Konflikte rauben Kraft. Sie machen unproduktiv, absorbieren Aufmerksamkeit und sorgen für Stillstand. Doch obwohl sie niemand haben will, gehören sie zum Arbeitsalltag. Konflikte klären ist daher Chefsache.
Wo unterschiedliche Charaktere, Sicht- und Arbeitsweisen aufeinandertreffen, kommt es zwangsläufig zu Unstimmigkeiten. Und so redet man häufig entweder gar nicht mehr miteinander, nur noch übereinander oder aneinander vorbei. Spätestens dann sollte sich der Chef verantwortlich fühlen und die Klärung des Konflikts angehen.
Dabei senken Konflikte die Produktivität in Unternehmen um 25 Prozent – das hat eine Konfliktkostenstudie der KPMG herausgefunden. Oberste Priorität einer Führungskraft sollte deshalb sein, ein Umfeld ohne Konflikte, Disharmonien oder Unstimmigkeiten für die Mitarbeiter zu schaffen. Was es dazu braucht, sind die vier essenziellen Konfliktklärungs-Kompetenzen Selbstreflexion, Empathie, Impulssteuerung und die Fähigkeit zur Metakommunikation.
Kompetenz 1: Selbstreflexion – sich bei sich selbst gut auskennen
Wenn Sie Menschen führen wollen, sollten Sie in der Lage sein, Ihr eigenes Denken, Handeln und Fühlen zu reflektieren. Nur so können Sie verstehen, weshalb Sie sich in einer Situation so verhalten, wie Sie sich verhalten, und welche Gefühle das vermutlich bei den anderen auslöst. Dann gewinnen Sie auch eine Vorstellung davon, wie ihre Mitarbeiter psychisch gestrickt sind. Persönlichkeitsanalysen können dabei helfen, Selbstreflexion auf einer fundierten und möglichst objektiven Basis durchzuführen. Es handelt sich dabei meistens um onlinebasierte Selbsteinschätzungen, die jeweils unterschiedliche Facetten der individuellen Persönlichkeit analysieren und abbilden. Im Handbuch der Persönlichkeitsanalysen beispielsweise finden Sie einen guten Überblick der gängigsten Modelle.
Kompetenz 2: Empathie – die Gefühle der anderen verstehen
Vor allem in Konfliktsituationen haben Sie es häufig mit starken Emotionen zu tun. Sich selbst und die eigene innere Haltung zu kennen, ist die Voraussetzung, um andere Menschen zu verstehen und sich in sie einfühlen zu können. Dafür brauchen Führungskräfte Empathie – die Fähigkeit, Empfindungen, Gedanken, Motive und individuelle Persönlichkeitsmerkmale des anderen wahrzunehmen, sie zu verstehen und angemessen darauf zu reagieren. Um herauszufinden, ob Sie im Umgang mit Ihren Mitarbeitern empathisch genug sind, sollten Sie sich regelmäßig folgenden Fragen stellen:
- Wie zeigen sich schwierige Gefühle in Konfliktsituationen?
- Sprechen Sie regelmäßig im Team über Emotionen?
- Woran erkennen Sie positive und negative Gefühlsregungen bei Ihren Mitarbeitern?
- Wie gut hören Sie ihnen zu?
- Äußern Sie eigene Emotionen vor Ihrem Team?
Das Arbeitsklima wird zu 50 bis 70 Prozent von einer Person bestimmt: dem Chef. Hören Sie Ihren Mitarbeitern daher immer ganz genau zu.
Kompetenz 3: Impulssteuerung – den inneren Autopiloten stoppen
„Ich muss meine Emotionen ungefiltert rauslassen. Ich kann einfach nicht anders.“ Diese „Ausrede“ für emotionale Aussetzer in Konflikten gilt nicht. Zwar sind Verhaltensmuster in den Netzwerken unseres Gehirns festgeschrieben, sie lassen sich aber in Lern- und Übungsprozessen verändern. Das heißt: Es liegt allein in Ihrer Hand, ob Sie durch ein bestimmtes Verhalten Konflikte begünstigen oder klären. Doch was können Sie tun, wenn Sie von negativen Gefühlen überrollt werden? Hier gilt es, ganz bewusst die „Pausentaste“ zu drücken. Reflektieren Sie Ihre Empfindungen und fragen Sie sich:
- Wie nehme ich die Situation und mich gerade wahr?
- Welches Ergebnis möchte ich erzielen?
- Was muss ich an meiner Sicht- und Verhaltensweise ändern, damit ich dieses Ergebnis erreichen kann?
Kompetenz 4: Metakommunikation – über Konflikte sprechen können
Metakommunikation ist die „Kommunikation über die Kommunikation und Kooperation“. In Konflikten stehen selten inhaltliche Themen im Vordergrund, sondern häufiger die Art und Weise der Zusammenarbeit. Als Führungskraft ist es Ihre Aufgabe, Konfliktgespräche zu führen oder zu moderieren. Hier kann es hilfreich sein, einem bestimmten Ablauf zu folgen. Für uns hat sich die Struktur der „Klärungshilfebrücke“ von Dr. Christoph Thomann bewährt. Sie besteht aus insgesamt sieben Phasen: Vorbereitung, Einstieg, Verstehen der Standpunkte, Klären im Dialog, Lösungen entwickeln, Abschluss und Nachbereitung. Dieser Ablauf eignet sich als stabiles Geländer, um das Gespräch konstruktiv und strukturiert zu steuern.
Konflikte sind wichtig. Sie bringen Dinge in Bewegung und im besten Falle Menschen miteinander ins Gespräch. Diese Erkenntnis ist der erste wichtige Schritt zur Konfliktklärung. Die Fähigkeit, als Führungskraft erfolgreich mit Konflikten umzugehen, ist jedoch ein langer Prozess, der nicht von heute auf morgen abgeschlossen ist. Nutzen Sie daher die Chance, ihre Konfliktkompetenzen jeden Tag ein bisschen mehr zu perfektionieren.
Die Diplom-Psychologin und zertifizierte Klärungshelferin Barbara Kramer (rechts) arbeitet seit 1998 als selbstständige Beraterin mit den Arbeitsschwerpunkten Konfliktklärung, -kompetenzen und -prophylaxe. Frauke Ion ist Organisationsberaterin und für zahlreiche diagnostische Instrumente zertifiziert. Unternehmen schätzen ihr Know-how über diagnostikbasierte Persönlichkeitsentwicklung. Der Beitrag stammt aus ihrem Buch Konflikte klären ist Chefsache.