Großbritannien hat eine neue Regierungschefin. Nach Margaret Thatcher die zweite Frau im Amt als Premier. Aber statt ihrer Politik widmen sich die Medien vor allem ihrem angeblichen Schuhtick.
Nach dem Brexit ging der Wechsel in den politischen Führungspositionen des Vereinten Königsreichs schneller als zunächst angekündigt. Premier David Cameron (49) machte den Weg in dieser Woche frei für seine Nachfolgerin Theresa May (59). Die Konservative war seit 2010 Innenministerin des Vereinten Königreichs – ein Posten, der als schwierig gilt.
Es ist schon komisch, dass nach dem Brexit so viele männliche Entscheider schnell ihr Amt verlassen haben. Neben dem Brexit-Anschieber und Ukip-Vorsitzenden Nigel Farage hatte auch der Konservative Boris Johnson seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Mit etwas Ironie könnte man sagen: Immer wenn Männer ein Schlamassel anzetteln, müssen kluge Frauen das Chaos hinterher aufräumen. Mays erster politischer Coup als Premierministerin war allerdings, die Konsequenzen des politischen Schlammassels namens Brexit mit den eigentlichen Verantwortlichen zu teilen: Kurzerhand machte sie Johnson zum Außenminister.
Ein geschickter Schachzug zum Auftakt
Der früherer Bürgermeister von London war lange Zeit ein Konkurrent des ehemaligen Premiers Cameron. Er wollte dann aber lieber doch nicht für dessen Nachfolge kandidieren. Auch wenn Johnson bei den Austrittverhandlungen mit der EU nur einer untergeordnete Rolle spielen wird – immerhin wurde der als EU-skeptisch geltende David Davis zum Chefunterhändler für die Verhandlungen mit Europa benannt – so ist die Personalie dennoch ein geschickter Schachzug gemäß der beliebten Führungsstrategie: teile und herrsche.
Leider widmen sich viele Medien derzeit nicht der politischen Analyse. Denn ob May wirklich als eher gemäßigt gilt – (sie stimmte immerhin 2003 für eine Beteiligung Großbritanniens am Krieg im Irak, später auch in Lybien und Syrien) – bleibt abzuwarten. Stattdessen dreht sich vieles – wie immer, wenn eine Frau ein hohes politisches Amt übernimmt – um ihr Äußeres. Und ihren angeblichn Schuhtick. Kaum eine Zeitung, ein Fernseh- oder Radiosender, der nicht die Schuhe der neuen Entscheiderin in London in Großaufnahme zeigte.
Die Frau trägt Schuhe!
Die Tageszeitung Die Welt bescheinigt May immerhin, eine Stilikone zu sein: “Pumps mit Leopardenmuster und Brillis, ein Hosenanzug von Vivienne Westwood: Kaum im Amt gilt Theresa May als neue Stilikone – elegant und glamourös.” Die Deutschen dagegen seien zu moralisch. Auch der Spiegel stößt ins gleiche Horn und bezeichnet May ebenfalls als Stilikone – mit obligatorischer Großaufnahme ihrer Schuhe. Sie sei “ziemlich wild für eine Konservative”, heißt es gleich in der Headline.
Die Bild-Zeitung präsentiert gleich mehrere Schuh-Bilder in einem Stück. Und natürlich lässt sich auch der Focus beim Thema Theresa May und Schuhe nicht lumpen. Freilich darf da dann nicht die Gala mit einem ausführlichen Stück fehlen. Zum Glück gibt es noch die Süddeutsche Zeitung, in der Friederike Zoe Grasshoff den Schuh-Fetisch, den die Medien da offenbar entwickelt haben, in einer Glosse auseinandernimmt.
Immerhin ist die Berichterstattung positiv
Freilich: Auch über die Frisur von einem Donald Trump, amerikanischer Präsidentschaftsanwärter, wird gelästert. Fast die gleiche Frisur trägt ja auch Boris Johnson. Und immerhin: May wird wenigstens Geschmack bescheinigt. Die Berichterstattung über ihr Äußeres überschlägt sich geradezu vor Lob.
Neu ist das Phänomen allerdings nicht. Schon über Margaret Thatcher, von 1975 bis 1990 Vorsitzende der Konservativen Partei, von Mai 1979 bis November 1990 die erste Frau als Premierministerin von Großbritannien, gibt es allerlei hübsche Geschichten über ihren vermeintlichen Mode- und vor allem Schuhtick. So heißt es, sie habe bei vertraulichen Hintergrundgesprächen am Kamin gerne ihre Pumps ausgezogen und mit diesen und ihren schlanken Füßen gespielt. Bis heute ist allerdings unklar, ob dieses Bild nicht eher ins Reich der Fantasie so mancher Politikbeobachter gehört.
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