Das Kölner Arbeitsgericht hat die Kündigung einer städtischen Mitarbeiterin, die an einem umstrittenen Treffen in Potsdam teilnahm, für unwirksam erklärt.
Die Richter:innen entschieden am 3. Juli 2024 (Az.: 17 Ca 543/24), dass der Besuch der Veranstaltung allein keine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Im Mittelpunkt des Verfahrens stand eine 64-jährige Mitarbeiterin des Beschwerdemanagements im Umwelt- und Verbraucherschutzamtes. Die Stadt Köln hatte ihr vorgeworfen, mit der Teilnahme an einem Treffen, bei dem mutmaßlich Rechtsextreme über sogenannte Remigrationspläne diskutierten, gegen ihre Loyalitätspflicht als Angestellte des öffentlichen Dienstes verstoßen zu haben.
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Das Gericht widersprach: Für die Mitarbeiterin gelte keine erhöhte politische Treuepflicht, sondern nur eine einfache. Diese sei erst verletzt, wenn jemand aktiv verfassungsfeindliche Ziele fördert oder umsetzt. Allein die Teilnahme an einer solchen Veranstaltung beweise nicht, dass die Mitarbeiterin deren Inhalt teile oder unterstütze.
Recht auf persönliche und politische Meinungsfreiheit
Die Stadtverwaltung Köln hatte argumentiert, die Teilnahme an einem Treffen, bei dem über die Ausweisung Hunderttausender Menschen mit Zuwanderungsgeschichte gesprochen worden sei, estelle einen Loyalitätsbruch dar. Diese Diskussionen waren durch Recherchen von Correctiv bekannt geworden. Am 25. November 2023 hatten sich in der Potsdamer Villa Adlon AfD-Politiker, Mitglieder der rechtskonservativen Werteunion, Rechtsextreme und Unternehmer getroffen. Die dort besprochenen Pläne und das Zusammentreffen rechter Akteure lösten bundesweit Empörung und mediale Debatten aus.
Das Gericht betonte jedoch, dass das Recht auf persönliche und politische Meinungsfreiheit der Mitarbeiterin nicht automatisch durch ihre Teilnahme an der Veranstaltung eingeschränkt werde. Es gebe keinen Beweis dafür, dass sie verfassungsfeindliche Ziele unterstütze.
Verfassungsfeindliche Ziele nachweisen
Das Urteil hat weitreichende Folgen – nicht nur für die Mitarbeiterin, sondern auch für die Stadt Köln. Es stellt klar, dass die Teilnahme an politisch kontroversen oder extremen Veranstaltungen allein keine Grundlage für eine außerordentliche Kündigung bietet, solange keine aktive Unterstützung verfassungsfeindlicher Ziele nachgewiesen wird.
Die Stadt Köln kündigte an, das Urteil genau zu prüfen und über weitere Schritte zu entscheiden. Bis dahin wird die Mitarbeiterin voraussichtlich ihre Arbeit im Beschwerdemanagement des Umwelt- und Verbraucherschutzamtes wieder aufnehmen.
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