Die Einsamkeit junger Menschen bedroht die Demokratie

Das Gesicht einer Frau spiegelt sich in einem Fenster

Eine neue Studie zeigt alarmierende Zusammenhänge: Einsamkeit bei jungen Menschen gefährdet nicht nur ihr persönliches Wohlbefinden, sondern auch die Demokratie.

Junger Menschen in Deutschland, die sich einsam fühlen, sind oft ist unzufriedener mit der Demokratie und zweifeln daran, dass es sich lohnt, sich für die Gesellschaft einzusetzen. Das zeigt eine Befragung von 16- bis 30-Jährigen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Neben fehlendem Engagement wächst bei ihnen die Gefahr politischer Entfremdung und Radikalisierung. Einsamkeit ist deshalb nicht nur ein persönliches und soziales Problem, sondern auch eine Bedrohung für die Demokratie.


Mehr zum Thema:


60 Prozent der stark einsamen jungen Menschen glauben nicht, dass sie politische oder gesellschaftliche Veränderungen bewirken können. Bei den nicht Einsamen sind es 42 Prozent. Ähnlich sieht es auf lokaler Ebene aus: Während ein Drittel der nicht Einsamen daran zweifelt, in ihrer Stadt oder Gemeinde etwas bewegen zu können, sind es bei den stark Einsamen 52 Prozent. Auch das Vertrauen in demokratische Strukturen leidet: 63 Prozent der stark Einsamen sind unzufrieden mit der Demokratie in Deutschland, bei den nicht Einsamen sind es 41 Prozent.

Einsame verstärkt das Gefühl, von der Politik ignoriert zu werden

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht“Einsamkeit beeinträchtigt das Vertrauen junger Menschen in Demokratie und Politik. Das Misstrauen wächst umso stärker, je weniger sie das Gefühl haben, sich einbringen zu können. Wenn wir junge Menschen nicht verlieren wollen, brauchen wir wirksame, niedrigschwellige Formen politischer Beteiligung – analog wie digital”, sagt Nicole Kleeb, Expertin für Jugend und Demokratie bei der Bertelsmann Stiftung.

2024 hat die Bertelsmann Stiftung ermittelt, dass sich fast die Hälfte der jungen Menschen in Deutschland (46 Prozent) moderat oder stark einsam fühlt. Stark Einsame interessieren sich zwar nicht weniger für Politik als andere, doch sie fühlen sich stärker übersehen. Rund der Hälfte von ihnen glaubt, dass Politiker:innen auf Bundesebene ihre Werte und Ansichten nicht vertreten. Bei den nicht Einsamen sagen das nur 35 Prozent. Zudem meinen 76 Prozent der stark Einsamen, dass Politiker:innen die Sorgen der jungen Generation nicht ernst nehmen – im Vergleich zu 61 Prozent der nicht Einsamen. Wer sich langfristig ausgegrenzt fühlt, könnte das Interesse an Politik verlieren oder anfälliger für populistische Positionen werden, warnen die Studienautorinnen.

Mitgestaltung erleben und Teil der Gesellschaft sein

Die Ergebnisse zeigen aber auch: Anerkennung und soziale Zugehörigkeit motivieren junge Menschen, sich einzubringen. Viele wünschen sich, durch ihr Engagement gesehen und geschätzt zu werden. Gemeinschaftliches Handeln kann für sie ein Ausweg aus der Einsamkeit sein. Politische Teilhabe wirkt so auch präventiv gegen soziale Isolation.

“Einsame junge Menschen zweifeln sehr daran, dass Politik ihre Interessen ernst nimmt”, erklärt Anja Langness, Expertin für Jugend und Gesundheit bei der Bertelsmann Stiftung. “Gerade deshalb muss die Politik auf junge Menschen zugehen, ihnen zuhören und sie einbeziehen. Wenn sie echte Mitgestaltung erfahren und sich als Teil der Gesellschaft erleben, stärkt das nicht nur den Einzelnen, sondern unsere Demokratie insgesamt.”

Neben der gezielten Unterstützung Betroffener empfehlt die Bertelsmann Stiftung eine umfassende Strategie, um junge Menschen einzubinden, Einsamkeit zu bekämpfen und ihr Engagement zu fördern. Dazu gehören bezahlbare Freizeit- und Kulturangebote sowie die Förderung sogenannter “dritter Orte” – offene, kostenlose Begegnungsräume wie Jugendzentren, Stadtteilcafés oder digitale Plattformen, die soziale Bindung ermöglichen. Besonders auf kommunaler Ebene sollten neue, niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden.

Wir sind der Wandel-Newsletter