Übergänge schaffen Lösungen

Radfahrer auf Brücke

Unsere Welt wird immer komplexer, Multitasking ist Alltag. Was wir tun können, um gesunde Übergänge zu schaffen, weiß Barbara Messer.

Ein Gastbeitrag von Barbara Messer

Wir springen von einem Meeting zum nächsten, Termine stapeln sich – beruflich wie privat. Die diversen digitalen Kommunikationskanäle lassen unser Handy summen und piepsen. E-Mails sollen innerhalb von wenigen Stunden beantwortet werden. Zudem werden wir in unseren unterschiedlichen Rollen gefordert: Als Mann, Frau, Partner, Partnerin, Kollegin, Kollege, Mutter, Vater, Vereinsmitglied, Nachbarin – um nur einige zu nennen. Dabei erleben wir uns beruflich und privat anders. Das heißt, wir wechseln unsere Rollen, unsere Haltung. Dieses Hopping mit den unterschiedlichen Rollen strengt an, denn immer wieder treffen wir an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Menschen zusammen – mal freiwillig, mal unfreiwillig.

In meinem Jahr im Wohnmobil hatte ich alles dabei, was mir wichtig war. Natürlich waren nicht alle meine Familienmitglieder mit an Bord. Ebenso hatte ich nach dem drastischen Aussortieren nicht alle meine materiellen Dinge bei mir. Allerdings war das Wohnmobil voll mit allem, was nötig war: Meine geliebte Katze war mit. Fotos meiner Lieblingsmenschen hingen über der Tür, so dass ich sie beim Aussteigen immer im Blick hatte. Und auch meine Lieblingsschuhe sowie wichtige Fachliteratur waren dabei. So, wie ich alles Wesentliche dabei hatte, hatte ich auch immer mich dabei. Was meine Wechsel zwischen den einzelnen Rollen einfacher und direkter machte.

Das ganz normale Leben

Dabei fühlten sich drei Tage wie zwei Wochen an, denn es galt so vieles zu beachten. Und weil Unachtsamkeit schnell unangenehme Folgen haben konnte, war Aufmerksamkeit geboten. Fehlte zum Beispiel in der Küche Frischwasser, sah es schlecht aus mit einem Tee. So lernte ich Tag für Tag, den vielen unterschiedlichen Alltagsmomenten mehr Aufmerksamkeit zu geben, was die Momente intensiver machte.

Allerdings führte das auch dazu, dass ich eingebundener, weil in alles involviert, war – und damit auch irgendwie verlangsamter. Die Routine des morgendlichen Aufstehens und zum Kunden zu fahren war jedes mal anders, weil der Ort wechselte, das Wetter anders oder der Kunde ein anderer war. Gleich blieb jedoch das Verlassen des Wohnmobils, denn ich fuhr vor und war da. Ein Übergang, wie der Weg von der Haustür zum Auto mit klassischem Anfahrtsweg zum Arbeitsplatz fehlte.

Die Einladung, im Moment zu sein

Oft kochten wir auch direkt nach dem Einkaufen noch auf dem Parkplatz des Supermarktes – das Ein- und Ausladen der Einkäufe entfiel somit. Diese in sich geschlossenen, direkten Aktionen waren zwar eine Umstellung. Allerdings genoss ich die von Woche für Woche immer mehr, denn sie gaben mir sehr viel Kraft.

“Wenn ich stehe, dann stehe ich, wenn ich gehe, dann gehe ich, wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, wenn ich liebe, dann liebe ich …”, lautet ein asiatisches Sprichwort. Diese Einladung, im Moment zu sein, ergab sich für mich zwar notgedrungen. Allerdings half mir die Verlangsamung sehr stark, im intensiven Jetzt-Moment zu sein.

Alltagsattitüden fallen lassen

Und auch wenn ich durch das Reisen mit dem Wohnmobil wendiger sein und ein schlichteres Leben führen musste, war es zugleich unendlich bunter. Dadurch, dass die einzelnen Aktionen meine volle Aufmerksamkeit forderten, ließ ich mehr und mehr Alltagsattitüden fallen. Sie passten nicht mehr und machten meinen Alltag zu kompliziert.

Wenn ich das kleine Reich meines Wohnmobils verließ, war ich da: Mit einem Klappstuhl am Ufer der Donau, um am Abend noch aufs Wasser zu schauen. Spargel schälend, während die Katze am Feldrand eine Maus jagte. Meine Sinne nahmen die oft einmaligen Situationen intensiv auf – eine herrliche Erfahrung, da zu sein, wo ich gerade bin. Das reduzierte schnell unnötigen Stress und Hektik.

Diese Prinzip habe ich nach dem Jahr als Nomadin versucht, zu übernehmen. Und es ist mir zum Glück bisher gelungen. Machen auch Sie sich auf, ihre persönlichen Übergänge zu finden.

Das pure Leben spüren

 

Das pure Leben spüren
Warum wir nicht viel brauchen, um glücklich zu sein
von Barbara Messer
Gabal Verlag (1. Auflage, März 2018)
15 Euro (D)
ISBN 978-3-86936-834-4

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.