Westermann im Wandel: Erfahrung trifft auf frischen Wind

Alfons Westermann, Finn Westermann, Daniel Horenburg

Die Unternehmensübergabe der Westermann-Gruppe im Emsland zeigt, dass der Generationenwechsel mehr als nur ein formaler Akt ist: Finn Westermann und sein Vater Alfons meistern die Herausforderung mit Mut, Struktur und Menschlichkeit.

Wer an Unternehmensübergaben denkt, hat oft Notartermine, Gesellschafterwechsel und steuerliche Gestaltungsspielräume im Kopf. Doch die wahre Herausforderung liegt tiefer: im zwischenmenschlichen und kulturellen Wandel. Besonders im Mittelstand, wo die Identität des Unternehmens eng mit der Persönlichkeit des Unternehmers verknüpft ist, wird der Generationenwechsel zur komplexen Aufgabe. Die Geschichte der Westermann-Unternehmensgruppe im Emsland zeigt, wie eine solche Übergabe gelingt – wenn man sie als gemeinsamen Lernprozess versteht.

Vom Sohn zum Unternehmer

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtFinn Westermann, Sohn des Firmengründers Alfons Westermann, wählt keinen geradlinigen Weg in die Nachfolge. Nach der Schule beginnt er zunächst eine Ausbildung in der Landwirtschaft, inspiriert von den familiären Wurzeln. Erst später reift der Entschluss, das Unternehmen zu übernehmen. Zwei Jahre arbeitet er im Betrieb seines Vaters, durchläuft alle Abteilungen, stellt Fragen, beobachtet. Doch er erkennt: „Ich brauche einen kaufmännischen Hintergrund.“ Es folgt eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei Tönnies, wo er Controlling und strategisches Denken lernt.

Nach der Ausbildung verbringt er ein Jahr in Neuseeland. Vier Monate lang macht er Work & Travel, danach importiert er Maschinen aus dem väterlichen Betrieb und knüpft Kontakte zu potenziellen Vertriebspartnern. „Diese Erfahrung war entscheidend für mein Selbstverständnis als Unternehmer“, sagt er rückblickend. Zurück in Deutschland, beginnt er eine Online-Ausbildung zum Technischen Fachwirt – ein weiteres Puzzlestück auf dem Weg zur Unternehmensleitung.

Management und Vertrauen: Klare Rollen

Heute, mit 24 Jahren, bereitet sich Finn Westermann auf die Leitung der NonStop Shop GmbH vor. Die Übernahme erfolgt schrittweise. Ab 2026 wird er die Geschäftsführung vollständig übernehmen. Ein bewusster Plan: „Das Erbe eines Vaters zu übernehmen, ist unfair. Es bedeutet, mit Verlustängsten und Erwartungen aus dem Umfeld zu leben. Deshalb starten wir mit der NonStop-GmbH“, erklärt Alfons Westermann. „Ich habe Freude daran, mich neuen Herausforderungen zu stellen und sie aktiv zu lösen – genau das motiviert mich täglich“, ergänzt Finn Westermann.

Diese Struktur schafft Klarheit – auch emotional. „Jeder ist für seinen Bereich verantwortlich. Das hilft, Konflikte zu vermeiden und eigene Entscheidungen zu treffen“, sagt Finn Westermann. Dass Vater und Sohn nicht im selben Büro arbeiten, ist dabei Teil des Konzepts: „Wir haben beide stressige Tage. Die räumliche Distanz sorgt dafür, dass wir uns ruhiger begegnen, wenn wir uns verabreden.“


Wir sind der Wandel-Insight WestermannEin Generationswechsel im Unternehmen prägt eine entscheidende Phase, die Chancen bietet, aber auch Herausforderungen mit sich bringt. Wie der Generationswechsel zur Chance für nachhaltige Entwicklung und eine gesicherte Zukunft wird, zeigt das INSIGHT WESTERMANN.


