Überstundenabbau: Können Angestellte gezwungen werden?

Beschäftigte sitzen am Schreitisch

In Projektphasen häufen sich Überstunden schnell an. Doch wer entscheidet eigentlich, wann sie abgebaut werden dürfen? Ein Blick auf Rechte, Pflichten – und die Rolle des Arbeitsvertrags.

In intensiven Projektphasen, wenn die Arbeitstage länger werden, sammeln sich schnell Überstunden an. Viele Beschäftigte hoffen, diese später durch freie Tage oder kürzere Arbeitszeiten auszugleichen. Doch wie viel Mitspracherecht haben sie tatsächlich beim Abbau der angesammelten Stunden?

In der Praxis hängt das Vorgehen von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich gilt: Gibt es keine speziellen vertraglichen oder tariflichen Regelungen, entscheidet der Arbeitgeber, wann der Ausgleich erfolgt. Das bedeutet, er kann den Abbau der Überstunden auch kurzfristig anordnen – ohne vorherige Absprache mit der betroffenen Person.

Überstunden sind alle Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtEin typisches Beispiel ist die Verkürzung der Arbeitszeit am Folgetag. Wer etwa an einem Tag zehn Stunden arbeitet, kann angewiesen werden, am nächsten Tag nur sechs Stunden zu leisten. So bleibt der durchschnittliche Wochenumfang im Gleichgewicht, und die Überstunden werden abgebaut. In vielen Unternehmen genießen Mitarbeitende jedoch mehr Flexibilität, etwa durch Gleitzeitregelungen oder Arbeitszeitkonten. In solchen Modellen können sie oft selbst entscheiden, wann sie die angesammelten Stunden nutzen – sei es für kürzere Arbeitstage oder einen früheren Feierabend.

Entscheidend bleibt der Arbeitsvertrag. Er legt fest, wann Mehrarbeit anfällt und wie damit umzugehen ist. Überstunden sind alle Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte Wochen- und Tagesarbeitszeit hinausgehen. Für diese Stunden steht den Beschäftigten entweder eine Vergütung oder ein Freizeitausgleich zu, sofern der Vertrag nichts anderes regelt.


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Nur in Ausnahmefällen können Überstunden ohne vorherige Zustimmung verlangt werden

Zudem gibt es rechtliche Grenzen für die Anordnung von Überstunden. Ohne klare Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung sind Beschäftigte nicht verpflichtet, über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu arbeiten. Nur in Ausnahmefällen – etwa bei Notfällen oder unvorhersehbaren betrieblichen Störungen – können Überstunden ohne vorherige Zustimmung verlangt werden.

Der Umgang mit Überstunden bewegt sich zwischen betrieblichem Bedarf und individueller Zeitsouveränität. Er ist nicht nur eine juristische Frage, sondern auch ein Thema der Unternehmenskultur. Klare Regeln und ein offener Dialog zwischen Arbeitgeber und Belegschaft helfen, Konflikte zu vermeiden und faire Lösungen zu finden.


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.