Wer durch das Stechen eines Tattoos arbeitsunfähig wird, verliert den Anspruch auf Lohnfortzahlung. Zwei Gerichte werten das nämlich als vermeidbares Risiko.
Eine Pflegekraft erlebte das, nachdem sie sich ein Tattoo stechen ließ. Die Wunde entzündete sich, sie fiel mehrere Tage aus und forderte dennoch ihr Gehalt. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung mit der Begründung, die Krankheit sei selbst verschuldet, da sie sich bewusst einem vermeidbaren Risiko ausgesetzt habe.
Der Fall landete vor Gericht. Die Klägerin argumentierte, sie habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Komplikationen nach einem Tattoo seien selten und medizinisch gut behandelbar. Daher könnte ihr Verhalten nicht den Ausschluss der Lohnfortzahlung rechtfertigen.
Infektion ist Folge einer bewusst eingegangenen Gefahr
Die Gerichte sahen das anders. Sowohl das Arbeitsgericht Flensburg (24.10.2024, Az. 2 Ca 278/24) als auch das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (22.05.2025, Az. 5 Sa 284a/24) stuften die Arbeitsunfähigkeit als vermeidbar und selbst verschuldet ein. Entscheidend sei, dass die Klägerin durch den freiwilligen Eingriff eine Infektion und damit die Erkrankung in Kauf genommen habe. Diese Infektion sei keine Folge eines allgemeinen Lebensrisikos, sondern einer bewusst eingegangenen Gefahr.
Das Gericht zog den rechtlichen Maßstab heran, der auch bei Sportverletzungen gilt: Wer sich freiwillig in riskante Situationen begibt, ohne die Risiken ausreichend zu minimieren, handelt leichtfertig. Und wer dadurch eine Krankheit verursacht, verliert nach § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes den Anspruch auf Lohnfortzahlung.
- Dürfen Arbeitgeber gefährliche Sportarten verbieten?
- Arbeitsunfähigkeit: Was tun bei Zweifeln?
- AU-Bescheinigung hat hohen Beweiswert
Wer schuldhaft handelt verliert Anspruch auf Lohnfortzahlung
Die Richter:innen betonten, dass nicht die Seltenheit der Komplikation zähle, sondern die bewusste Entscheidung, sich einem körperlich invasiven Eingriff zu unterziehen. Auch kosmetische oder kulturell motivierte Handlungen wie Tätowierungen entbinden nicht von der Pflicht zur Selbstfürsorge. Führt eine solche Entscheidung zu gesundheitlichen Folgen und Arbeitsunfähigkeit, kann die Verantwortung nicht auf den Arbeitgeber abgewälzt werden.
Der Fall zeigt: Die persönliche Freiheit endet dort, wo der Arbeitgeber für die Folgen aufkommen soll. Wer sich privat für körperverändernde Maßnahmen entscheidet, trägt auch das Risiko für mögliche Folgen – selbst bei seltenen Komplikationen.
Unternehmen müssen nicht für krankheitsbedingte Ausfälle zahlen, wenn diese durch freiwillige, nicht medizinisch notwendige Eingriffe wie Tätowierungen verursacht wurden. Wer dadurch arbeitsunfähig wird, handelt unter Umständen schuldhaft – und verliert den Anspruch auf Lohnfortzahlung.
Wir übernehmen keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Rechtsinhalte. Insbesondere ersetzten die Beiträge grundsätzlich nicht eine fachkundige Rechtsberatung.

