Wie Führung leise überzeugt

Verschwommene Menschen auf dem Weg ins Büro

Führung überzeugt nicht durch Lautstärke, sondern durch Haltung. Dr. Christian Maaß erklärt in „Executive Presence“, wie Klarheit, Bewusstsein und Authentizität Räume prägen – und Menschen zum Folgen bewegen.

Montagmorgen im Vorstandsbüro. Stimmen füllen den Raum, PowerPoint-Folien flimmern über die Leinwand. Zahlen, Strategien, Termin – Route. Dann öffnet sich die Tür. Eine Person tritt ein, schweigt. Plötzlich verstummen die Gespräche. Alle Blicke wandern nach vorn. Die Unruhe weicht Konzentration. Was ist geschehen?

Diese Szene fasst den Kern von Dr. Christian Maaß‘ Buch „Executive Presence – Mehr als der erste Eindruck“ zusammen. Es geht um jene unsichtbare Kraft, die Menschen nicht nur zuhören, sondern folgen lässt. Keine Show, kein Talent, kein Zufall – sondern die Fähigkeit, durch Haltung, Klarheit und Bewusstsein Wirkung zu entfalten.

Kompetent, aber wirkungslos

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtUnsere Welt wimmelt von Expert:innen – doch es fehlt an Wirkung. In Konferenzräumen sitzen brillante Köpfe, deren Argumente im Nichts verhallen. Sie wissen viel, reden viel – und bewegen nichts. Warum? Weil sie übersehen, dass Wirkung nicht aus Wissen entsteht, sondern aus Präsenz.

Maaß nenne das den „unsichtbaren Unterschied“: den Unterschied zwischen jemandem, der einen Raum betritt, und jemandem, der ihn verändert. Führung scheitert heute nicht an mangelnder Kompetenz, sondern an fehlender Wahrnehmung. Wer nicht präsent ist, führt nicht – auch wenn er den Titel trägt.

Präsenz als Fundament der Führung

Maaß bietet eine neue Sicht auf Führung: Sie basiert nicht auf Strategien, sondern auf vier Säulen – Auftreten, Kommunikation, Wirkung und Feedback. Dieses „Quartett der Executive Presence“ greift wie Zahnräder ineinander.

– Auftreten: Der erste Eindruck zählt, lange bevor ein Wort fällt. In 100 Millisekunden entscheidet sich, ob wir vertrauen. Haltung, Blick, Bewegung – sie senden unbewusst Botschaften.

– Kommunikation: Nicht der Inhalt, sondern die Art des Sprechens überzeugt. Führung bedeutet Resonanz: verstanden zu werden, weil man selbst versteht.

– Wirkung: Sie zeigt sich, wenn wir den Raum verlassen. Welche Impulse setzen Worte, Gesten, Entscheidungen?

– Feedback: Es ist das Korrektiv, das Wachstum ermöglicht. Maaß schreibt: Große Katastrophen entstehen nie aus dem Nichts, sondern aus der Ignoranz gegenüber Feedback.

Präsenz ist kein Zufall, sondern ein bewusst gestaltetes Fundament.

Wenn Wirkung zur Fassade wird

Maaß illustriert seine Prinzipien mit Beispielen aus der Praxis. Steve Jobs, der Meister der Metapher, versprach nicht „5 GB Speicher“, sondern „1.000 Songs in deiner Tasche“ – und verwandelte Technik in Emotion. Angela Merkel, die leise Führerin, wirkte in Krisen durch Ruhe stärker als durch Worte. Barack Obama perfektionierte die Kunst der Pause, sprach 20 Prozent langsamer als andere – und bewegte Millionen.

Drei Stile, ein Prinzip: Authentizität schafft Autorität. Wer sich selbst kennt, muss nichts inszenieren. Das Gegenbeispiel liefert Elizabeth Holmes, die Gründerin von Theranos. Sie kopierte Jobs‘ schwarzen Rollkragenpullover, aber nicht seine Wahrhaftigkeit. Ihre Wirkung war kalkuliert, nicht echt – und führte zum Absturz. Maaß zeigt, wie fehlende Selbstreflexion und das Ignorieren von Feedback ganze Imperien zu Fall bringen können, ob bei Theranos oder Wirecard.


Mehr zum Thema:


Wirkung beginnt innen

Maaß‘ Buch ist kein Leitfaden für Selbstinszenierung, sondern ein Plädoyer für Selbstführung. Wer nach außen wirken will, muss innen Klarheit schaffen. Präsenz entsteht aus mentaler Stärke – aus dem Bewusstsein, was man denkt, fühlt und vermittelt. Sie ist das Gegenteil von Lautstärke: Konzentration statt Krach.

Maaß beschreibt, wie kleine Gesten Großes bewirken: ein bewusster Atemzug vor dem Sprechen, eine Sekunde Stille nach einer Frage, eine klare Haltung in Momenten des Zweifels. Führung beginnt, wenn wir Räume lesen, bevor wir sie gestalten.

Es geht noch weiter: Präsenz entscheidet heute in zwei Welten – online und offline. In Zeiten von KI und digitaler Sichtbarkeit ist Online-Präsenz Pflicht. Doch Maaß warnt: Online sichtbar zu sein heißt nicht, offline wirksam zu sein. Kein Algorithmus ersetzt den Moment, in dem Menschen spüren, dass jemand wirklich führt.

Führung ohne Lautstärke

In einer Welt voller Lärm ist „Executive Presence“ eine stille, aber kraftvolle Gegenbewegung. Sie ist das neue Kapital der Führung: Vertrauen schaffen ohne Lautstärke, Wirkung entfalten ohne Worte.

Maaß schreibt kein weiteres Buch über Managementmethoden, sondern über Haltung als Führungsinstrument. Seine Botschaft ist unbequem und befreiend zugleich: Fachwissen bringt Sie an den Tisch. Präsenz entscheidet, ob man Ihnen zuhört.

Wer diese Logik versteht, verändert sein Führungsverständnis. Präsenz ist keine Gabe, sondern Übung. Sie entsteht, wenn Denken, Haltung und Handeln eine Linie bilden. Maaß zeigt, wie man diese Linie zieht – präzise, souverän, echt. Und warum die Zukunft der Führung denen gehört, die nicht am lautesten reden, sondern am klarsten wirken.

Wir sind der Wandel-Newsletter

Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.