Das Bundesarbeitsgericht wurde im Jahr 1954 gegründet und hatte ursprünglich seinen Sitz in Kassel. 1999 wurde das Gericht nach Erfurt verlegt, was den Sieg der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, den sich die ostdeutsche Bevölkerung nach der friedlichen Revolution 1989 erkämpft hatte, symbolisierte. Erfurt, die Landeshauptstadt Thüringens, wurde damit zum neuen Zentrum der höchsten arbeitsgerichtlichen Instanz in Deutschland.
Stephan Harbarth, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, würdigt das Bundesarbeitsgericht (BAG) anlässlich des Jubiläums “als ein wichtiges Wächteramt, dessen Entscheidungen maßgeblich zum sozialen Zusammenhalt in Deutschland beitragen”. Lilian Tschan, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, hob bei der Feierstunde hervor, dass das BAG das Arbeitsrecht kontinuierlich auf den Prüfstand stellt und oft auf Gesetzeslücken hinweist, die der Gesetzgeber bewusst oder unbewusst hinterlassen hat. Durch wegweisende Entscheidungen hat das BAG Rechtsgeschichte geschrieben, insbesondere im Bereich des Streikrechts und der Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Die eigenständige Arbeitsgerichtsbarkeit wird in Deutschland als ein hohes Gut angesehen, da sie die Rechte der Arbeitnehmer schützt und für Gerechtigkeit in der Arbeitswelt sorgt.
Die deutsche Rechtsprechung wird zunehmend vom europäischen Recht beeinflusst
Heute befindet sich die Arbeitswelt im Wandel, nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Dies bringt neue Herausforderungen im Arbeitsrecht mit sich, die das BAG bewältigen muss. Dabei wird die deutsche Rechtsprechung auch zunehmend vom europäischen Recht beeinflusst. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs beispielsweise zum Urlaubsrecht oder zu den Rechten von Leiharbeitenden sind hierbei von besonderer Bedeutung.
In diesem Jahr werden noch einige Grundsatzentscheidungen erwartet – unter anderem zur Gleichbehandlung von Arbeitnehmenden in Teilzeit und Vollzeit bei Mehrarbeitszuschlägen. Solche Entscheidungen haben weitreichende Auswirkungen auf die Gestaltung und Auslegung des Arbeitsrechts in Deutschland. Jährlich landen Hunderte von Fällen beim Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Im Jahr 2023 waren es 1.391 Revisionen, Rechtsbeschwerden und Nichtzulassungsbeschwerden.