Das instabile geopolitische Umfeld und das Mega-Thema KI, die beide die Nachrichten mitbeherrschen, sind bei Führungskräften zwar auf der Agenda, zählen aber nicht zu den obersten Prioritäten.
Eine aktuelle Studie von Spencer Stuart, die weltweit 2.321 CEOs und Aufsichtsratsmitglieder (darunter 130 aus Deutschland) befragte, bringt Überraschendes ans Licht: 78 Prozent sprechen von hoher geopolitischer Unsicherheit, und über die Hälfte sieht ein steigendes Risiko. Mehr als zwei Drittel fürchten negative Auswirkungen der anstehenden US-Wahlen. Dennoch stehen bei den Befragten interne Themen ganz oben auf der Maßnahmenliste: Unternehmenskultur (75 Prozent), Mitarbeiterthemen (69 Prozent) sowie Umwelt- und Regulatorik-Fragen (59 Prozent). Künstliche Intelligenz (40 Prozent) und Maßnahmen zur weltpolitischen Unsicherheit (28 Prozent) spielen nur eine untergeordnete Rolle. In Deutschland zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei Umwelt- und Regulatorik-Fragen vor HR-Themen rangieren.
“Inmitten zunehmender politischer Spannungen sowie vielfältiger externer und interner Komplexitäten ist es eine der größten Herausforderungen für CEOs und Aufsichtsräte, ihre Organisationen agil und auf Fokus zu halten”, erklärt Lars Gollenia, Deutschland- und Österreich-Geschäftsführer von Spencer Stuart. “Selbst die Multitaskingfähigsten müssen ihr Netzwerk jetzt intern wie extern erweitern, Kommunikation als A und O begreifen und ihr Top-Führungsteam stärken, um die wesentlichen Aufgaben strategisch und operational angehen zu können”, fügt Gollenia hinzu. Denn 25 Prozent der weltweit und in Deutschland Befragten bewerten die Agilität ihrer Unternehmen als unzureichend: Die Reaktion auf Herausforderungen und sich ändernde Parameter sei träge und mühsam.
Vorstände sehen Change-Kompetenz ihrer Aufsichtsräte kritisch
Die gute Nachricht: 87 Prozent der Aufsichtsräte weltweit und in Deutschland sind zuversichtlich, dass ihre CEOs auf die aktuellen Herausforderungen ausreichend reagieren. Die Hälfte ist sogar gänzlich überzeugt. Umgekehrt sieht es anders aus: Nur knapp über 30 Prozent der Vorstandschefs und Geschäftsführer:innen sind gänzlich überzeugt, dass ihre Aufsichtsräte den derzeitigen Herausforderungen gewachsen sind.
Auch in Deutschland hat ein Großteil (72 Prozent) die Unternehmenskultur als Top-Priorität ausgerufen. Angesichts der ungewissen Zeiten sei sie das wirksamste Instrument, um im Einklang mit der Firmenstrategie Agilität und künftiges Wachstum zu ermöglichen, so Gollenia.
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Fast 70 Prozent aller Befragten weltweit und 65 Prozent in Deutschland unterstreichen die Bedeutung einer sich verändernden Belegschaft und damit verbundener Fragen wie Talentgewinnung, Mitarbeiterbindung, Employee Engagement, Generationenunterschiede sowie Diversität und Inklusion. Gollenia: “All diese Themen sind eng verknüpft mit der immer wichtigeren Employee Experience – ein sichtbares, vorbildhaftes Leadership, das Silos aufbricht und ein kollektives ‘Wir’ in den Vordergrund stellt, kann hier enorme Wirkung entfalten.”
KI kommt oft nicht über Reflexionsphase hinaus
Wie vermehrt die Belegschaft in Deutschland auch Dinge einfordert, zeigen Zahlen zu politischen Äußerungen: Während weltweit nur 45 Prozent der Unternehmenslenker:innen zumindest moderaten Druck verspüren, öffentlich auch politische Themen zu kommentieren, sind es vor allem französische (72 Prozent), italienische (70 Prozent) und deutsche (67 Prozent) CEOs, die sich in von den Beschäftigten gedrängt fühlen. Die meisten reagieren jedoch vorsichtig und mit möglichst moderatem Engagement.
Trotz der starken Medienpräsenz wird die Anwendung künstlicher Intelligenz nicht als akut hochrelevantes Thema eingestuft: Nur 38 Prozent der CEOs und 42 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder:innen sehen KI als eine der Prioritäten, die sie konkret adressieren. Weibliche Führungskräfte zeigen dabei tendenziell mehr Interesse an KI als ihre männlichen Kolleg:innen und stellen entsprechend mehr Mitarbeitende mit KI-spezifischer Expertise ein. Immerhin 50 Prozent der Befragten befinden sich mitten in der Analyse, wie ihre Organisation KI nutzen könnte. Was die generellen Strategien zur stärkeren Implementierung von KI angeht, setzen 40 Prozent noch auf Schulungen ihrer Führungsteams, während 35 Prozent bereits entsprechende Technologien kaufen oder nutzen. 33 Prozent versuchen weiterhin herauszufinden, wie KI ihre Unternehmensstrategie beeinflussen kann. Den Mehrwert von KI sehen 44 Prozent der CEOs und 43 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder:innen in der Produktivitätssteigerung. In Deutschland geben 21 Prozent der CEOs an, dass sich erste KI-Investitionen bereits auszahlen.