Urlaubsanspruch, Genehmigung und Verfall: Was Sie wissen müssen

Fotos auf Landkarte

Ein zentraler Bereich des Arbeitsrechts ist der Urlaubsanspruch. Gut, wenn Arbeitgeber und Mitarbeitende ihre Rechte und Pflichten kennen.

Urlaub fördert nicht nur die Erholung und Gesundheit der Beschäftigten, sondern steigert auch die Produktivität und Zufriedenheit im Unternehmen. Dieser Beitrag erklärt die rechtlichen Grundlagen und Bestimmungen, die den Urlaubsanspruch der Beschäftigten regeln. Er behandelt die gesetzlichen Mindestansprüche, tarifvertragliche und betriebliche Vereinbarungen sowie die Rechte und Pflichten von Arbeitgebern und Beschäftigten bei der Urlaubsgewährung und -nahme. Kennen Arbeitgeber und Mitarbeitende ihre Rechte und Pflichten im Bereich Urlaub, werden Unsicherheiten und Missverständnisse vermeiden und ein gerechtes, produktives Arbeitsumfeld geschaffen.

Nicht immer steht ein Tarifvertrag über dem Arbeitsvertrag

→ Wie viele Tage Urlaubsanspruch habe ich – und wo ist der Urlaub geregelt?
Beschäftigte haben einen Anspruch auf 24 Werktage Urlaub im Jahr, geregelt durch das Bundesurlaubsgesetz. Die meisten Unternehmen bieten jedoch mehr, oft 30 Tage bei einer Fünftagewoche, also sechs Wochen pro Jahr. Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und der Arbeitsvertrag regeln das. Dabei gilt das Günstigkeitsprinzip: Sieht der Arbeitsvertrag zum Beispiel 28 Tage Urlaub im Jahr vor und wird durch die Gründung eines Betriebsrats eine Betriebsvereinbarung mit 30 Tagen Urlaub für alle Mitarbeitenden verhandelt, gilt künftig die für Beschäftigte bessere Regelung aus der Betriebsvereinbarung. Sieht ein Tarifvertrag beispielsweise 32 Tage Urlaub vor, man hat aber 35 Tage verhandelt, gilt die bessere Regelung aus dem Arbeitsvertrag – obwohl eigentlich ein Tarifvertrag meist über dem Arbeitsvertrag steht.

Bei Teilzeitbeschäftigen reduziert sich der Urlaub anteilig. Die Formel lautet: Urlaubswochen mal Arbeitstage des Teilzeitbeschäftigten gleich Urlaubsanspruch in Tagen, erklärt Ulf Weigelt, Berliner Fachanwalt für Arbeitsrecht. Bei unregelmäßig verteilter Arbeitszeit ist das kniffelig. Dann rechnet man mit dem Durchschnitt der regelmäßigen wöchentliche Arbeitszeit. “Für die Errechnung der Jahresarbeitstage sind die auf 52 Wochen bezogenen Werte zu ermitteln. Die Rechenformel lautet also: Gesetzliche oder tarifliche Urlaubsdauer, geteilt durch die Jahreswerktage, multipliziert mit der Anzahl der Tage, an denen der Mitarbeitende im Kalenderjahr tatsächlich verpflichtet wird”, so Weigelt.

Als Beispiel: Wenn man im Schnitt an drei von fünf Tagen pro Woche arbeitet und der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch 24 Werktage beträgt, hat man einen Urlaubsanspruch von zwölf Tagen.


Mehr zum Thema:


Im äußersten Fall lässt sich der Urlaubsanspruch gerichtlich durchsetzen

→ Wer hat beim Urlaub Vorrang?
Kolleg:innen mit schulpflichtigen Kindern möchten oft in den Sommerferien  frei haben, aber ein generelles Vorrecht auf eine Bevorzugung gibt es nicht. Bei der Urlaubsbewilligung muss der Arbeitgeber betriebliche und soziale Belange sowie Urlaubswünsche aller Beschäftigten gegeneinander abwägen . Vorrang hat derjenige, für den es um den ersten Urlaubsanspruch in diesem Jahr geht, so Weigelt. Dabei werden Alter, Erholungsbedürfnis und Kinder mit Ferien berücksichtigt. Das heißt aber nicht, dass kinderlose Kolleg:innen nie in Ferienzeiten Urlaub nehmen können. Haben sie mehrere Jahre hintereinander zurückgesteckt, sind sie berechtigt, den Urlaub zur Ferienzeit zu nehmen. Im äußersten Fall lässt sich der Urlaubsanspruch gerichtlich durchsetzen. Besser aber ist, im Team eine Lösung zu finden, notfalls mit Hilfe der Personalabteilung, Vorgesetzte und des Betriebsrat.

