Eine aktuelle Studie zeigt: Obwohl die meisten deutschen Unternehmen die Bedeutung organisationaler Resilienz betonen, fehlt es vielen an einer klaren Strategie.
81 Prozent der deutschen Unternehmen halten organisationale Resilienz für essenziell, um Ausnahmesituationen zu bewältigen, professionell zu reagieren und vorausschauend nachzuarbeiten. Doch 39 Prozent schätzen ihre eigene Resilienz als gering oder sehr gering ein. In 87 Prozent der Firmen fehlte eine Resilienzstrategie, und 37 Prozent beklagen mangelndes qualifiziertes Personal für die Umsetzung. Das ergab eine Kundenbefragung des Fachverbands Organisationsentwicklung + Change Management im Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) e. V. Besonders mittelgroße Unternehmen mit 100 bis 1.000 Mitarbeitenden haben laut der Studie Nachholbedarf. Große Firmen sind durch regulatorische Vorgaben etwas besser aufgestellt.
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“Organisationale Resilienz ist ein wichtiger Faktor für Unternehmen, um erfolgreich mit Ausnahmesituationen umzugehen und diese zu überleben. Dennoch fehlt bei der Umsetzung oftmals noch der ganzheitliche Blick und selbst in der Strategie ist das Thema nicht ausreichend besetzt. Der Begriff Resilienz wird häufig als Fähigkeit interpretiert. Es ist jedoch im Kontext von Organisationen ein Prozess, der die drei Schritte anticipating, coping und adapting umfasst”, erklärt Jennifer Reckow, Vorsitzende des Fachverbands das Befragungsergebnis.
Hauptbedrohung: Verlust von Schlüsselpersonen
61 Prozent der Befragten sehen den Weggang von Schlüsselpersonen als größte Bedrohung. Cyberrisiken folgen mit 53 Prozent, der Verlust von Liefer- oder Absatzmärkten mit 35 Prozent. Kurzfristige Gesetzesänderungen oder Lieferkettenprobleme spielen kaum eine Rolle. Kleinere Firmen kämpfen häufiger mit Liquiditätsproblemen (38 Prozent), während Mittelständler vor allem wegbrechende Märkte (45 Prozent) fürchten.
Die Antizipation kritischer Entwicklungen liegt bei 51 Prozent der Unternehmen im Top-Management. Nur in 29 Prozent verfügen über ausreichend qualifiziertes Personal dafür. Im Umgang mit Krisen (“coping”) sehen sich die meisten Unternehmen gut aufgestellt. 68 Prozent haben Notfallszenarien, doch 41 Prozent halten diese für unzureichend.
Kleine Firmen punkten bei Anpassungsfähigkeit
Eine zentrale Rolle spielt Kommunikation. 88 Prozent der Befragten bewerten ihre Krisenkommunikation und Entscheidungsfindung als angemessen, allerdings nur 46 Prozent in vollem Umfang.
Nicht alle Unternehmen können sich gleichermaßen an neue Gegebenheiten anzupassen (“adapting”). 34 Prozent schaffen dies nur mit großem Aufwand, 25 Prozent sehen sich dazu gar nicht in der Lage. Kleine Firmen sind hier am flexibelsten: 68 Prozent geben an, ihre Strukturen ließen sich in Krisen leicht anpassen. “Kleinere Unternehmen sind flexibler und lösungsorientierter und können agil auf Veränderungen reagieren. Bei der Entwicklung von Notfallszenarien sind sie hingegen schlechter aufgestellt, da sie sich auf ihre Agilität verlassen”, so Reckow.
Organisationsentwicklung als Pflichtaufgabe
59 Prozent der Unternehmen haben bereits Praktiken entwickelt, um sich schnell an neue Situationen anzupassen (“adapting”). 52 Prozent arbeitet daran, Anpassungsfähigkeit, Reflexion und Lernprozesse zu stärken. “Jedes Unternehmen sollte sich genau mit diesem Thema der Organisationsentwicklung beschäftigen und – ggf. mit professioneller Unterstützung – entsprechende Rollen, Funktionen und Prozesse definieren. Das hilft ihnen, mit Krisen gut zurechtzukommen, flexibler zu agieren, sich schnell anzupassen und Entscheidungen zu treffen, die dann auch vom ganzen Team mitgetragen werden”, betont Reckow.
Die Befragung fand im Sommer 2024 statt. 219 Mitarbeitende aus deutschen Unternehmen nahmen teilt: 85 Personen (39 Prozent) aus Firmen mit weniger als 100 Mitarbeitenden, 68 Personen (31 Prozent) aus Unternehmen zwischen 100 und 1.000 Mitarbeitenden und 66 Personen (33 Prozent) aus großen Firmen mit über 1.000 Mitarbeitenden. Die Studie basiert auf dem Modell zur organisationalen Resilienz von Dr. Stephanie Duchek (Fraunhofer IAO). Es unterscheidet drei Kernfähigkeiten: Antizipation (Krisen und Chancen vorauszusehen), Bewältigung (Belastungen standzuhalten) und Anpassung (Veränderungen zielführend umsetzen).