Wie lange können langzeiterkrankte Beschäftigte ihren Urlaubsanspruch geltend machen? Oder verfällt dieser automatisch? Über diese Streitfrage muss nun der Europäische Gerichtshof entscheiden.
Um über die Dauer von Urlaubsansprüchen bei Arbeitnehmern mit Langzeitkrankheit urteilen zu können, hat das Bundesarbeitsgericht den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung gebeten. Es gehe dabei um mehr Klarheit darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfällt, teilte das Gericht mit.
Die Bundesarbeitsrichterinnen und Bundesarbeitsrichter beschäftigen sich immer wieder mit der Frage, unter welchen Umständen ein nicht genommener Urlaub bei einer langen Erkrankung verfallen kann. Im konreten Fall ging es um zwei Verfahren aus Hessen und Nordrhein-Westfalen, bei denen Mitarbeiternde einen aus teils schon länger zurückliegenden Arbeitsjahren Urlaubsanspruch geltend zu machen. In beiden Fällen waren die Mitarbeitenden für längere Zeit krank.
Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem vergangenen Jahr, wonach Arbeitgeber ihre Beschäftigten auffordern müssen, noch nicht beantragten Urlaub zu nehmen mit dem Hinweis, dass der Anspruch sonst erlischt. Kommen Arbeitgeber dieser Informationspflicht nicht nach, kann der Urlaub auch später noch geltend gemacht werden. Das EuGH hatte zuvor 2011 entschieden, dass während einer lang andauernden Krankheit erworbene Urlaubsansprüche 15 Monaten nach Ende des Urlaubsjahres verfallen. Beidem war das BAG bisher gefolgt.
EuGH muss die Frage abschließend beantworten
In den beiden Fällen muss aber nun geklärt werden, ob die Arbeitgeber es versäumt haben, über den möglichen Verfall rechtzeitig zu informieren. Denn sonst hätten die Beschäftigten ihren Anspruch geltend gemacht, bevor sie krank wurden. Konkret geht es in einem Fall um eine Krankenhausmitarbeiterin, die im Laufe des Jahres 2017 erkrankte und seitdem nicht mehr arbeitsfähig ist. Sie hätte für das Jahr 2017 noch 14 Urlaubstage gehabt.Im November 2018 forderte sie ihren Arbeitgeber – erfolglos – zur Abgeltung dieser freien Tage auf. Dieser lehnte ab, es ging vor Gericht. Das Landesarbeitsgericht Hamm wies die Klage zurück. Die Arbeitnehmerin aber argumentiert, sie sei nicht rechtzeitig auf den drohenden Verfall ihres Urlaubsanspruch hingewiesen worden.
In dem anderen Fall geht es um einen schwerbehinderten Frachtfahrer, der aufgrund eines Tarifvertrags im Öffentlichen Dienst von Dezember 2014 bis zuletzt August 2019 eine befristete Erwerbsminderungsrente erhielt. Der Mann argumentiert, dass ihm noch 34 Urlaubstage aus dem Jahr 2014 zustehen, was der Arbeitgeber aber bestreitet. Zuletzt wies das Hessische Landesarbeitsgericht die Klage des Mannes zurück. Beide Fälle sind nun in dritter Instanz vor dem BAG gelandet. Das aber gab die Frage weiter an die Kolleginnen und Kollegen in Europa, die eine abschließende Antwort finden müssen.
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