→ Wann darf ein Urlaubswunsch abgelehnt werden?
Beschäftigte dürfen den Zeitpunkt ihres Urlaubs frei wählen. Arbeitgeber können den Urlaub nur verweigern, wenn zwingende betriebliche Gründe dagegensprechen. Solche Gründe können zum Beispiel sein: die Notwendigkeit, einen Auftrag fristgerecht zu erfüllen, personelle Engpässe in Saison- oder Kampagnebetrieben, plötzlich auftretende Produktionsnachfragen, Jahresabschlussarbeiten, Betriebsferien oder krankheitsbedingte Ausfälle. Und auch, wenn andere Kolleg:innen unter sozialen Aspekten Vorrang beim Urlaub haben. Für Arbeitgeber wichtig: Die Ablehnung sollte gut begründet sein, und der Urlaub muss dann zu einem späteren Zeitpunkt genehmigt werden.

→ Kann genehmigter Urlaub zurückgenommen oder verschoben werden?
Ein Urlaub gilt als genehmigt, wenn der Arbeitgeber dem Urlaubsantrag schriftlich zustimmt. Nachträgliche Änderungen sind nur möglich, wenn Arbeitgeber und Beschäftigter sie vereinbaren. Das heißt, wurde ein Urlaubstantrag freigegeben, kann der Arbeitgeber nicht verlangen, dass der Urlaub verschoben wird. Bei zwingenden betrieblichen Interessen, etwa einem Großauftrag oder mehreren kranken Kolleg:innen, können Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden fragen, ob sie einer Aufhebung zustimmen. Einfach streichen dürfen Vorgesetzte den Urlaub nicht. Bei einer Katastrophe und wenn die Produktion gefährdet ist, dürfen Arbeitgeber den Urlaub ohne Zustimmung verlegen. In extremen Fällen können Unternehmen ihre Beschäftigten aus dem Urlaub zurückholen, müssen dann aber die Kosten dafür übernehmen.

Es gibt keine gesetzliche Regelung, wie schnell ein Urlaubsantrag bearbeitet werden muss

→ Ist es zulässig, den Urlaub zu stückeln?
Drei Wochen am Stück im Sommer sind nicht drin, sondern nur fünf Tage? Damit jemand seinen Urlaub stückeln muss, sind zwingende betriebliche Gründe erforderlich, die Arbeitgeber nachweisen müssen. Auf keinen Fall können Arbeitgeber verlangen, dass Mitarbeitende ihren gesamten Urlaub in Einzeltage zerlegen, so Weigelt. Das widerspricht dem Zweck von Urlaub: der Erholung. “Das Bundesurlaubsgesetz verlangt, den Erholungsurlaub grundsätzlich zusammenhängend zu gewähren, mindestens 12 aufeinander folgende Werktage (inklusive der Samstage) müssen sein”, sagt Weigelt. Wenn Mitarbeitende selbst stückeln wollen, kommt es auf die betrieblichen Gründe an. Dabei sollten Arbeitgeber, wenn sie dem Wunsch nachkommen, aus Gründen des Arbeitsschutzes auf den geringeren Erholungseffekt hinweisen. Dass der Arbeitgeber den gesamten Urlaub festlegt, ist übrigens nicht erlaubt.

→ Wie schnell muss der Urlaub genehmigt werden?
Es gibt keine gesetzliche Regelung, wie schnell ein Urlaubsantrag bearbeitet werden muss. Und ein nicht beantworteter Urlaubsantrag bedeutet nicht automatisch eine Ablehnung. Mehrere Arbeitsgerichte, etwa das in Chemnitz, haben festgestellt, dass Unternehmen in “angemessener Zeit” antworten müssen, was innerhalb eines Monats bedeutet. Lässt der Arbeitgeber diese Zeit ohne Rückmeldung verstreichen, können Mitarbeitende nach einem Urteil des Arbeitsgericht Chemnitz aus dem Jahr 2018 davon ausgehen, dass der Urlaub gewährt wird. Ohne Rücksprache einfach in den Urlaub fahren sollte man aber nicht. Spätestens nach einem Monat sollte man nachhaken.