Die Übergabe ist mehr als ein Wechsel in der Gesellschafterliste. Sie bedeutet kulturellen Wandel. Finn Westermann bringt neue Themen ins Unternehmen: Digitalisierung, moderne Kommunikationsstrukturen, einen klar kooperativen Führungsstil. Unterstützung erhält er dabei nicht nur vom Vater, sondern auch von Daniel Horenburg, einem Unternehmerfreund der Familie. „Ich brauche noch Zeit, um in manche Aufgaben hineinzuwachsen. Würde mein Vater aber plötzlich sagen, ich höre jetzt auf, wäre ich bereit.“ Der Vater schätz das: „Ich freue mich darauf, große Entscheidungen künftig nicht mehr allein treffen zu müssen.“

Die Schattenseiten des Erfolgs: Erben in Deutschland

Alfons Westermann spricht offen über gesellschaftliche Erwartungen und innere Konflikte: „Erben haben es schwer. Wer bei null anfängt, hat keine Verlustängste. Läuft ein Unternehmen nach einer Übergabe besser als zuvor, heißt es trotzdem: Der hat sich ins gemachte Nest gesetzt.“ Hinzu kommt: Deutschland tut sich schwer mit Erfolg. „Leistung wird zwar bewundert, aber finanzieller Erfolg oft skeptisch betrachtet – vor allem, wenn der Weg dorthin als leicht erscheint.“

Dabei ist das Unternehmen für beide mehr als ein Arbeitsplatz – es ist ihr Lebensumfeld. „Selbstständigkeit ist ein Lebensstil: Die Firma kommt mit dir nach Hause, sitzt mit am Tisch und liegt mit im Bett“, sagt Alfons Westermann. Diese Nähe führt zu Reibung. „Wir mussten verstehen, wie der andere denkt, und voneinander lernen“, ergänzt Finn Westermann. Die Belegschaft steht hinter ihm. Sein Weg – praktische Arbeit, kaufmännische und technische Ausbildung, Auslandserfahrung – hat ihm Anerkennung verschafft. „Diese Entwicklung hat meinen Stand als Junior-Chef gestärkt“, sagt er überzeugt.

Chancen und Herausforderungen der Nachfolge

Die neue Generation bringt digitale Kompetenz und frische Denkweisen mit. Der Wechsel bietet die Chance, Strategie, Kundenkommunikation und Arbeitskultur zu modernisieren, ohne die Wurzeln zu kappen. „Ich verspüre den starken Wunsch, die Familientradition fortzuführen und in eine zukunftsorientierte Richtung weiterzuentwickeln.“

Und Alfons Westermann? Er ist bereit, loszulassen. „Mein Wunsch ist, mich mit 65 aus dem Operativen zurückzuziehen und mich nur noch um die Immobilien zu kümmern. Ehrlich gesagt: Am liebsten wäre es mir sogar morgen.“ Der Wiederaufbau nach dem Brand, mitten in der Corona-Zeit, hat Kraft gekostet. „Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt vorzubereiten.“

Die Geschichte der Familie Westermann zeigt: Eine erfolgreiche Nachfolge geschieht nicht von selbst. Sie erfordert Vorbereitung, Offenheit und gegenseitigen Respekt. Es geht darum, Rollen klar zu definieren, Verantwortung zu teilen und Vertrauen wachsen zu lassen. Die größte Leistung liegt vielleicht darin, als Unternehmer loszulassen, ohne sich selbst zu verlieren – und als Nachfolger Verantwortung zu übernehmen, ohne sich aufzudrängen. So wird aus einer Übergabe ein echter Wandel in der Führung.


Dieser Beitrag ist im Zuge unserer Medienkooperation entstanden. Auf journalistische Inhalte der WIR SIND DER WANDEL-Redaktion haben Geschäftspartner von WIR SIND DER WANDEL keinerlei Einfluss.


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.