Viele Unternehmer bremsen die Schaffenskraft ihrer mittleren Führungsebene sowie die ihrer Mitarbeiter aus. Dabei bräuchten sie nur den Fokus auf das Wesentliche legen.
Die meisten Unternehmenslenker wollen ihr Unternehmen nach vorn bringen, bremsen die Schaffenskraft der mittleren Führungsebene sowie die der Mitarbeiter größtenteils aber aus. Dabei ist Unternehmensführung kein Hexenwerk. Wenn man den Fokus auf das Wesentliche legt, entstehen vom Zeitpunkt des Wollens bis zum Zeitpunkt des Erreichens keine oder höchstens geringe Verluste. Doch sind Ziele bestimmen, Strategien aufsetzen, Planungen festlegen, koordinieren und kontrollieren wirklich das Wesentliche?
Eher nicht, wie die von der SAAMAN AG veröffentlichte Studie Einfluss der Unternehmensleitung auf die Mitarbeiterleistung belegen möchte. Ökonomie ist nur einer von zwei Hebeln, mit denen sich Unternehmen sicher zum Erfolg führen lassen. Der zweite wird häufig missachtet oder nur ungern berücksichtigt: die Psychologie.
Menschen als Ressource
“Wenn wir unter Ökonomie das Handling von Zahlenwerken verstehen, um Leistung zu produzieren, dann ist Psychologie der erwartungsgerechte Umgang mit Menschen, um deren Leistung zu steigern. Und hier schwächeln auffallend viele Kapitäne auf der Brücke ihrer Unternehmen”, so Dr. Wolfgang Saaman, Leiter der Studie.
Die in der Studie gestellten Fragen konzentrierten sich ausnahmslos auf das Verhalten der Unternehmensleitung, also Vorstand bzw. Geschäftsführung. Es wurde explizit herausgestellt, dass nicht das Verhalten von Führungskräften, sondern ausschließlich das der Unternehmensleitung, also der Lenker an der Spitze des Unternehmens, gemeint ist. Daher sprach die Studie gezielt die Köpfe ganz oben an, wollte also bewusst eine Trennschärfe zwischen Führungskräften und Unternehmenslenkern.
Ungeachtet der öffentlichen Diskussion scheint sich in den Köpfen und im Verhalten vieler Top-Manager wenig zu verändern. Viele Teilnehmerantworten spiegeln wieder, dass sie sich von der Unternehmensleitung zu stark kontrolliert fühlen und keine Eigenverantwortung übernehmen können. Führungskräfte und Mitarbeiter beklagen, dass das Top-Management die Menschen im Unternehmen nur als eine Ressource sieht, die mit diversen Tools zu managen ist.
Mehr Frust als Lust
Auffallend ist, dass offenbar die meisten Unternehmensleitungen kein Vertrauen in den Gestaltungswillen und die Innovationsfähigkeit ihrer Mitarbeiter haben. “Menschen als Produktionsfaktoren zu sehen und sich so zu verhalten, zerstört Leistung und fördert Demotivation”, so Saaman. Dabei ist der Rückhalt der Führungskräfte und Mitarbeiter essenziell für einen nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. Durch das kontraproduktive Verhalten des Top-Managements ist aber genau das gefährdet, was am meisten angestrebt wird: der Erfolg.
Erschreckende Antworten gaben die Teilnehmer auf die Frage: Welches Verhalten der Unternehmensleitung beeinflusst Ihre Leistung negativ?
- Mangelnde Wertschätzung (Ich Chef – du nix).
- Fehlender Respekt gegenüber Mitarbeitern (dumme Sprüche, nicht eingehaltene Termine etc.).
- Mitarbeiter im Dunkeln lassen.
- Potenziale, die nicht genutzt werden (das Rad wird neu erfunden, trotz Erfahrungswerte eines Mitarbeiters).
- Denken und/oder Festhalten an alten/überholten Strukturen/Mustern.
- Ziele völlig an der Realität vorbei geplant.
- Gutsherren Art, Ahnungslosigkeit, Lügen, Illoyalität, Konfliktscheue, Bequemlichkeit, Intrigen, Falschheit.
- Täglich wechselnde Meinung, je nach Laune.
- Machtdemonstration.
- Permanente Erhebung von zu vielen Controllingdaten.
- Mitarbeiter beim Wollen ausbremsen.
- Zu viel Management statt Leadership.
- Nur Zahlen, Daten, Fakten verpflichtet, nicht dem Menschen.
- Verharren in Floskeln und fehlende Konkretisierung der Strategie.
- Zweierlei Maß – Anforderungen an Mitarbeiter gelten nicht für den Chef.
- Nur nehmen, wenig geben.
Der emotionale Graben zwischen der obersten Etage und dem Rest des Unternehmens scheint tief. Manche Mitarbeiter haben gar das Gefühl, dass der Kontakt völlig abgerissen ist. Dabei ist der Wunsch, als Mensch wahrgenommen zu werden und Anerkennung zu erfahren, nicht schwer zu erfüllen.
