Einsamkeit, ein schwerwiegendes Tabu

Mann geht über Straße

Einsamkeit ist in Deutschland weit verbreitet und bleibt ein schambesetztes Tabu, das gesundheitliche Folgen hat. Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass besonders junge Menschen betroffen sind.

Ein aktueller Bericht der Techniker Krankenkasse (TK) zeigt, dass die Mehrheit der Deutschen Einsamkeit kennt. 60 Prozent der Befragten fühlten sich schon einmal einsam – vier Prozent oft, 13 Prozent manchmal und 41 Prozent selten. Besonders junge Menschen sind betroffen: 68 Prozent der 18- bis 39-Jährigen berichten von Einsamkeit, 36 Prozent empfinden sie als stark belastend.


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Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der TK, warnt vor den gesundheitlichen Folgen chronischer Einsamkeit. Stress, Erschöpfung, gedrückte Stimmung oder Schlafstörungen treten bei Einsamen häufiger auf. Laut Studie leiden 54 Prozent der Einsamen unter Stimmungstiefs, im Vergleich zu 15 Prozent der Nicht-Einsamen.

Homeoffice beeinflusst das Einsamkeitsempfinden nicht

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtTrotz der Verbreitung bleibt Einsamkeit ein Tabu. Auffällig: Ein Drittel der betroffenen Männer (33 Prozent) und ein Fünftel der Frauen (20 Prozent) haben noch nie darüber gesprochen. Die Gründe sind dabei vielfältig: 58 Prozent wollen niemandem zur Last fallen, 54 Prozent bezweifeln den Nutzen eines Gesprächs.

Wer über Einsamkeit spricht, vertraut sich meist Freunden (77 Prozent) oder der Familie (68 Prozent) an. Nur 18 Prozent suchen ärztliche oder therapeutische Hilfe.

Auch im Beruf spielt Einsamkeit eine Rolle: Jede siebte Person erlebt sie am Arbeitsplatz, Frauen häufiger als Männer. 14 Prozent vermissen jemanden, mit dem sie sich wohlfühlen, 31 Prozent beklagen mangelnde Wertschätzung. Interessanterweise beeinflusst Homeoffice das Einsamkeitsempfinden nicht.

Es gibt viele Möglichkeiten, aus der Isolation herauszukommen

74 Prozent der Befragten nennen Musik, Podcasts oder Hörspiele als wirksam gegen Einsamkeit. Soziologe Janosch Schobin verweist auf Angebote zur sozialen Teilhabe: “Von Nachbarschaftstreffs über Online- und telefonische Beratungsstellen bis hin zu Mehrgenerationenhäusern – es gibt viele Möglichkeiten, aus der Isolation herauszukommen.” Diese Angebote sind jedoch oft wenig bekannt.

Die TK-Studie basiert auf einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. Im Mai wurden 1.403 Personen ab 18 Jahren befragt. Fachleute fordern mehr Aufmerksamkeit für Einsamkeit und raten Betroffenen, aktiv zu bleiben und den Kontakt zu anderen zu suchen.

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Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.