Wer unter einer Depression oder Burnout leidet, ist häufig zu allem bereit, um sich wieder normal zu fühlen. Häufig verordnet, aber selten erfolgreich: Antidepressiva. Was wirklich hilft, weiß Klaus Bernhardt vom Institut für moderne Psychotherapie.
Falsche Ernährung, falsche Medikamente, falsches Denken sind nur einige der oft überraschenden und unterschätzten Ursachen für die meisten Formen von Depressionen, Burnout und Angsterkrankungen. Eine tiefe, scheinbar grundlose Traurigkeit, gepaart mit dem Gefühl, nichts und niemandem mehr gerecht zu werden, frisst Betroffene dabei von innen heraus auf. Doch nicht nur bei Betroffenen ist der Leidensdruck hoch. Auch Partner, Eltern, Kinder, Freunde und Kollegen leiden; können meist aber nur hilflos dabei zusehen, wie ein geliebter Mensch sich mehr und mehr verändert, jegliche Kraft und Lebensfreude verliert und sich immer mehr verschließt.
Wer aus eigener Kraft nicht mehr weiter kommt und deshalb professionelle Hilfe in Anspruch nimmt, steht häufig vor der Frage, Psychopharmaka nehmen oder nicht? Denn mittlerweile werden nicht nur die Stimmen der Antidepressiva-Gegner immer lauter, sie werden auch von renommierten Klinikleitern unterstützt. Durch meine langjährige Arbeit als Therapeut weiß ich nur zu gut, dass sowohl bei Depressionen als auch bei Burnout erschreckend oft mit den falschen Werkzeugen an den falschen Baustellen gearbeitet wird. Anstatt die wahren Ursachen zu ergründen und zu behandeln, werden immer häufiger nur Symptome bekämpft, wodurch eine echte Heilung ausbleibt.
Eine scheinbar ideale Waffe gegen sämtliche Plagen der modernen Welt
Antidepressiva galten Langezeit als wahres Wundermittel und so erstaunt es kaum, dass sie längst nicht mehr nur bei Depressionen und Burnout eingesetzt werden. Auch bei Angst-, Ess- und Schlafstörungen, chronischen Schmerzen, Bandscheibenvorfällen, stressbedingter Blasenschwäche und vorzeitigen Samenerguss kommen sie mittlerweile zum Einsatz. Eine scheinbar ideale Waffe gegen sämtliche kleinen und großen Plagen der modernen Welt. Doch so reizvoll der Gedanke auch sein mag, durch die Manipulation einiger Neurotransmitter im Gehirn gleich Dutzende von Krankheiten behandeln zu können, so weltfremd ist er gleichzeitig. Denn nur selten lässt sich eine der genannten Krankheiten auf jeweils nur einen einzigen Auslöser reduzieren. Vielmehr haben wir es mit psychischen und körperlichen Reaktionen auf unterschiedlichste Probleme, Mangelerscheinungen und Stresssituationen zu tun und diese verlangen natürlich auch unterschiedliche Maßnahmen.
Neben Psychotherapie und der Veränderung belastender Lebensumstände gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, die ebenfalls hilfreich und wichtig sein können. Während einige bestimmte Mentaltechniken nutzen, um aus der Spirale des negativen Grübelns aussteigen zu können, reicht anderen bereits mehr Bewegung und Sonnenlicht, um wieder ins Lot zu kommen. Zudem gibt es erstaunlich viele Menschen, die auf Medikamente oder bestimmte Lebensmittel paradox reagieren. Selbst ein Mangel oder ein Überschuss an bestimmten Spurenelementen kann zu Depressionen, Ängsten und Burnout führen. Das Gleiche gilt für unerkannte Entzündungen im Körper sowie einen gestörten Zellstoffwechsel infolge eines Halswirbelsäulentraumas.
Wahre Ursachen erkennen und beseitigen
Wer all diese unterschiedlichen Auslöser einfach nur mit ein paar Pillen behandeln möchte, der ignoriert häufig nicht nur die eigentlichen Ursachen der Erkrankung, er provoziert sogar das Auftauchen weiterer, teils schwerwiegender Probleme. Ein ebenfalls häufig übersehenes Problem ist die sogenannte Polypharmazie, also das Einnehmen vieler verschiedener Medikamente. Laut einer Studie der University of Illinois führen über 200 häufig verwendete Medikamente Depressionen als mögliche Nebenwirkung auf. Die Forscher konnten nicht nur nachweisen, dass seelische Probleme umso häufiger auftraten, je mehr dieser Präparate gleichzeitig eingenommen wurden, sondern auch, dass das absolut keine Seltenheit ist. Immerhin handelte es sich dabei größtenteils um sehr gängige Präparate, wie zum Beispiel Blutdruckmedikamente, Antibiotika, Mittel gegen Sodbrennen oder auch die Antibabypille. Und da auch Antidepressiva Depressionen auslösen können, ist gerade in so einem Fall die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben wird.
Deshalb kann ich allen Betroffenen nur raten, nicht vorschnell zu Psychopharmaka zu greifen. Nur wenn psychische Erkrankungen als ganzheitliches Problem betrachtet und entsprechend untersucht werden, können die wahren Ursachen erkannt und beseitigt werden. Und das gelingt häufig auch ohne den Einsatz von Antidepressiva.
Klaus Bernhardt leitet in Berlin das Institut für moderne Psychotherapie. In seinem Buch Depression und Burnout loswerden. Wie seelische Tiefs wirklich entstehen und was Sie dagegen tun können beschreibt der Therapeut und Spiegel-Bestsellerautor, wie sich mit einem ganzheitlichen Ansatz psychischen Probleme deutlich besser und nachhaltiger überwinden lassen, als mit einer rein pharmazeutischen Therapie.