Das BAG entschied: Befristet Beschäftigte behalten ihr Betriebsratsmandat, doch Anspruch auf Übernahme haben sie nicht. Juristisch korrekt, praktisch jedoch ein Risiko für die Mitbestimmung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden: Wer mit befristetem Vertrag in den Betriebsrat gewählt wird, hat keinen Anspruch auf eine Festanstellung. Juristisch korrekt, aber problematisch. Denn es offenbart ein strukturelles Ungleichgewichts in der deutschen Arbeitswelt.
Im konkreten Fall ging es um einen Logistikmitarbeiter, dessen Vertrag nach einem Jahr endete. 16 von 19 befristeten Kolleg:innen wurden übernommen – er nicht. Der Mann war Betriebsrat. Der Arbeitgeber begründete die Entscheidung mit seiner Leistung. Das Gericht glaubte ihm. Es urteilte: Die Wahl in den Betriebsrat schützt nicht vor dem Ende eines befristeten Vertrags, solange keine Diskriminierung nachweisbar ist.
Wer unsicher ist, kandidiert nicht
Hier liegt der Kern des Problems. Was auf dem Papier wie Gleichbehandlung wirkt, kann in der Praxis zur stillen Disziplinierung werden. Wer sich engagiert, unbequem ist oder Fragen stellt, riskiert, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Nicht offiziell wegen der Betriebsratstätigkeit, sondern wegen „Verhalten“ oder „Leistung“. Begriffe, die dehnbar sind und schwer zu widerlegen.
Das Urteil ist kein Freibrief für Arbeitgeber, aber es sendet eine Botschaft: Mitbestimmung endet, wenn der Vertrag ausläuft. In Branchen, die auf sachgrundlose Befristung setzen, wird das zur systemischen Schwäche. Wer sich unsicher fühlt, kandidiert nicht. Wer nicht kandidiert, vertritt niemanden. Und wer niemanden vertritt, ebnet den Weg für Führung ohne Widerspruch.
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Mitbestimmung darf kein Ablaufdatum haben
Für Unternehmen ist das ein Eigentor. Eine Belegschaft ohne Stimme ist keine Stärke, sondern ein Risiko. Konflikte schwelen, Vertrauen schwindet, die Fluktuation steigt. In Zeiten von Fachkräftemangel und Transformationsdruck ist das Gift für jede Organisation.
Das Urteil zeigt: Die Regeln sind korrekt, aber unzureichend. Wenn Mitbestimmung mehr sein soll als ein Feigenblatt, braucht sie Rückhalt – nicht nur moralisch, sondern strukturell. Sonst wird der Betriebsrat zum Ehrenamt auf Abruf. Und die Mitbestimmung zum Prinzip mit Verfallsdatum.
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