Müssen Mitarbeitende, die nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung freigestellt wurden, während der Kündigungsfrist aktiv nach einer neuen Stelle suchen? Diese Frage klärte jüngst das Bundesarbeitsgericht.
Ein Arbeitgeber kündigte einem Beschäftigten mit einem monatlichen Bruttogehalt von 6.440 Euro zum 30. Juni 2023 und stellte ihn unwiderruflich frei, wobei Resturlaub angerechnet wurde. Nach der Kündigung meldete sich der Beschäftigte bei der Arbeitsagentur. Offizielle Vermittlungsvorschläge erhielt er erst im Juli, nach Ablauf der Kündigungsfrist. Der ehemalige Arbeitgeber hatte ihm im Mai und Juni 43 Stellenangebote geschickt. Der Mitarbeitende bewarb sich auf sieben dieser Angebote, jedoch erst gegen Ende der Kündigungsfrist.
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Kann der Arbeitgeber die Gehaltszahlungen einstellen?
Daraufhin stellte der Arbeitgeber im Juni 2023 die Gehaltszahlungen ein und argumentierte, der Mitarbeitende hätte sich früher bewerben müssen. Er meinte, der Gekündigte müsse sich fiktiven Verdienst anrechnen lassen, da er die Angebote nicht unverzüglich verfolgt habe.
Das Arbeitsgericht Villingen-Schwenningen wies die Klage (Az. 7 Ca 216/23) des Mitarbeitenden zunächst ab, doch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied zugunsten des Klägers (Az. 9 Sa 4/24). Auch das Bundesarbeitsgericht wies die Revision des Arbeitgebers zurück (Az. 5 AZR 127/24). Der Fünfte Senat des BAG entschied, dass der Arbeitgeber dem Mitarbeitenden für die gesamte Kündigungsfrist das vertraglich vereinbarte Gehalt schulde. Durch die einseitige Freistellung geriet der Arbeitgeber in Annahmeverzug. Nach § 615 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 611a Abs. 2 BGB bleibt die volle Vergütung fällig.
Das Gesetz verlangt nicht, den Arbeitgeber finanziell zu entlasten
Das Gericht stellte klar, dass der Mitarbeitende sich keinen fiktiven Verdienst anrechnen lassen muss. Das Gesetz verlangt nicht, vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Stelle anzunehmen, um den ehemaligen Arbeitgeber finanziell zu entlasten. Der Arbeitgeber hätte beweisen müssen, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar war, was hier nicht der Fall war.
Das Urteil betont, dass eine fiktive Anrechnung von Verdienst nur gerechtfertigt ist, wenn der Mitarbeitende gegen Treu und Glauben untätig bleibt. Das war dem Kläger nicht vorzuwerfen.