Wie muss moderne Arbeit gestaltet sein, damit sie für Beschäftigte und Unternehmen gleichermaßen erfolgreich ist? Eine Langzeitstudie identifiziert Erfolgsfaktoren.
Ein Team des Center for Disability and Integration (CDI-HSG) der Universität St.Gallen hat die Langzeitstudie „social health@work“ im Auftrag der BARMER erstellt veröffentlicht. Die Studie untersucht, wie moderne Arbeit gesund, nachhaltig und erfolgreich gestaltet werden kann und welche Fähigkeiten Beschäftigte und Führungskräfte dafür benötigen. „Der Begriff ‚social health@work‘ beschreibt einen Zustand des sozialen Wohlbefindens im Arbeitskontext, bei dem Personen gesunde Verhaltensweisen und Arbeitsbeziehungen entwickeln und nutzen“, so HSG-Professor Stephan Böhm. Über acht Erhebungswellen seit 2020 hat das Team rund 8.000 Erwerbstätige regelmäßig befragt. Dieses Studiendesign ermöglicht Analysen zu Entwicklungen und Wechselwirkungen über die Zeit sowie kausale Interpretationen.
Mobile Arbeit – ein Stressfaktor
Hybrides Arbeiten hat sich, besonders durch die Corona-Pandemie, als Arbeitsmodell etabliert. Dies birgt Chancen und Risiken, wie die Studie zeigt. Mobil Arbeitende fühlen sich produktiver, riskieren aber Überlastung, da es schwieriger wird, abzuschalten. Der Anteil der Befragten, die ihre Arbeit in der Freizeit vergessen können, sank seit 2022 von knapp 53 Prozent auf etwa 47 Prozent. Der Anteil emotional erschöpften Personen stieg leicht an und betrifft nun fast ein Viertel der Erwerbstätigen.
Homeoffice lässt Grenzen verschwimmen und führt zu Erschöpfung. Die Studie identifiziert einen Mechanismus, der negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden erklärt: Der zunehmende Anteil mobiler Arbeit erhöht das Risiko von Grenzverletzungen zwischen Arbeit und Privatleben. Während die Arbeit im Betrieb klar definiert ist, gilt das im Homeoffice weniger. Solche Grenzverletzungen erhöhen den Druck, ständig erreichbar zu sein und schnell auf Arbeitsanforderungen zu reagieren, was die emotionale Erschöpfung und das Burnout-Risiko steigern. Mobile Arbeit muss jedoch nicht immer negativ wirken. Entscheidend ist vielmehr, wie Beschäftigte, Führungskräfte, Teams und Organisationen damit umgehen.
Führungskräfte sind stark gefordert
Führungskräfte haben großen Einfluss auf ein erfolgreiches Arbeitsumfeld, besonders in einem hybriden Kontext. Die Auswirkungen mobiler Arbeit auf Gesundheit, Zusammenarbeit und Erfolg hängen maßgeblich davon ab, wie die Rahmenbedingungen gestaltet werden. Es gibt Gestaltungsspielräume auf Individual-, Führungs- und Organisationsebene. Ein inklusiver Führungsstil, der die Vielfalt von Teammitglieder:innen anerkennt und gezielt nutzt, fördert ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und wirkt Einsamkeit und Isolation im Homeoffice entgegen. Inklusive Führung berücksichtigt unterschiedliche Perspektiven, beteiligt Teammitglieder:innen an Entscheidungen und stellt Fairness und Unvoreingenommenheit sicher.
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Inklusive Führung unterstützt auch die Karriereentwicklung, besonders angesichts bestehender Unterschiede zwischen Beschäftigtengruppen. Aktuell sind 54,3 Prozent der Männer mit ihrem bisherigen Karriereerfolg zufrieden, aber nur 49,9 Prozent der Frauen. Diese Unterschiede vergrößern sich bei Personen mit Erziehungsverantwortung: 52,2 Prozent der Mütter sind zufrieden, im Gegensatz zu 60,4 Prozent der Väter. Auch zwischen Beschäftigten mit und ohne Behinderung bestehen erhebliche Differenzen: 43,9 Prozent der Beschäftigten mit Behinderung sind zufrieden, im Vergleich zu 53,8 Prozent ohne Behinderung. Nehmen Beschäftigte ihre Führung als zunehmen inklusiv war, steigt ihr wahrgenommener Karriereerfolg.
Künstliche Intelligenz fördert die Produktivität
Auch die digitale Kompetenz der Führungskraft spielt eine Rolle. Um das eigene Team sowohl im persönlichen als auch virtuell effektiv zu führen, bedarf es digitaler Fähigkeiten. Dazu gehört die effektive Nutzung von Technologien für die virtuelle Kommunikation sowie die klare Information der Teammitglieder:innen über aktuelle Themen. Seit Beginn der Studie haben sich Führungskräfte in diesen Bereichen weiterentwickelt: Der Anteil der Beschäftigten, die ihren Führungskräften gute virtuelle Führungsfähigkeiten zuschreiben, stieg von 52,2 Prozent auf 61,8 Prozent. Die Studie zeigt, dass mobil arbeitende Beschäftigte, deren Vorgesetzte virtuelle Kommunikationsmöglichkeiten kompetent nutzen, ihre Produktivität um zehn Prozent und ihre Arbeitszufriedenheit um 48,3 Prozent höher einschätzen als jene, deren Führungskräfte diese Fähigkeiten nicht haben.
Die Studie untersucht auch die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) und ihre Auswirkungen auf soziale Gesundheit. Der Anteil der Personen, die KI nutzen, ist im Verlauf der Erhebungswellen stetig gestiegen. Die Längsschnittdaten zeigen positive Effekte der KI-Nutzung auf die Produktivität: Wenn Beschäftigte mehr KI einsetzen, erhöhen sich ihr Arbeitsengagement, ihre subjektive Arbeitsleistung und ihre Fähigkeit, mit den psychologischen Anforderungen der Arbeit umzugehen. Diese Ergebnisse verdeutlichen das Potenzial von KI für Produktivitäts- und Effizienzgewinne im Arbeitsumfeld. Zukünftig müssen die Auswirkungen der KI-Nutzung auf die Beschäftigten sowie deren Produktivität und Gesundheit weiter erforscht werden.