Der Mutterschutz ist eine gute Sache: Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), gerade selbst zum zweiten Mal Mutter geworden, hat nun eine umfangreiche Novellierung des Gesetzes durchgesetzt, die zum 1. Januar 2017 in Kraft tritt.
Seit 1952 ist das Mutterschutzgesetz in Kraft und stellen berufstätige Frauen in der Schwangerschaft und nach der Entbindung unter einen besonderen arbeitsrechtlichen Schutz. Schwangere dürfen sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und acht Wochen danach nicht arbeiten. Zudem dürfen sie schon ab dem 6. Monat nicht mehr am Wochenende oder im Spätdienst tätig sein. Und sie dürfen jederzeit Pause machen, sobald ihnen danach ist. Am wichtigsten ist jedoch der besondere Kündigungsschutz, der für werdende und frisch gebackene Mütter gilt.
Die Novellierung ist eine beachtliche Leistung, immerhin wurde die Regelung seit den fünfziger Jahren so gut wie nie angefasst. Viele wichtige und positive Punkte gehören dazu.
Wichtige Änderungen, aber mit Missbrauchsmöglichkeiten
So hat Schwesig beispielsweise erreicht, dass Frauen unter Kündigungsschutz stehen, wenn sie nach der zwölften Woche eine Fehlgeburt erlitten haben – unabhängig davon, ob das Baby mehr als 500 Gram wog oder nicht. Diese willkürliche Gewichtsgrenze gab es vor der Novellierung im Gesetz. Diese Änderung ist richtig und wichtig so. Ebeno wird geändert, dass das Mutterschutzgesetz künftig auch für Schülerinnen und Studentinnen gilt. Bildungsministerin Johanna Wanka (CDU) war zunächst dagegen und wollte individuelle Lösungen. Schließlich müssen und wollen schwangere Schülerinnen und Studentinnen mitunter Prüfungen ablegen, auch wenn der Entbindungstermin kurz bevor steht oder die acht Wochen nach der Geburt noch nicht verstrichen sind. Man kann aber das eine tun und das andere nicht lassen, argumentierte die Familienministerin – und erreichte schließlich einen guten Kompromiss: Schülerinnen und Studentinnen können in der Zeit, in der der Mutterschutz für sie gilt, freiwillig entscheiden, ob sie Klausuren mitschreiben oder Prüfungen ablegen wollen. Prinzipiell ist das gut so, denn so werden sie nicht zeitlich in ihrer Ausbildung aufgrund eines starren Gesetzes zurückgeworfen. Andererseits könnten sich manche junge Frauen dadurch unter Druck setzen.
Der Druck auf Arbeitnehmerinnen könnte zunehmen
Auch ist der Mutterschutz jetzt für Arbeitnehmerinnen flexibler geworden. Und das sehe ich persönlich als Arbeitnehmervertreterin doch kritisch: So gibt es kein generelles Arbeitsverbot mehr für Arbeit am Abend nach 20 Uhr oder ein Beschäftigungsverbot am Wochenende, an Sonn- und Feiertagen. Schwangere sollen in diesen Zeiten arbeiten können – sofern es keine medizinischen Gründe dagegen gibt und sie es wollen. Aber die meisten Frauen haben ohnehin nur befristete Verträge. Für sie ist es in solchen Arbeitsverhältnissen ohnehin schon ein Risiko, schwanger zu werden. Wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich gegen den Einsatz in der Spätschicht oder am Sonn- und Feiertag wehren werden, wenn der Arbeitgeber Druck macht und die neue Lockerung es möglich macht? Zu groß dürfte die Sorge bei vielen Arbeitnehmerinnen sein, dass sie keine Vertragsverlängerung erhalten, wenn sie nicht vollen Einsatz zeigen.
Ähnlich dürfte es sich mit der Lockerung verhalten, dass Schwangere künftig kein grundsätzliches Arbeitsverbot bei gesundheitlich riskanten Tätigkeiten mehr haben. Besonders Ärztinnen und Frauen in medizinischen Berufen hatten zuvor kritisiert, dass sie während der Schwangerschaft per se keine Operationen oder Blutabnahmen mehr durchführen dürften. Besonders junge Chirurginnen wirft dieses Verbot in ihrer Karriere zurück, weil sie wichtige Operationen nicht mehr absolvieren können und somit länger für ihre Facharzt-Ausbildung benötigen. Für sie ist die Lockerung sicherlich sinnvoll – zugleich besteht die Gefahr, dass Arbeitgeber diese neue Flexibilität missbrauchen könnten. Ein zweischneidiges Schwert.
Und was ist mit Selbständigen?
Und was schließlich gänzlich fehlt ist der Gültigkeitsbereich auch für Selbständige und Geschäftsführerinnen, die nicht als Arbeitnehmerin angestellt sind. Denn für diese Frauen gilt der Mutterschutz auch weiterhin nicht. Das ist schade, denn auch weiterhin sind diese Frauen auf sich gestellt, wenn sie sich für Kinder entscheiden. Mehr noch: Geschäftsführerinnen müssen sich sogar für den Tag der Entbindung streng genommen einen Tag Urlaub nehmen. Eine Regelung, die endlich gesetzlich reguliert werden sollte.
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Frage am Rande:
“Aber die meisten Frauen haben ohnehin nur befristete Verträge.”
Ist das so – also wirklich bezogen auf alle Arbeitnehmerinnen? Gibt es dazu eine Statistik?