„Identifikation und Zugehörigkeit sind der Klebstoff zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden“

Gruppe geht Berg herunter

New Work Enablement zielt darauf ab, eine Arbeitskultur zu schaffen, in der Mitarbeitende selbstbestimmt, sinnstiftend und mit mehr Autonomie arbeiten. Wie das praktisch gelingt, erklärt Organisationsentwicklerin Diana Mynarek im Interview.

Die Arbeitswelt wandelt sich grundlegend. Begriffe wie Digitalisierung, Agilität und hybride Arbeitsmodelle bestimmen die Diskussion über die Zukunft der Arbeit. Doch wie setzen Unternehmen diese Konzepte um? Die Antwort: New Work Enablement. Dieser Ansatz hilft Unternehmen, den kulturellen, technologischen und organisatorischen Wandel aktiv zu gestalten und ihre Mitarbeitenden auf die neue Arbeitswelt vorzubereiten.

New Work: Mehr als ein Buzzword

Der Begriff „New Work“ geht auf den Sozialphilosophen Frithjof Bergmann zurück und beschreibt eine Arbeitsweise, die Sinnhaftigkeit, Selbstverwirklichung und Flexibilität betont. In der Praxis bedeutet das, dass Mitarbeitende Verantwortung übernehmen und ihre Arbeit aktiv mitgestalten. Arbeit wird nicht mehr nur als Mittel zum Zweck gesehen, sondern als Raum für Kreativität und Innovation. Unternehmen stellen ihren Mitarbeitenden die Werkzeuge und Freiheiten bereit, um ihr Potenzial zu entfalten.

Doch wie wird dieses Ideal Wirklichkeit? Hier greift New Work Enablement. Die drei Säulen des New Work Enablements:

  1. Technologie als Enabler: Moderne Technologien sind das Rückgrat des New Work Enablements. Cloud-basierte Plattformen ermöglichen die nahtlose Zusammenarbeit über Standorte hinweg. Automatisierungslösungen reduzieren monotone Aufgaben, sodass Mitarbeitende sich auf kreative und strategische Tätigkeiten konzentrieren können. Wichtig ist die Integration dieser Tools in die Arbeitsprozesse. Technologie sollte dabei die Arbeit erleichtern, nicht Selbstzweck sein.
  2. Kultur und Führung im Wandel: Technologischer Fortschritt allein reicht nicht. Ein zentrales Element von New Work Enablement ist der Wandel der Unternehmenskultur. Vertrauen, Offenheit und Transparenz stehen im Mittelpunkt. Klassische Hierarchien weichen einer Kultur der Zusammenarbeit, in der Führungskräfte als Coaches agieren. Diese Kultur fördert nicht nur Innovation, sondern auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Studien zeigen, dass Unternehmen mit flachen Hierarchien und offener Feedbackkultur erfolgreicher sind – ein klarer Wettbewerbsvorteil in Zeiten des Fachkräftemangels.
  3. Flexibilität und hybride Arbeitsmodelle: Flexibilität ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Hybride Arbeitsmodelle, die Homeoffice und Büroarbeit kombinieren, sind zentral für New Work Enablement. Dabei geht es nicht nur um den Arbeitsort, sondern auch um die Arbeitsweise: Flexible Arbeitszeiten, projektbasierte Teams und Co-Working-Strukturen ermöglichen individuelle Anpassung und fördern die Produktivität.Warum sich die Investition in New Work Enablement lohnt

Unternehmen, die New Work Enablement ernst nehmen, schaffen die Basis für nachhaltigen Erfolg. Sie profitieren von höherer Mitarbeiterbindung, denn eine moderne Arbeitsweise zieht Talente an. Auch die Resilienz steigt, da Flexibilität und Agilität helfen, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Zudem steigert sich die Innovationskraft, denn wertgeschätzte und unterstützte Mitarbeitende bringen bessere Ideen ein.

Jetzt den Wandel gestalten

New Work Enablement ist mehr als ein Trend – es ist eine Notwendigkeit. Unternehmen, die den Wandel aktiv angehen, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil in einer sich ständig entwickelnden Arbeitswelt. Die Investition in Technologie, Kulturwandel und flexible Strukturen zahlt sich aus – für Mitarbeitende und Unternehmen. Wer jetzt die Weichen stellt, legt den Grundstein für eine erfolgreiche Zukunft. Wie das in der Praxis funktioniert, erzählt die erfahrene Organisationsentwicklerin Diana Mynarek im Interview.

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht

Wir sind der Wandel: Mit welchem Bedürfnis kommen Unternehmen auf Sie zu?

Diana Mynarek: Unternehmen wenden sich oft an mich, wenn die Fluktuation steigt oder die Krankenstände ihrer Beschäftigten zunehmen. Solche Probleme treten meist im Zuge von Change-Prozessen auf, die Umstrukturierungen, strategische Neuausrichtungen oder Firmenfusionen anstreben.