Wie die Antworten auf die Frage, “Welches Verhalten der Unternehmensleitung beeinflusst Ihre Leistung positiv?” zeigen:
- Auch mal das ein oder andere persönliche Wort, nicht nur Hallo und Tschüss.
- Gefühl, ernst genommen zu werden und echte Anerkennung zu erhalten (oder auch ehrliche Kritik).
- Verantwortung zeigen für die Menschen im Unternehmen.
- Entscheidungsspielräume in meinem Gebiet.
- Vertrauen in Leistung/Potenzial der Mitarbeiter, auch als Vorschuss geben.
- Klare Sprache.
- Unternehmerisch progressive Ausrichtung des Unternehmens.
- Probleme aktiv anpacken.
- Nicht nur Zahlen getrieben.
- Schaffung einer positiven Leistungsatmosphäre.
- Abwechslungsreiche, herausfordernde Aufgaben.
- Wissen, was von mir erwartet wird.
- Zuweisung von Zuständigkeiten, Klärung von Rollen und Aufgaben.
- Berechenbarkeit.
- Rückendeckung in schwierigen Situationen.
- Verbindlichkeit von Aussagen und Entscheidungen.
- Werte nicht nur verkünden, sondern leben.
Genau genommen werden Selbstverständlichkeiten verlangt, die aber nicht als solche gelebt werden.
In 12 Monaten lässt sich die Welt verändern
Ferner reicht es Mitarbeitern nicht, ab und zu von ihrer direkten Führungskraft gelobt zu werden. Und auch von ganz oben wird Wertschätzung und Anerkennung erwartet. Wenn die Unternehmensleitung jedoch das Gefühl vermittelt, wichtigere Dinge zu tun zu haben, als sich mit den Mitarbeitern auseinanderzusetzen, bremst das aber die Mitarbeiterleistung.
Durchweg kritisieren die Befragten, dass vielen Unternehmensleitungen nur daran gelegen sei, in der Außendarstellung als mitarbeiterorientiert zu gelten. So äußerten die Befragten: “Wohlklingende Leitbilder gibt es viele, doch die gelebte Realität steht meist im krassen Gegenteil dazu.”
Daher fragte die Studie auch danach, was Unternehmensleitungen in den nächsten 12 Monaten unbedingt ändern sollten? Die Antworten:
- Mehr Transparenz bei Entscheidungen schaffen sowie die Mitarbeiter mitnehmen.
- Auch in schlechten Zeiten offene Worte sprechen.
- Mehr Kommunikation, Gespräche und Diskussionen auf Augenhöhe.
- Vom Planen ins Handeln kommen.
- Unternehmerisch sinnvolle Entscheidungen treffen, nicht nur stumpf auf die Kostenbremse treten.
- Mitarbeiter entsprechend ihrer Erfahrung und Qualifikation führen.
- Eine Konsequenzkultur leben.
- Abschied von sinnentleerten Zielbildern.
- Arbeitsorganisation und -prozesse den Bedürfnissen des Unternehmens und der Mitarbeiter anpassen.
- Klare Linie, nicht ständig neue Aktionen.
- Vorgeben einer gemeinsamen Richtung.
- Dialog mit Belegschaft beginnen, um Kompetenzen zu nutzen.
- Vertrauen in den Leistungswillen der Mitarbeiter.
- Mich beim Wollen unterstützen und nicht ausbremsen.
- Abmachungen einhalten.
- Von anderen eingeforderte Dinge auch selbst vorleben.
Die Studie zeigt, dass es daran mangelt, den Mitarbeitern ohne Kommunikationsverzerrung über einzelne Hierarchieebenen hinweg klipp und klar zu sagen, was Sache ist und wo die Reise hingehen soll. Die Frage ist, ob Top-Manager die Zeichen der Zeit ignorieren, weil beispielsweise zu viele Sachthemen auf ihrem Schreibtisch liegen? Und auch wenn Modernisierung gefordert wird, so leben Unternehmenslenker leider noch immer die konservative Tradition (Ich Chef – du nix). “Das Elfenbeinturm-Phänomen treibt nach wie vor seinen Spuk. Viele Unternehmenschefs werden als abgehoben, arrogant, realitätsfremd erlebt”, resümiert Saaman.
Inkonsequenz als Merkmal der Unternehmensleitung?
Was muss passieren, damit Top-Manager umdenken? Sie müssen zunächst einmal konsequent an Veränderungen ihres Verhaltens arbeiten. Doch genau diese geforderte Konsequenz scheint nicht die durchgängige Stärke im Top-Management zu sein. Die bemängelte Inkonsequenz besteht vor allem darin, Ansprüche an andere zu haben, die selbst nicht erfüllt werden, oder Zusagen zu machen, ohne sich konkret daran zu halten.
