Stellenabbau, Rezession, Rausekeln: In Krisenzeiten trennen sich viele Firmen von Mitarbeitenden. Wir erklären, worauf es bei einer Abfindung ankommt.
In wirtschaftlich schwierigen Zeiten setzen Konzerne wie Bayer und Volkswagen auf großzügige Abfindungsprogramme, um Personal abzubauen. Bayer bietet Mitarbeitenden, die freiwillig gehen, bis zu 52,5 Monatsgehälter – ein Angebot, das vor allem langjährige Beschäftigte locken soll. Volkswagen zahlt in Einzelfällen über 450.000 Euro. Diese Programme sind Teil eines strategischen Umbaus, der Kosten senken und die Unternehmen auf Digitalisierung und Elektromobilität ausrichten soll. Doch wann lohnt es sich, ein solches Angebot anzunehmen?
Eine Abfindung ist eine freiwillige Zahlung des Arbeitgebers, um das Arbeitsverhältnis zu beenden. Sie ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sondern entsteht meist durch Verhandlungen – etwa bei einem Aufhebungsvertrag oder Sozialplan. Unternehmen bieten Abfindungen oft an, wenn sie Stellen abbauen wollen, aber keine ausreichenden Kündigungsgründe haben. Das deutsche Kündigungsschutzrecht ist streng: Wer länger als sechs Monate im Betrieb arbeitet und in einem Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitenden beschäftigt ist, genießt besonderen Schutz. Eine betriebsbedingte Kündigung muss gut begründet sein – etwa durch den Wegfall von Arbeitsplätzen. Fehlen solche Gründe, ist eine einvernehmliche Trennung mit Abfindung oft der pragmatischere Weg.
Faktor 0,5 ist die Untergrenze
Ob eine Abfindung sinnvoll ist, hängt von mehreren Faktoren ab. Zunächst zählt die Höhe der Zahlung. Sie orientiert sich oft an der Faustformel: ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. In Programmen wie bei Bayer oder VW liegen die Sätze jedoch oft höher – teils beim Eineinhalbfachen oder mehr. Für langjährige Mitarbeitende können so beträchtliche Summen zusammenkommen Auch das Alter spielt eine Rolle: Wer kurz vor der Rente steht, kann mit einer Abfindung den Übergang in den Ruhestand absichern. Jüngere Beschäftigte sollten hingegen genau abwägen, ob sie auf ein sicheres Arbeitsverhältnis verzichten – besonders bei unsicheren Jobperspektiven.
Auch die Auszahlungsform ist wichtig. Abfindungen können als Einmalzahlung oder in Raten erfolgen. Manche Unternehmen kombinieren sie mit einer bezahlten Freistellung, bei der der Mitarbeitende bis zum Austrittsdatum Gehalt bezieht, aber nicht mehr arbeitet. Steuerlich und sozialversicherungsrechtlich gibt es Unterschiede: Abfindungen sind steuerpflichtig, aber nicht sozialversicherungspflichtig – es sei denn, sie ersetzen laufendes Gehalt, etwa bei einer Freistellung.
Kündigungen sind oft angreifbar
Um die Steuerlast zu senken, kann die Fünftelregelung helfen. Sie verteilt die Abfindung rechnerisch auf fünf Jahre und mildert so den Progressionseffekt. Voraussetzung ist, dass die Zahlung außerordentlich erfolgt – also nicht regelmäßig und nicht zusammen mit dem Gehalt. Oft lohnt es sich, die Abfindung in einem separaten Kalenderjahr auszahlen zu lassen. Hier können Steuerberater:innen oder Fachanwält:innen wertvolle Tipps geben.
Ein Abfindungsangebot sollte nicht vorschnell angenommen werden. Wer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Kündigung hat, kann klagen. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob die Kündigung wirksam ist. Häufig endet ein solcher Prozess mit einem Vergleich – und einer höheren Abfindung als ursprünglich angeboten. Doch dieser Weg birgt Risiken: Verliert man, bleibt man ohne Job und ohne Abfindung. Zudem kann sich ein Rechtsstreit über Monate hinziehen.
Manche Beschäftigte wollen gar nicht gehen, auch wenn das Unternehmen sie loswerden will. In solchen Fällen können sie die Abfindung ablehnen. Der Arbeitgeber müsste dann kündigen und die Kündigung vor Gericht verteidigen. Gerade bei langjährig Beschäftigten mit gutem Kündigungsschutz ist das für Unternehmen riskant. Deshalb versuchen sie, mit attraktiven Angeboten eine einvernehmliche Lösung zu finden.
- Abfindung trotz Holocaust-Vergleich
- Welche Rechte haben Mitarbeitende bei Kündigungen?
- Dossier Kündigung
Sozialplan und Interessensausgleich bei großem Stellenabbau
Große Abfindungsprogramme werden meist kollektivrechtlich verhandelt. Der Betriebsrat spielt dabei eine Schlüsselrolle. Er handelt mit dem Arbeitgeber einen Interessenausgleich und einen Sozialplan aus. Darin wird geregelt, wer gehen darf, wie hoch die Abfindungen sind und welche weiteren Leistungen – etwa Qualifizierungsmaßnahmen oder Transfergesellschaften – angeboten werden. In tarifgebundenen Unternehmen sind oft auch Gewerkschaften beteiligt. Kommt es zu keiner Einigung, entscheidet eine Einigungsstelle.
Beschäftigte sollten gut überlegen, ob sie eine Abfindung selbst verhandeln oder sich juristisch beraten lassen. Bei hohen Summen oder komplexen Fällen sind Fachanwält:innen für Arbeitsrecht ratsam. Sie können die rechtliche Lage prüfen und bessere Konditionen aushandeln – etwa eine höhere Abfindung, eine steuerlich günstigere Auszahlungsform oder eine längere Freistellung. Die Kosten für Anwält:innen richten sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz oder einer Honorarvereinbarung. Sie können oft als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses stehen.
Eine Abfindung kann ein attraktives Angebot sein – vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen Unternehmen Personal abbauen, ohne harte Kündigungsgründe zu haben. Doch sie ist kein Selbstläufer. Wer ein solches Angebot erhält, sollte es genau prüfen, steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Folgen bedenken und bei Bedarf professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Denn es geht nicht nur um Geld, sondern auch um Perspektiven, Sicherheit und die berufliche Zukunft.
Wir übernehmen keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Rechtsinhalte. Insbesondere ersetzten die Beiträge grundsätzlich nicht eine fachkundige Rechtsberatung.