#Aufschrei hat nicht gereicht

Stop-Schild

Fast zweieinhalb Jahre nach der Sexismusdebatte zieht die #Aufschei-Initiatorin Anne Wizorek in ihrem Buch Bilanz. Klug, wütend, pointiert. Ihr Buch Weil ein #Aufschrei nicht reicht könnte eine ähnliche Wucht entfalten wie das Buch Der kleine Unterschied, das Alice Schwarzer 1975 veröffentlichte.

Und Wizorek könnte damit endgültig zum Gesicht eines modernen Feminismus werde. Fast 40 Jahre später wäre es Zeit, denn die Geschlechterdebatte in Deutschland braucht neue Akteurinnen und Akteure. Die Autorin legt dar, warum Männer und Frauen hierzulande einfach nicht gleichberechtigt sind. Und warum die Behauptung, dass wir in einer patriarchalen Gesellschaft leben, immer noch richtig ist.

Da wären zum einen die gängigen Geschlechterbilder, die definieren, was typisch männliches und typisch weibliches Verhalten ist. Oder die Werbung,  die häufig nackte oder halbnackte Frauen zeigt. Da wären die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen und die Tatsache, dass Frauen selbst bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation weniger bekommen als ihre männlichen Kollegen. Da wäre das Fehlen von Frauen in Führungspositionen. Und da wäre die Tatsache, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf nach wie vor ein Problem für Frauen ist. Oder dass “sexuelle Selbstbestimmung für Frauen immer noch bei der Pille aufhört und Verhütung weiterhin Frauensache ist”, schreibt Wizorek. Sie greift auf viele Studien zurück, belegt jede Aussage stimmig und nachweisbar.

Anne Wizorek räumt mit Klischee auf

Wizorek belässt es aber nicht bei der Beschreibung des Status Quo. Ihre Übersicht über die Geschichte des Feminismus in Deutschland räumt mit dem Klischee auf, Feminismus sei Männerhass und würde die Umkehr der Verhältnisse bedeuten. Wizorek stellt dar, wie vielfältig die Strömungen sind, dass es eben nicht den einen Feminismus gibt und dass Feminismus nicht nur etwas für Frauen ist, sondern für alle Menschen, die sich eine Welt wünschen, in der die Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Rasse, ihrer Religion oder ihrer Herkunft politische, ökonomische und soziale Gerechtigkeit erfahren. Darum gibt die Autorin auch konkrete Handlungsempfehlungen und entwirft eine Version, wie Männer und Frauen entspannt zu mehr Gleichberechtigung kommen können. Ein kluges, bisweilen bissiges Buch, das jeder gelesen haben sollte, der bei der Geschlechterdebatte mitreden will.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Frau Groll, insbesondere Sie sind als Protagonistin eines weit realistischeren Buches namens “Tussikratie” hinreichend bekannt. Wer auch immer die Hand über Sie und Ihre irrationale, demagogische Clique hält, an Geschlechtergerechtigkeit ist diesen Leuten und Ihnen ganz gewiss nicht gelegen. “Not am Mann” (E. Raether) war ja mal EIN Schrittelchen in die richtige Richtung. Aber bei scheindiskursiven Alibiartikeln hat`s dann eben auch zu bleiben. Da sei radikalfeministisch-reaktionärer Groll vor.
    Feminismus als nurmehr “denkfaule und heimtückische Kultur, die darauf hinausläuft auf Männer einzudreschen” (Doris Lessing, 2001!) ist DAS Mittel zur Spaltung der Gesellschaft, denn er hetzt Mann und Frau mit dumpfer Opferin/Täter-Rhetorik aufeinander, denn genau das ist die Kernaussage DES Feminismus.
    Und wer könnte wohl an einer Spaltung der Gesellschaft interessiert sein (teile und herrsche)? ‘Frauen in den Vorstand’ vor ‘Macht kaputt, was euch kaputt macht’. Aber vermutlich ist das jetzt wieder zuviel Kohärenz für die nützliche Idiotin/Feministin/Misandristin, die Lebenserwartung erst mit strukturellen Sexismus in Zusammenhang bringt, wenn Frauen im Schnitt 6 Jahre früher als Männer sterben.

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