenministerin Lisa Paus.

Defizite bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen

Aus der Befragung der Führungskräfte ergibt sich, dass eine Gleichstellungskultur im Unternehmen zentrale Voraussetzung für Fortschritte bei der gleichberechtigten Teilhabe ist. Die Defizite bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen sind jedoch groß: 92 Prozent der Befragten sehen in der Sanktionierung von sexistischem Verhalten ein zentrales Element zur Steigerung des Frauenanteils – aber nur 68 Prozent der Unternehmen ergreifen Maßnahmen dazu. Und knapp 80 Prozent halten Fördermaßnahmen für Personen mit Erziehungs- und Pflegeverantwortung für wichtig, aber nur in 35,7 Prozent der Unternehmen werden diese auch umgesetzt.


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Auch bei der Einschätzung der Wirksamkeit von Zielgrößen und der Wahrnehmung, wie sie im Unternehmen umgesetzt werden, bestehen erhebliche Unterschiede: Etwa 80 Prozent der Befragten sprechen der Wirksamkeit von Zielgrößen eine bedeutende Rolle bei der Steigerung des Frauenanteils zu, aber in weniger als 50 Prozent der Unternehmen werden Zielgrößen als Instrument auch angewendet. „Wir beobachten schon lange, dass die Zielgrößen in den Unternehmen nur zögerlich bis gar nicht angewendet werden. Zudem bestehen weiterhin große Defizite bei der Transparenz. Dabei gilt: Nur wer strategisch mit mehr Frauen plant und das auch transparent veröffentlicht, wird diese Ziele auch erreichen und sie damit in der Unternehmenskultur verankern“, betont FidAR-Präsidentin Prof. Dr. Anja Seng.

Männerdominierte Führungsstrukturen als Hemmnis

Wie bei den Zielgrößen bestehen auch bei der Personalgewinnung und den Aufstiegswegen in den Unternehmen erhebliche Defizite, die erkannt, aber nicht angegangen werden. Denn 90 Prozent der Befragten sehen in nachvollziehbaren Prozessen bei der Besetzung von Positionen in Aufsichtsrat und Vorstand Potenzial zur Steigerung des Frauenanteils. Aber nur 48 Prozent halten die Prozesse im eigenen Unternehmen für entsprechend transparent.

Aus Sicht der Befragten existieren in den Unternehmen nach wie vor gravierende Hemmnisse, die den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen erschweren, und die dringend abzubauen sind. Zum einen sehen 71 Prozent der befragten Frauen und 50 Prozent der Männer männerdominierte Führungsstrukturen als Hemmnis für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen. Zum anderen empfinden 48 Prozent der Frauen eine autoritäre Führungskultur sowie unterschiedliche Wertvorstellungen von Frauen und Männern als Hemmnis für ihre Karriere. Dagegen sehen nur 40 Prozent der Frauen und 30 Prozent der Männer eine Präsenzkultur und lediglich 36 bzw. 30 Prozent einen Führungsstil, der Kontrolle über Vertrauen setzt, als Hemmschuh für den Aufstieg.

Veränderungen müssen von innen heraus kommen

„In einem von männlichem Hierarchiedenken geprägten Unternehmen kann gleichberechtigte Teilhabe nicht gelingen. Veränderungen sind hier dringend notwendig. Aber diese müssen von innen heraus kommen. Eine gleichberechtigte Unternehmenskultur muss über alle Hierarchieebenen hinweg etabliert und gelebt werden. Das kann der Gesetzgeber allein nicht leisten, hier sind die Unternehmen selbst gefordert, Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen. Unser Praxisleitfaden gibt Handlungsempfehlungen, die in jedem Unternehmen dazu beitragen können, den Frauenanteil in der Führung zu erhöhen“, so Monika Schulz-Strelow, Gründungspräsidentin von FidAR, die die Studie geleitet hat.

Folgende zentrale Ansätze verbessern wirksam die Chancengerechtigkeit in Führungspositionen:

  1. Eine verbindliche Strategie zur Erhöhung des Frauenanteils auf allen Leitungsebenen durch einen Code of Conduct formulieren, der im Unternehmensleitbild festgeschrieben wird.
  2. Eine menschenzentrierte Unternehmenskultur etablieren, in der Sexismus nicht toleriert wird.
  3. Rekrutierung und Beförderung transparent gestalten durch objektive Kriterien bei der Stellenbesetzung.
  4. Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben verbessern durch mobiles Arbeiten, Homeoffice, Kinderbetreuung und Familienservicedienstleister.
  5. Frauen gezielt durch Netzwerke, Mentoringprogramme und Coachings empowern.
  6. Role Models und Male Allies fördern – wobei Männern eine Schlüsselrolle zukommt, indem sie sich für eine gleichstellungsorientierte Kultur einsetzen und so mit gutem Beispiel vorangehen.

„Unser Ziel ist, aus der Praxis für die Praxis konkrete Handlungstipps zu geben. Die wichtigste Erkenntnis aus der Befragung der Unternehmen ist, dass viele Entscheiderinnen und Entscheider die gesetzlichen Vorgaben teils nur rudimentär kennen und es noch große Defizite bei der Umsetzung gibt. Deswegen sind Impulse für praktikable Maßnahmen so wichtig, mit denen Unternehmen der Privatwirtschaft für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen können“, betont Seng. „Zur Parität ist es noch ein weiter Weg. Sie wird nur gelingen, wenn aus den Unternehmen heraus mehr Engagement gezeigt wird. Wir müssen die zahlreichen Hemmnisse endlich überwinden, damit nicht nur die Zahlen besser werden, sondern die Teilhabe in der Wirtschaft auch gelebt wird und die vorhandenen Potenziale besser genutzt werden“, ergänzt Schulz-Strelow.

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