Mindful Leadership gleich Kuschelkurs?

4 Fäuste

Der klassische Manager verliert deutlich an Stellenwert. Gefragt sind mittlerweile vielmehr Führungskräfte und Unternehmer, die den Faktor Mensch als zentralen Stellhebel verstehen. Was es dafür braucht, weiß die Mindmanagement-Expertin Edith Mohrenschildt.

Menschen die sich selbst führen können, sind die besseren Führungskräfte. Sie sind zufrieden und erfolgreich, weil sie (wieder) mit sich in Verbindung sind. Selbstführung ist die Basiskompetenz der „New Economy“ – und somit eine nicht zu unterschätzende ökonomische Dimension. Der immer wieder kolportiere Ansatz, Mindful Leadership ist gleich Kuschelkurs, ist schlichtweg falsch!

Ich erlebe Menschen in Toppositionen nicht selten im Dauerstress, im Multitasking und jede/r zweite war schon einmal knapp an oder schlimmstenfalls in einem Burnout. Effizientes Managen ist methoden- und prozesskonzentriert und damit bleiben konsequenter Weise die Menschen auf der Strecke – auch die in Toppositionen.

Die „Old Economy“ ist in der Regel auf Gewinn-Maximierung, Qualität und Wirtschaftlichkeit fokussiert. Das Organigramm wird gemanagt. Werte werden zwar kommuniziert (zum Beispiel auf teure Broschüren gedruckt), sie werden allerdings selten bis nie vom Management-Board (vor)gelebt. Dabei ist vielen nicht bewusst, dass sie gar nicht vorleben, was sie von anderen verlangen.

Management ist eine Position, die oft als Privileg verstanden wird

Wer hat das schönste Büro im Haus, den Parkplatz direkt vor der Tür und ist nicht greifbar für Mitarbeiter und Kollegen? Glücklich sind diese Top-Manager trotzdem nicht. Weder sie sind es, noch die Menschen, die für sie arbeiten. Eine Gallup Studie zu diesem Thema zeigt: 67 Prozent der Mitarbeiter machen nur Dienst nach Vorschrift. 17 Prozent haben innerlich gekündigt. Das sind in Summe 84 Prozent, die nicht mehr bereit sind, sich freiwillig für die Ziele ihrer Firma einzusetzen. Neben dem wirtschaftlichen Schaden ist hier der Ruf nach einer neuen Führung unüberhörbar.

Dabei wird sehr deutlich, dass wir mit besseren Prozessen und optimierteren Maschinen keine wirkliche Produktivitätssteigerung erzielen. Die Wertschöpfung von heute und morgen wird durch die Erhöhung der Arbeitsproduktivität erzielt. Der Faktor Mensch ist der zentrale Stellhebel. Selbstwahrnehmung, Gedankendisziplin, Selbstregulierung, soziale Kompetenz, Empathie und Achtsamkeit sollten dabei die Voraussetzungen einer Führungskraft von heute sein.

Die eigene Haltung und andere Haltungsfehler

Leben Führungskräfte Unternehmensleitbilder und Richtlinien nicht täglich und deutlich sichtbar vor, sind sie hinfällig. Am nachhaltigsten verstehen Mitarbeiter Führungskräfte durch das, was diese tatsächlich vorleben. Das ist nicht neu. Oft allerdings übersehen letztere, dass tatsächlich alle Handlungen – vom Arbeitsbeginn bis zum Arbeitsende – diese Verantwortung in sich tragen.

Stehen Mitarbeiter im Mittelpunkt, müssen Führungskräfte nicht nur mit bestem Beispiel vorangehen, sie brauchen auch die Selbsterkenntnis, um sich menschlich und achtsam zu verhalten. Dazu müssen sich Führungskräfte erst einmal selbst gut führen, denn nur wer sich selbst gut führen kann, kann andere führen. Sich selbst als Mensch zu hinterfragen, ist jedoch immer noch rar – vor allem in Toppositionen.

Der Weg der Selbstführung braucht Zeit

Der klassische Manager ist ein Macher-Typ, top ausgebildet und mit viel Erfahrung im Gepäck. Meine Erfahrungen zeigen, dass es für diese Führungskräfte die größte Herausforderung ist, von dem „Macher im Außen“ zu einem „Macher im Innen“ zu werden. Denn vom emsigen Streben in die Ruhe zu kommen und sich dabei selbst zu begegnen, braucht jede Menge Mut. Und das Erkennen der ungeschönten Persönlichkeit benötigt Intelligenz.