Wird der Mitarbeitende wieder gesund, muss er sich schnellstmöglich um seinen Anspruch kümmern

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht→ Wann verfällt nicht genommener Urlaub?
Urlaubsansprüche verfallen im neuen Jahr , wenn Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes vorsehen und der Mitarbeitende den Urlaub schlicht vergessen hat. Konnten Mitarbeitende ihren Resturlaub aus betrieblichen Gründen oder wegen Krankheit nicht nehmen, bleibt der Urlaubsanspruch bis zum 31. März bestehen. Zwei Ausnahmen: Dauert die Erkrankung über die ersten drei Monate des Jahres weiter an, bleibt der Urlaubsanspruch bestehen. Wird der Mitarbeitende wieder gesund, muss er sich schnellstmöglich um den Anspruch kümmern. Spätestens im Kalenderjahr der Gesundung verfällt der Resturlaub, urteilte das BAG. Über die ersten drei Monate des neuen Jahrs hinaus ist Resturlaub sonst nur gültig, wenn der Mitarbeitende bis zum 31. Dezember noch keine sechs Monate für seinen Arbeitgeber tätig war und seinen Urlaub wegen einer Probezeit nicht nehmen konnte. Dann kann er bis zum 31. Dezember des neuen Jahres seinen alten Urlaub geltend machen. Mit Geld darf der Erholungsanspruch nicht ausgeglichen werden, schreibt das Bundesurlaubsgesetz vor. Außer, der Erholungsurlaub kann wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr ganz oder teilweise gewährt werden. Dann darf der Urlaubsanspruch ausgezahlt werden.


Mehr zum Thema:


→ Was ist bei Urlaub und Krankheit zu beachten?
Wer im Urlaub krank wird, sollte sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen. Seit dem 7. Dezember 2023 ist die telefonische Krankschreibung für Patient:innen für leichte Erkrankungen unbefristet gültig. Wer mit Erkältung und Fieber im Hotelbett liegt, ruft seine Hausärztin bzw. seinen Hausarzt an. Die Praxis übermittelt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung digital an den Arbeitgeber; die Krankheitstage werden vom Urlaub storniert, man kann diese Tage also nachholen. Allerdings muss der Arbeitgeber die Urlaubstage nicht gleich im Anschluss an den Urlaub gewähren. Das Unternehmen kann darauf bestehen, dass man diese Tage neu beantragt. Dann gilt wieder die Reihenfolge beim Urlaubsanspruch. Das heißt, es ist gut möglich, dass man die Krankheitstage dann erst im November nachholen kann.

Bei mehreren Jahren Krankheit verfällt der Urlaub nach 15 Monaten

Bei langer Krankheit hat das BAG die Rechtsprechung seit den 1970er-Jahren immer wieder geändert, bis der Europäische Gerichtshof einen Rahmen vorgab, den das BAG noch einmal genauer definierte. Seither gilt: Wenn Beschäftigte länger krank sind und ihren Urlaub nicht innerhalb eines Kalenderjahres nehmen können, verfällt der Urlaub nicht. Er kann in den sogenannten Übertragungszeitraum mitgenommen werden – das sind meist die ersten drei Monate des neuen Jahres. Wenn man dann immer noch krank ist, bleibt der Urlaubsanspruch für 15 Monate nach Ablauf des entsprechenden Urlaubsjahres erhalten. Bei mehreren Jahren Krankheit verfällt der Urlaub nach 15 Monaten, außer die Urlaubstage aus dem Jahr, in dem der Mitarbeitende tatsächlich gearbeitet hat. Einen Anspruch auf Auszahlung haben Mitarbeitende nach einer Langzeiterkrankung, wenn sie aus dem Unternehmen ausscheiden und noch Urlaubsansprüche offen sind.

→ Kann man seinen Urlaubsanspruch zu einem neuen Arbeitgeber mitnehmen?
Seinen neuen Job mit drei Wochen Urlaub antreten? Das ist möglich, denn man kan seinen Urlaubsanspruch auf einen neuen Arbeitgeber übertragen. Ein Arbeitgeberwechsel soll aber nicht zu einer “Urlaubsvermehrung” führen. Daher können Unternehmen eine Urlaubsbescheinigung des bisherigen Arbeitgebers sehen wollen. Das kann dazu führen, dass man im neuen Job keinen Urlaub mehr hat, wenn man den Jahresurlaub im alten Job schon genommen hat. Bei einer Kündigung muss man den Urlaub vor Ende des Beschäftigungsverhältnisses komplett nehmen oder auszahlen lassen.

Mehr Informationen im SPIEGEL-Bestseller:

Cover Was Chefs nicht dürfen (und was doch)

 

Was Chefs nicht dürfen – und was doch
von Sabine Hockling und Ulf Weigelt
Ullstein Verlag (1. Auflage, Juni 2017)
9,99 Euro (D)
ISBN 978-3-548-37694-3

 


Wir übernehmen keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Rechtsinhalte. Insbesondere ersetzten die Beiträge grundsätzlich nicht eine fachkundige Rechtsberatung.


Wir sind der Wandel-Newsletter

Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.