Wie wird man eine gute Führungskraft? Sicher nicht, wenn man es anstrebt, eine „eierlegende Wollmilchsau“ zu werden.
Ältere Führungskräfte erinnern sich gut daran, wie es war, als sie zum ersten Mal eine Führungsfunktion übernommen haben. In der Firma, im Freundeskreis zu Hause: Überall wurde gratuliert. Man selbst freute sich und war stolz. Heute dagegen werden Menschen, die in der Unternehmenshierarchie aufsteigen, gefragt: „Bist du denn wahnsinnig geworden? Willst du dir und deiner Familie das wirklich antun?“
Früher wurde jemand zur Führungskraft und erhielt damit eine relativ klare Rolle: die des Ansagers, des Bosses. Die Rolle einer Führungskraft heute ist mit dem Ausdruck der „eierlegenden Wollmilchsau“ nur sehr unzureichend beschrieben: Sie muss in allen Fachbereichen glänzen, am besten alles gleichzeitig und sofort erledigen, sämtlichen Ansprüchen genügen und 24 Stunden am Tag sieben Tage in der Woche erreichbar sein.
Führen – was ist das überhaupt?
Führen bedeutet, Ziele zu definieren oder vorgegebene Ziele umzusetzen, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen oder bereitzustellen und auf Menschen einzuwirken, um sie zu Haltungen und Handlungen zu bewegen, die zur Erreichung der Ziele notwendig sind.
Wer Führungskraft wird, wird dies in der Regel, weil er Fachaufgaben im operativen Bereich exzellent bewältigt. So wird beispielsweise der beste Verkäufer zum Leiter des Verkaufsteams und der beste Mann an der Maschine wird zum Gruppenleiter in der Fertigung.
Das Umfeld, in dem Führen heute (und morgen) stattfindet
Nie aber war die Komplexität der Umwelt so hoch wie heute: Die Unvorhersehbarkeit von Entwicklungsprozessen im wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Kontext hat rapide zugenommen. Durch die Globalisierung ist die Anzahl der Parameter des wirtschaftlichen und politischen Handelns völlig unüberschaubar geworden. Die Öffnung politischer und wirtschaftlicher Systeme hat eine Vernetzung mit sich gebraucht, die bis vor 20 Jahren undenkbar erschien. Für Führungskräfte bedeutet dies, dass es unmöglich geworden ist, Entscheidungen in einem halbwegs gesicherten Umfeld zu treffen.
Kommunikationsprozesse werden immer schneller: Sowohl durch die Innovationen in den Bereichen Kommunikations- und Datentechnik als auch im Bereich der Verkehrstechnik ist die Welt zu einem Dorf geschrumpft. Videokonferenzen, mobile Telefonie und Internet an fast allen Orten, die Möglichkeit, heute zu entscheiden, dass wir morgen zu einem Meeting in die USA fliegen und übermorgen wieder zu Hause sind: Wir leben in einer technisch bestimmten „Normalität“, die der Natur des Menschen nicht mehr entspricht.
Erfolg durch wertschätzendes Führen
Wenn das Kompetenzprofil einer Führungskraft so umfangreich ist, braucht positive Führung heute gesamt- und einzelwirtschaftliche Kompetenzen. Die Kompetenz, sich in den verschiedenartigsten juristischen Welten zurechtzufinden. Fachkompetenzen, die sich aus der professionellen Entwicklung heraus ergeben. Die Kompetenz, sich selbst zu verstehen und mit sich umgehen zu können. Und schließlich umfassende psychosoziale Kompetenz, um zwischenmenschliche Beziehungsprozesse erfassen und beeinflussen zu können.
Beim Blick auf diese vielen und sehr unterschiedlichen Parameter holt uns wieder das Bild von der „eierlegenden Wollmilchsau“ ein, das auf den ersten Blick wohl kaum von einem einzelnen Menschen erfüllt werden kann.
Positive Führung
Resilienz statt Burnout
von Henning Schulze und Klaus Sejkora
Haufe Verlag (1. Auflage, Juni 2015)
29,95 Euro (D)
ISBN: 978-3-648-06015-5