Diese gewonnenen Erkenntnisse zu bearbeiten und in das tägliche Leben zu integrieren, braucht Zeit. Daher beschreitet man den Weg der Selbstführung auch nicht in einem Wochenendkurs oder einem 2-Tages-Seminar. Auch gibt es keine Wunderpille, kein rasches Tun. Ganz im Gegenteil, je mehr Ruhe sich eine Führungskraft dafür nimmt, umso schneller treten positive Ergebnisse ein. Je mehr er hetzt, umso langsamer und ineffektiver wird dieser Prozess.

Ratsam ist daher, sich mindestens zwei Mal im Jahr eine Auszeit von zwei bis drei Tagen zu nehmen, und sich unerreichbar für die Außenwelt ausschließlich um sich selbst und die eigene Führungspersönlichkeit zu kümmern. Konkret: In der Ruhe liegt die Kraft. So nämlich ist der Business-Alltag viel gelassener zu bewältigen. Auch ist die Erkenntnis durch den Abstand deutlich größer.

Psychosoziale Gesundheit ist heute eine der größten Kraftquellen

Führungskräfte, die sich selbst führen können, haben mehr Zeit, sind zufriedener mit ihrer Arbeit, Meister der Orientierung und Vermittlung von produktivem Vorgehen (auch in schwierigen Situationen), treffen schneller bessere Entscheidungen, arbeiten nicht mehr bis zum Burnout, nehmen Informationen schneller auf, stellen Verbindungen effektiver her, sind Vorbilder für andere, klarer in ihren Aussagen und haben damit deutlich weniger Disziplinarprobleme, sind respektvoll, richten Menschen auf und erleben dabei, um wieviel produktiver, loyaler, gesünder und kraftvoller diese werden. Sie sind frei für exzellente Leistungen und Erfolge in einem gesunden Sinne – zum Wohle aller.

Ist die psychosoziale Gesundheit heute eine der größten Kraftquellen, sollten Unternehmen die Gesundheit, Arbeitsproduktivität und Unternehmenskultur wirklich wichtig nehmen und neu fassen. Der erste wichtige Schritt dazu ist Mindful Leadership. Denn die Schaffung eines positiven, wertschätzenden Klimas ist wichtige Voraussetzung für langfristiges Wachstum. Das Ziel: wirtschaftliches und persönliches Wachstum durch das Implementieren von Begegnung, Verbindung und Respekt als Basis einer zukunftsfähigen Wirtschaft.

Wertschätzung und Menschlichkeit zusammen sind höchst erfolgreich

Es ist Unsinn zu glauben, dass Wertschätzung und Menschlichkeit zulasten von Wirtschaftlichkeit oder Qualität gehen. Ganz im Gegenteil, zusammen sind sie höchst erfolgreich. Beim Mindful Leadership geht es um die Haltung und den Charakter dessen, der führt.

Die Führungsaufgabe muss sich dramatisch verändern. Das klassische Managen verliert deutlich an Stellenwert, denn Leistungsbereitschaft und Unternehmenskultur lassen sich nicht managen. Es ist dringend an der Zeit, dass Führungskräfte und Unternehmer die notwendigen Änderungen einleiten und dabei jede mögliche Unterstützung anbieten. Ohne diesen neuen Führungstyp werden Unternehmen weder mit den neuen Anforderungen der schnelllebigen Zeit und der neuen Generation der Arbeitnehmer (Generation Y) standhalten können, noch mittel- bis langfristig erfolgreich sein.

 

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Edith Mohrenschildt ist Unternehmerin und Geschäftsführerin der Agentur alphaorange. Die Mindmanagement-Expertin, Universitätslektorin, Autorin und Speakerin vermittelt wissenschaftliche Erkenntnisse, wirtschaftliches Know-how und das Wissen um die eigenen mentalen Fähigkeiten. Nachzulesen in ihrem aktuellen Buch Das Über-Drüber Denken. Das Erfolgsprinzip der eigenen mentalen Kraft.

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.