Inflation, politische Spannungen und Extremwetter belasten die Deutschen. Eine repräsentative Studie der Online-Therapieplattform HelloBetter zeigt, dass 26 Prozent der Bevölkerung eine psychische Erkrankung befürchten.
Besonders betroffen sind junge Menschen (Gen Z, 16 bis 28 Jahre: 39 Prozent) und Frauen (28 Prozent). Die Studie, erstellt mit dem Marktforschungsinstitut IPSOS, offenbart zudem deutliche psychische Belastungen: 32 Prozent sind mit ihrer Schlafqualität unzufrieden, 26 Prozent grübeln viel, und 25 Prozent fühlen sich erschöpft. 19 Prozent fürchten ein Burnout.
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Die Krisenstimmung hält an: 43 Prozent der Befragten berichten von zunehmenden Sorgen im letzten Jahr. Die größte Sorge ist die Inflation (51 Prozent). Auch die politische Situation belastet: 43 Prozent sind wegen des „Rechtsrucks” besorgt, 45 Prozent wegen der allgemeinen politischen Lage, 44 Prozent wegen die gesellschaftlichen Spaltung. Weitere Sorgen sind der Ukraine-Krieg (41 Prozent), die Klimakrise (40 Prozent), der Israel-Gaza-Konflikt (35 Prozent) und die US-Präsidentschaftswahl (26 Prozent). 41 Prozent fürchten Altersarmut.
Jede fünfte Person kennt “Sunday Scaries” und schläft beim Gedanken an die kommende Arbeitswoche schlecht
Auch im Job fühlen sich viele belastet. Fachkräftemangel und hohe Ansprüche an sich selbst (jeweils 21 Prozent) sorgen für Stress. 20 Prozent empfinden die Arbeitsmenge, das Verhalten von Vorgesetzten und ständige Erreichbarkeit als belastend. Jeder Fünfte schläft sonntags schlecht wegen der bevorstehenden Arbeitswoche. Besonders betroffen sind die Generationen Y (26 Prozent) und Z (29 Prozent).
Die Befragung von 2.000 zeigt, dass 27 Prozent unter Mental Load leiden. 35 Prozent der Gen Y und 32 Prozent der Gen Z fühlen sich stark belastet. Nur 15 Prozent der Babyboomer kennen dieses Gefühl. Hauptgrund ist der eigene Anspruch (26 Prozent), bei der Gen Z sind es 42 Prozent. Finanzielle Angelegenheiten (24 Prozent), Haushaltsaufgaben (22 Prozent) und ständige Erreichbarkeit (18 Prozent) belasten ebenfalls. „Mental Load beschreibt die unsichtbaren Planungs- und Koordinationsprozesse, die es braucht, um alle Aufgaben des Alltags unter einen Hut zu bekommen. Unsere Leistungsgesellschaft, aber auch soziale Medien können den inneren Druck und das Bedürfnis, allem perfekt gerecht zu werden, noch verstärken. Entsprechend ist es keine Überraschung, dass sich besonders die Digital Natives mit den eigenen (oft zu) hohen Ansprüchen an sich selbst kämpfen”, kommentiert Dr. Alena Rentsch, Psychologische Psychotherapeutin bei HelloBetter, die Ergebnisse der Studie.
Was der Psyche hilft: Spaziergänge, Musik und Zeit mit der Familie
Frauen leiden stärker unter Mental Load als Männer (31 Prozent gegenüber 22 Prozent). Besonders Haushaltsaufgaben belasten Frauen mehr (27 Prozent gegenüber 18 Prozent bei Männern). 19 Prozent der Frauen, aber nur 15 Prozent der Männer, haben Schwierigkeiten, Aufgaben abzugeben.
41 Prozent der Frauen vertrauen sich bei psychischen Problemen einer Freundin oder einen guten Freund an, bei Männern sind es 26 Prozent. Männer suchen eher die Partnerschaft (37 Prozent). Jeder Dritte bewältigt Stress allein. Spaziergänge (39 Prozent), Musikhören (33 Prozent) und Zeit mit der Familie (31 Prozent) helfen vielen.
37 Prozent der Deutschen können sich vorstellen, eine Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zu nutzen
Die Bereitschaft, digitale Gesundheitsanwendungen zu nutzen, steigt. 37 Prozent der Befragten ziehen dies bei psychischen Belastungen in Betracht, im Vorjahr waren es 33 Prozent. Der Bekanntheitsgrad von DiGAs stieg um 10 Prozentpunkte. Junge Menschen sind besonders offen: 44 Prozent der Gen Z und Gen Y würden eine DiGA ausprobieren.
“Im Zeitalter der Multikrise kann sich die enge Taktung an Krisenereignissen und vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderungen negativ auf die psychische Gesundheit auswirken. Wir sind froh, mit unserer Studie genau das in den Fokus zu rücken, was so oft noch in der öffentlichen Debatte fehlt: einen offenen Umgang mit psychischen Beschwerden und Belastungen,“ fasst Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitgründerin von HelloBetter, die Ergebnisse der Studie so zusammen. “Einem tatsächlichen Anstieg psychischer Erkrankungen geht immer eine Phase der Belastung voraus. Wenn wir sehen, dass heute ein Viertel der Menschen in Deutschland über Erschöpfung und Energielosigkeit klagt, können wir bereits vermuten, dass wir im nächsten Jahr erneut einen Anstieg psychischer Erkrankungen erleben werden. Diese Einblicke sind von enormer Bedeutung, um präventive Maßnahmen und Behandlungsangebote gezielt zu fördern. Mich freut es besonders, dass die Bekanntheit von DiGAs im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Dies lässt hoffen, dass mehr Menschen in Deutschland professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen und nicht mehr allein mit ihren Sorgen und Belastungen kämpfen müssen”, so Horvath weiter.