Mitarbeiter begeistern, sie zumindest für das Unternehmen gewinnen, ist eine seit vielen Jahren weit verbreitete Forderung an Führung. Die Begeisterung soll nach Meinung der Befragten aber nicht nur von den direkten Vorgesetzten, sondern ebenso von der Unternehmensleitung ausgehen. Und genau das ist zurzeit überwiegend nicht der Fall.
Denn die Studie ergab, dass mehr als 70 Prozent der Führungskräfte und Mitarbeiter sich nicht von der Unternehmensleitung inspiriert fühlen. Begeisterung ist mit jedem Rundschreiben, das von der Unternehmensleitung kommt, mit jeder Rede in der Öffentlichkeit, mit jedem Auftritt in Betriebsversammlungen, Mitarbeiterrunden oder Konferenzen möglich. Daher gibt Saaman zu bedenken: “Wenn der Kapitän kein Land sieht, woher sollen dann die Offiziere und Matrosen ihre Hoffnung auf bessere Zeiten nehmen? Je weiter oben man steht, umso größer ist die Verantwortung für die Mut machenden und aufmunternden Botschaften, die Geführte brauchen, um sich sicher zu fühlen.”
Psychologische Unternehmensführung ist gefragt
Top-Manager haben entweder ein verzerrtes Menschenbild (z.B. dass Mitarbeiter genaueste Vorgaben brauchen und kontrolliert werden müssen, damit sie ihre Aufgabe erfüllen) oder sie geben ihr von Werten getragenes Menschenbild nicht zu erkennen. Daher werden durch enge Vorgaben und Kontrollen häufig Eigeninitiative und Motivation erstickt.
Mitarbeiter müssen Verantwortung übernehmen können und Handlungsspielraum haben, um ihre Rolle zu erfüllen. Deshalb muss der Weg weg von starren Organisationsstrukturen hin zu einem fließenden Organisationssystem führen, innerhalb dessen zwei Aspekte absolut gleichwertig nebeneinander stehen: die Wirtschaftlichkeit sowie die Menschlichkeit. Denn nicht Tools oder Standards setzen Leistungsenergie frei, sondern das richtige Verhältnis zu Führungskräften und Mitarbeitern. Das konkret erlebbare Verhalten der Unternehmensleitung hat einen erheblichen Einfluss auf die Leistung der Mitarbeiter. Mehr, als noch so raffiniert ausgeklügelte Tools zu leisten vermögen.
Die Ergebnisse der SAAMAN-Studie machen deutlich: Das Verhalten der Unternehmensleitung ist aus Sicht der Führungskräfte und Mitarbeiter in allen abgefragten Aspekten kritisch zu sehen. Ziele und Richtungen fehlen, Werte werden nicht vorgelebt, Begeisterung wird nicht vermittelt, das Vertrauensklima fehlt, der Erfolg wird nicht ausreichend gesichert.
Die Ziele und Richtungen klarzumachen, erfüllen aus Sicht der Befragten nur 23 Prozent der Unternehmensleiter, Werte leben nur 20 Prozent vor, Begeisterung stiften gerade mal 27 Prozent, Vertrauen erzeugen sogar nur 18 Prozent, den Erfolg sichern nicht mehr als 30 Prozent.
Vorleben ist besser als fordern
Unternehmensleitungen fordern, dass Führungskräfte und Mitarbeiter ihr Bestes geben. Dass sie sich für die Firma einsetzen, dass sie an Leistung geben was sie geben können, dass sie sich der Firma verschreiben und mit der Leitung identifizieren. “Vorleben ist aber besser als fordern. Viele Unternehmensleitungen haben ein gewaltiges Potenzial zur Verfügung, das zur deutlichen Leistungssteigerung ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter führen könnte. Dieses Potenzial wird viel zu wenig genutzt. Anstatt sich bloß auf Zahlen zu konzentrieren, sollten Unternehmensleitungen deutlich mehr darüber nachdenken, wie Zahlen zustande kommen”, merkt Saaman an. Die Stimmung der Mitarbeiter ist ein wichtiger Garant für den Unternehmenserfolg. Dabei geht es weniger um die allgemeine, als viel mehr um die ganz spezifische Stimmung, nämlich die, die aufkommt, wenn man darüber sinnt, wie man die Unternehmensleitung erlebt.
Das Wirken auf den Ebenen unterhalb der Unternehmensleitung ist der Spiegel des Handelns oder Unterlassens der Unternehmensleitung. Die Erwartungen an die Unternehmensleitungen sind hoch. Umso gravierender fallen die Enttäuschungen aus, wenn die in die Unternehmensleitung gesetzten Erwartungen nicht erfüllt werden. Als besonders einflussreiche Faktoren sind das Erzeugen eines Vertrauensklimas und das Vorleben der Unternehmenswerte durch die Unternehmensleitung aus der Befragung hervorgegangen.