Resturlaub: So vermeiden Arbeitgeber finanzielle Risiken

2 Personen im Liegestuhl am Strand

Das Jahr neigt sich dem Ende zu. Mitarbeitende haben immer weniger Zeit, ihren Urlaub zu nehmen. Für Arbeitgeber ist das eine gute Gelegenheit, finanzielle Risiken zu vermeiden.

Unternehmen müssen für jeden Urlaubstag, den ein Mitarbeitender im laufenden Jahr nicht nimmt, finanzielle Rückstellungen bilden. „Denn wenn der Arbeitnehmer mit Resturlaub kündigt oder ihm gekündigt werden muss, kann es sein, dass der Resturlaub ausgezahlt werden muss – im Fall der Fälle auch noch bis zu drei Jahre nach dem Ausscheiden. In solchen Fällen zahlt sich ein entsprechendes finanzielles Polster für den Arbeitgeber am Ende im wahrsten Sinne des Wortes aus“, erläutern Joachim Zobel und Aribert Panzer, Fachanwälte für Arbeitsrecht bei Schultze & Braun in Nürnberg. „Allerdings können die Urlaubs-Rückstellungen die Firmenbilanz über einen langen Zeitraum negativ beeinflussen. Denn wenn sie aufgelöst werden – etwa, weil der gesamte Urlaub doch noch genommen wurde – erhöhen sie den zu versteuernden Gewinn und damit die Steuerlast des Unternehmens.“

Finanzielle und operative Herausforderungen: Verfall und Verjährung von Urlaub

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtUrlaub und die Verjährung von Urlaubsansprüchen stellen für Arbeitgeber eine große Herausforderung dar. Sie müssen sicherstellen, dass ihre Beschäftigten ihren Urlaub tatsächlich nehmen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) definiert dies so: Ein Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmenden formal und rechtzeitig darauf hinweisen, dass sie noch Urlaubstage übrighaben und diese verfallen können. „Wichtig ist dabei, dass der Arbeitgeber auch nachweisen kann, dass er seine Arbeitnehmenden an ihre verbleibenden Urlaubstage und den möglichen Verfall und die Verjährung erinnert hat“, so Zobel und Panzer. „Denn nur dann verfällt der Jahresurlaub der Arbeitnehmer zum Ende des Jahres beziehungsweise zum 31. März des Folgejahres oder verjährt nach drei Jahren.“

Nach zwei Entscheidungen des BAG von Ende 2022 und Anfang 2023 (nähere Details siehe Kasten) müssen Arbeitgeber zusätzlich darauf achten, dass sie ihre Mitarbeitenden auf die Verjährung ihrer Urlaubsansprüche nach drei Jahren aufmerksam machen.

Was bedeutet „formal und rechtzeitig“ hinweisen?

„Die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmenden, die sogenannte Hinweisobliegenheit, ist leider aber konkret unkonkret ausgestaltet“, erklären Zobel und Panzer. „Es ist schlichtweg unklar, was ‚formal und rechtzeitig‘ hinweisen ganz konkret heißt.“ Das führt dazu, dass die Frage „Wann erinnere ich meine Arbeitnehmer an ihren Urlaub?“ nicht einfach zu beantworten ist. Erinnert der Arbeitgeber zu früh im Jahr, fehlt dem Hinweis die Wirkungskraft. Je näher das Jahresende rückt, desto wirksamer werden Erinnerungen. Allerdings kann es dann vorkommen, dass der Beschäftigte seinen Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht mehr im laufenden Geschäfts- und Kalenderjahr nehmen kann. „Es ist daher für Arbeitgeber ratsam, das Thema Urlaub regelmäßig anzusprechen, beispielsweise alle drei Monate“, raten Zobel und Panzer. „Der Vorteil bei solch einem regelmäßigen Turnus ist, dass alle informiert bleiben und das Thema und die Nerven der Beteiligten auch nicht überstrapaziert werden.“


Die Grundsatzentscheidungen des BAG von Ende 2022 und Anfang 2023:

Mit zwei Grundsatzentscheidungen hat das BAG Ende 2022 sowie Anfang 2023 das nationale Urlaubsrecht weiter den europäischen Vorgaben angepasst. Bereits 2018 hatte der EuGH die EU-Arbeitszeit-Richtlinie (RL 2003/88/EG) dahingehend ausgelegt, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, dafür zu sorgen, dass ihre Mitarbeitenden tatsächlich in der Lage sind, ihren bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Sie müssen Mitarbeitende dazu auffordern und ihnen klar und rechtzeitig mitteilen, dass der nicht genommene Urlaub am Ende des Bezugszeitraums verfallen wird (sogenannte Mitwirkungsobliegenheit).

Am 31. Januar 2023 entschied das BAG, dass die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Urlaub weiterhin nach drei Jahren verjährt (Aktenzeichen: 9 AZR 456/20) – und das auch ohne regelmäßige Erinnerung, allerdings nur, wenn das Arbeitsverhältnis beendet wurde. „Nach Auffassung des BAG stellt die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Zäsur dar, durch die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr regelmäßig auf die Verjährung hinweisen muss“, so Zobel und Panzer. Die Frist für die Verjährung beginnt mit dem Ende des Jahres, in dem der Beschäftigte aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. „Nach dieser Entscheidung müssen Arbeitgeber zumindest nicht mehr befürchten, dass ausscheidende Arbeitnehmende von ihnen die Auszahlung offener Urlaubsansprüche aus einer Vielzahl an Jahren verlangen können“, erläutern Zobel und Panzer. „Wichtig ist allerdings weiterhin, dass Arbeitgeber beim Thema Urlaub mit größter Sorgfalt agieren.“

Das BAG-Urteil von Ende Januar 2023 betrifft die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte getrennte Wege gehen. Es ändert nichts daran, dass Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden auf Basis der Entscheidung des BAG vom 20. Dezember 2022 (9 AZR 245/19 sowie – 9 AZR 266/20) regelmäßig darauf hinweisen müssen, ihren Urlaub im jeweiligen Kalenderjahr zu nehmen – andernfalls verfallen und verjähren die Urlaubsansprüche nicht. „Um bei Urlaubsansprüchen operativ und finanziell auf der sicheren Seite zu sein, müssen Arbeitgeber bei der Urlaubsplanung ihrer Arbeitnehmenden noch aktiver sein als bislang ohnehin schon – und regelmäßig das Gespräch mit ihnen suchen“, so Zobel und Panzer.


Wichtig ist, dass ein Arbeitgeber auch langzeitkranke Beschäftigte informiert – etwa für das Kalenderjahr, in dem die Arbeitsunfähigkeit eintrat. „Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitgeber die Information ihrer Arbeitnehmenden grundsätzlich schriftlich dokumentieren und sich von den Arbeitnehmenden innerhalb einer angemessenen Frist bestätigen lassen, dass sie die Information erhalten und verstanden haben“, sagen die beiden Experten.

Urlaubswünsche abfragen und mit den betrieblichen Notwendigkeiten abstimmen

Das gemeinsame Ziel von Arbeitgeber und Beschäftigten sollte es sein, die Urlaubswünsche abzufragen, um diese mit den betrieblichen Notwendigkeiten abzustimmen. „Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich austauschen, profitieren beide Seiten davon und das Thema Urlaubsplanung ist – trotz ungenauer Definition – keine unlösbare Aufgabe“, fassen Zobel und Panzer zusammen.

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