Das Bundesarbeitsgericht fördert die Lohngerechtigkeit: Frauen dürfen ungleiche Bezahlung direkt anfechten – der Vergleich mit einem männlichen Kollegen reicht. Ein Urteil mit Signalwirkung.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat ein klares Signal gesendet: Frauen, die für gleiche oder gleichwertige Arbeit weniger verdienen als Männer, müssen sich nicht länger mit statistische Wahrscheinlichkeiten oder Medianwerten zufriedengeben. Ein direkter Vergleich mit einem männlichen Kollegen genügt, um die Vermutung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung zu begründen.
Ein Urteil mit Signalwirkung
Das BAG (Az. 8 AZR 300/24) hat eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg aufgehoben. Die Vorinstanz hatte verlangt, dass eine Klägerin eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ für Diskriminierung nachweisen müsse – eine Hürde, die das Gericht in Erfurt nun deutlich absenkt.
Das BAG stellt klar: Es reicht, wenn eine Arbeitnehmerin zeigt, dass ein männlicher Kollege für gleich oder gleichwertige Arbeit mehr verdient. Diese Tatsache allein begründet die Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Europarecht setzt Maßstäbe
Das Gericht folgt der Linie des Europäischen Gerichtshofs. Nach europäischem Primärrecht liegt die Beweislast nicht bei der Arbeitnehmerin. Der Arbeitgeber muss die Vermutung widerlegen – etwa durch den Nachweis von Leistungsunterschieden oder objektiven Gründen für die Entgeltgestaltung.
Die bisher übliche Praxis, auf Durchschnittswerte oder Gruppenauswertungen zu verweisen, verliert an Bedeutung. Entscheidend ist der direkte Vergleich zwischen zwei Personen, nicht der Median einer Entgeltgruppe.
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Transparenz als Schlüssel
Im vorliegenden Fall stützte die Klägerin ihre Ansprüche auf Daten aus dem unternehmensinternen Dashboard, das Informationen nach dem Entgelttransparenzgesetz bereitstellt. Ein ursprünglich als Informationsinstrument gedachtes Tool wird so zur rechtlichen Grundlage.
Das BAG betont: Auch intransparente Entgeltsysteme schützen Arbeitgeber nicht vor der Beweislast. Wer keine klaren und nachvollziehbaren Kriterien vorlegt, riskiert, Entgeltbenachteiligungen nicht entkräften zu können.
Was das Urteil bedeutet
Für Arbeitnehmerinnen ist das Urteil ein Durchbruch. Wer weniger verdient, kann sich künftig auf den direkten Vergleich berufen – ein starkes Mittel im Kampf um Lohngerechtigkeit.
Für Arbeitgeber steigt der Druck, Entgeltsysteme transparent und geschlechtsneutral zu gestalten. Transparenz ist keine Gefahr, sondern die beste Prävention gegen Diskriminierungsvorwürfe.
Das Urteil des BAG ist mehr als ein Einzelfall. Es markiert einen Meilenstein für die Entgeltgerechtigkeit in Deutschland. Gleiche Arbeit verdient gleiches Geld – ohne Relativierungen, ohne Statistik, ohne Ausreden.
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