Das LAG Köln stärkt die Rechte von Beschäftigten und schränkt die Möglichkeiten von Arbeitgebern ein, Fortbildungskosten zurückzufordern. Ein Urteil mit Signalwirkung für die betriebliche Weiterbildung.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Az. 7 SLa 647/24) entschied: Rückzahlungsklauseln, die Beschäftigte bei vorzeitiger Kündigung pauschal zur Erstattung von Fortbildungs- oder Gehaltskosten verpflichten, sind unwirksam, wenn sie Beschäftigte unangemessen benachteiligen.
Im verhandelten Fall verließ ein Brandmeisteranwärter nach seiner Ausbildung das Unternehmen. Der Arbeitgeber forderte rund 70.000 Euro zurück – die während der Ausbildung gezahlte Vergütung und anteilige Fortbildungskosten. Der Mann verweigerte die Zahlung. Zu Recht, wie nun auch die zweite Instanz bestätigte.
Vertragsfreiheit hat Grenzen
Die Richter:innen stellten klar: Verträge dürfen keine wirtschaftlichen Fesseln sein. Rückzahlungsklauseln sind nur zulässig, wenn sie klar zwischen selbstverschuldetem und unverschuldetem Ausscheiden unterscheiden – und den Beschäftigten nicht überfordern.
Im vorliegenden Fall griff die Rückzahlungspflicht, sobald das Arbeitsverhältnis „aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen“ endete. Doch dieser Begriff ist juristisch schwammig. Er kann sowohl Verschulden im Sinne des § 276 BGB als auch jede Ursache in der Sphäre des Arbeitnehmers meinen. Das Gericht entschied: Beide Deutungen sind möglich. Dieser Interpretationsspielraum geht nach § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Arbeitgebers. Die Klausel ist daher unwirksam.
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
Das LAG stützt sich auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG): Rückzahlungspflichten dürfen die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG nicht faktisch einschränken. Wer sich durch eine Fortbildung qualifiziert, darf nicht durch überzogene Rückforderungen an ein Unternehmen gebunden werden.
Besonders bei körperlich belastenden Berufen wie dem Feuerwehrdienst verschärft sich das Problem: Schon eine leicht fahrlässig verursachte Verletzung kann zur Dienstuntauglichkeit führen. Eine Rückzahlungspflicht in solchen Fällen sei unzumutbar und widerspreche dem Grundsatz von Treu und Glauben, so das Gericht. Das wirtschaftliche Risiko, dass sich eine Weiterbildung nicht amortisiert, trägt der Arbeitgeber – nicht der Arbeitnehmer.
Deutlich wird das Urteil auch bei einem weiteren Punkt: der Rückforderung der während der Ausbildung gezahlten Vergütung. Der Arbeitgeber bezeichnete diese als „Freistellungsvergütung“– eine Art Vorschuss, der zurückzuzahlen sei. Das LAG Köln widersprach: Während der Ausbildung erbrachte der Arbeitnehmer Arbeitsleistung im Sinne des § 611a BGB. Dafür steht ihm Arbeitsentgelt zu. Eine Rückforderung würde bedeuten, dass der Beschäftigte monatelang unbezahlt gearbeitet hätte – ein klarer Verstoß gegen zwingendes Arbeitsrecht.
- Bildungsurlaub: Vom Randthema zur strategischen Chance
- Dürfen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Bildungsurlaub verweigern?
- Dürfen Arbeitgeber ihren Beschäftigten Bildungsurlaub verweigern?
Ein Signal an Personalabteilungen
Das Urteil ist mehr als ein Einzelfall. Es setzt Maßstäbe. Rückzahlungsklauseln müssen präzise, transparent und verhältnismäßig sein. Arbeitgeber müssen genau definieren:
– Wann entsteht eine Rückzahlungspflicht?
– Welche Gründe sind dem Arbeitnehmer tatsächlich zuzurechnen?
– Wie lange darf eine Bindungsfrist dauern?
– Und: Welche Summen sind zumutbar?
Pauschale Klauseln nach dem Gießkannenprinzip werden künftig kaum Bestand haben.
Das LAG Köln hat unmissverständlich klargestellt: Eine Klausel, die Beschäftigte in existenzielle Abhängigkeit zwingt, ist unwirksam – unabhängig davon, ob sie angewendet wird oder nicht.
Das Urteil ist ein Lehrstück über Balance: Unternehmen dürfen ihre Investitionen in Weiterbildung absichern – aber nicht auf Kosten der Grundrechte ihrer Beschäftigten. Verträge müssen fair, transparent und rechtlich einwandfrei sein. Wer Mitarbeitende binden will, sollte auf Unternehmenskultur, Perspektiven und Vertrauen setzen – nicht auf juristische Drohkulissen. Das LAG Köln hat ein klares Signal für moderne Arbeitsbeziehungen gesendet: Loyalität lässt sich nicht erzwingen. Sie entsteht – oder sie bleibt aus.
Wir übernehmen keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Rechtsinhalte. Insbesondere ersetzten die Beiträge grundsätzlich nicht eine fachkundige Rechtsberatung.

