Claudia Neumann und der Sexismus-Shitstorm

Fußball liegt auf Sportplatz

Als erste Frau kommentiert die Sportjournalistin Claudia Neumann die Männer-Fußball-Europameisterschaft (EM) im ZDF. Und wird dafür im Netz beschimpft und bedroht.

Eigentlich ist es ja schon erbärmlich genug, dass erst im Jahr 2016 eine Frau die Spiele der Männer-EM kommentieren darf. Zunächst mal die Spiele der Vorrunde. Neumann arbeitet seit 1999 als Redakteurin und Reporterin in der ZDF-Hauptredaktion Sport. 2011 wurde sie bei der Frauen-Fußball-WM in Deutschland die erste WM-Kommentatorin im deutschen Fernsehen – eigentlich ja auch eine Selbstverständlichkeit. Allerdings war selbst Frauenfußball bis dahin in Sachen Kommentierung eine Männerdomäne gewesen. Viel Aufmerksamkeit hatte es nun dafür gegeben, dass die Fußballexpertin und Sportjournalistin die Männer-EM begleiten würde. Neumann selbst hatte mit Vorbehalten der Zuschauer gegen sie gerechnet.

Jetzt fällt die letzte Männerbastion

Dass die Reaktionen allerdings so heftig ausfallen würden, das war im Vorfeld so nicht absehbar. Auf Facebook und Twitter äußerten sich unzählige Männer despektierlich dazu, dass eine Frau nun einige Spiele kommentiere. “Wieso kommentiert eine Frau das Spiel?”, “Sie hört sich an wie eine Kampflesbe!”, “Da bekommt man Ohrenkrebs!” – Aussagen wie diese gehören noch zu den freundlichen. Einige Nutzer befürchteten sogar, jetzt falle eine der letzten Männerbastionen. Wenigstens den Fußball könnten diese Emanzen den Männern doch lassen.

Sogar Gewaltandrohungen und Vergewaltigungswünsche wurden der Sportjournalistin gegenüber geäußert. Die Hasskommentare bestätigen wieder einmal, wie weit verbreitet Sexismus Frauen gegenüber im Netz ist. Erst kürzlich war unter dem Hashtah #MoreThanMean auf diese Art von Gewalt aufmerksam gemacht worden. Auch hier ging es um die Hasskommentare, mit denen Sportjournalistinnen konfrontriert sind.

Mehr Frauen ans Mikro

Es sei “erschütternd, wie viele Männer offenbar Frauen auch heute noch gern als Hexen verbrennen würden. Einfach weil sie schön sind. Einfach weil sie ein Männerfußballspiel kommentieren. Einfach weil sie Frauen sind”,  schreibt die Journalistin Monika Pilath auf ZEIT ONLINE in einem Kommentar dazu. Sie appelliert jedoch, die Hasskommentatoren selbst nicht zu ernst zu nehmen. “Dass eine Kommentatorin von EM-Spielen für manche einen krassen Angriff auf ihre Männlichkeit darstellt, ist tragisch, vor allem für die kleinen Würstchen selbst, die öffentlich im sexistischen Senf baden. Bedauernswert, wer mit so wenig Selbstbewusstsein durchs Leben gehen muss.” Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei gut beraten, den Shitstorm zum Anlass zu nehmen, bei dieser EM und auch künftig mehr Frauen ans Mikro zu lassen. Zum Beispiel bei einem Deutschlandspiel oder dem Halbfinale.

Einen ähnlichen Vorschlag macht der Journalist Markus Ehrenberg im Tagesspiegel. Er fordert eine Frauenquote für KommentatorInnen: “Im Grunde ist mir egal, wer ein Fußballspiel kommentiert. Dennoch fordere ich hiermit eine Kommentator-Quote, alleine schon, damit all den Shitstormern bei Reporter-Einsätzen wie diesen irgendwann die Luft ausgeht: Die Hälfte aller EM- und WM-Spiele sollte von Frauen kommentiert werden.”

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.

Kommentare

  • Sowas läuft heutzutage immer nach dem selben Muster ab. Diese Idioten warten doch nur auf irgend welche Veränderungen um ihren Shit im Netz zu verbreiten. Hier sollte (mein Wunsch)die Macht eines Senders genutzt werden um diese User ausfindig zumachen und dann im Umfeld indem sie sich bewegen, kundtun welchen Müll sie verbreiten. Auch mal ohne Rücksicht auf diese Personen zunehmen. Nur so lernt der Rest das Respekt und das gerade im Netz wichtiger denn je ist.
    PS
    Ein Mann der Frau Neumann Respekt zollt.

  • Ich hatte mir die meisten der Facebook-Kommentare vom 11. Juni durchgelesen, obwohl es mich total agressiv machte. Viele der Kommentare folgten dem klassischen Muster von “Ich bin nicht rassistisch, aber…” (Man ersetze “rassistisch” mit “frauenfeindlich”). Mehrere User schrieben “Ich will niemanden diskriminieren, aber…” oder Ähnliches und taten mit dem ‘aber’ genau das, was sie angeblich nicht tun wollten. Auch aufgefallen ist mir, dass viele der Facebook User sich über Neumanns Stimme beschwert hatten, anstatt über sie selbts. Vielleicht meinten sie, so ihre Frauenfeindlichkeit vertuschen zu können und es lediglich als persönliche Abneigung gegen ihre Stimme zu dementieren.

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