Die Bedeutung einer angemessenen Reaktion auf hohe Fluktuationsraten zeigt die Berechnung des Wirtschaftspsychologen Gunther Wolf. Seine Analyse 2019 ergab, dass der Verlust einer Fachkraft ein Unternehmen durchschnittlich etwa 36.000 Euro kostet. Diese Summe dürfte heute sogar noch höher liegen. Unternehmen, die glauben, dass der Weggang einiger Mitarbeitender während eines Change-Prozesses verkraftbar sei, sollten diese erheblichen finanziellen Auswirkungen sorgfältig abwägen.

Wir sind der Wandel: Was ist Ihre Aufgabe, wenn Unternehmen Sie rufen?

Mynarek: Als Organisationsentwicklerin und Executive Coach begleite ich Unternehmen und deren Führungskräfte durch komplexe Transformationsprozesse. Mein Ansatz verbindet dabei Entschlossenheit mit Feingefühl: Auch wenn durchgreifende Maßnahmen nötig sind, setze ich stets auf behutsames Vorgehen und schrittweise Implementierung. Der Schlüssel zum Erfolg liegt meiner Meinung nach in der Balance zwischen konsequenter Umsetzung und Flexibilität.

“Erfahrungsgemäß divergiert die Wahrnehmung der Führungskräfte oft von den tatsächlichen Anliegen der Belegschaft”

Wir sind der Wandel: Wie sieht Ihre Arbeit konkret aus?

Mynarek: Mein Ansatz beginnt mit einer Anforderungsanalyse. Bei mittelständischen Unternehmen tausche ich mich direkt mit der Geschäftsführung aus, während ich in Konzernen vor allem eng mit HR-Verantwortlichen zusammenarbeite. Ziel ist es, die Kernherausforderungen aus Sicht der Führungsebene zu identifizieren. Dieses Konzept ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Erfahrungsgemäß divergiert die Wahrnehmung der Führungskräfte oft von den tatsächlichen Anliegen der Belegschaft. Um ein ganzheitliches Bild zu erhalten, ergänze ich die Analyse durch anonyme Mitarbeiterbefragungen oder vertrauliche Einzelgespräche. Das deckt die wahren Schmerzpunkte der Beschäftigten auf. Und auch wenn dabei lange verborgene Themen ans Licht kommen, geht dies häufig mit einem Gefühl der Erleichterung bei den Beschäftigten einher. Denn sobald Probleme offen auf dem Tisch liegen, können sie konstruktiv angegangen und gelöst werden.

Wir sind der Wandel: Wie können Unternehmen Führungskräfte und Mitarbeitende konkret für New Work begeistern?

Mynarek: Es gilt zunächst, jene zu begeistern, die den Change-Prozess steuern – eine Herausforderung, die nicht zu unterschätzen ist. Weil der Weg des Wandels mit Inspiration beginnt, sind oft umfassende Coachings, interaktive Workshops und gezielte Trainings erforderlich. Begegne ich dabei einem Mitarbeitenden, der sich dem Wandel verschließt – sei es aus Sturheit oder aufgrund von Differenzen mit der Führungsebene – ist ein individueller Ansatz gefragt. Hier ist es entscheidend, behutsam in die Gedankenwelt des Betreffenden einzutauchen. Nur so lassen sich seine Beweggründe, seine Persönlichkeit und seine Ziele wirklich verstehen. Diese sensible Herangehensweise ermöglicht es, Barrieren abzubauen.


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Wir sind der Wandel: Wie lassen sich Maßnahmen so vermitteln, dass es gar nicht erst zu einer „Welle des Protests“ kommt?

Mynarek: Wichtig ist, die Notwendigkeit von Maßnahmen klar zu kommunizieren. Wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, ohne ehrliche Erklärungen oder nachvollziehbare Gründe, kann dies zu einer Entfremdung vom Unternehmen führen.

Identifikation und Zugehörigkeit sind der Klebstoff zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden. Zwar ist es vielen wichtig, dass ihre Vergütung nicht unter dem Durchschnitt liegt, doch für die meisten Beschäftigten ist das Gehalt nicht der ausschlaggebende Faktor, bei einem Arbeitgeber zu bleiben. Diese erwiesene Tatsache ist vielen Führungskräften nicht bewusst.

Es ist außerdem essenziell zu verstehen, dass Menschen von ganz unterschiedlichen Antrieben geleitet werden. Diese lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: das Leistungsmotiv, das Bindungsmotiv und das Machtmotiv. Eine erfolgreiche Führungskraft berücksichtigt diese verschiedenen Antriebsquellen und passt ihren Führungsstil entsprechend an, um das Beste aus jedem Teammitglied herauszuholen.

“Jede Veränderung birgt zunächst das Potenzial, Angst und Schrecken bzw. ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen”

Wir sind der Wandel: Was muss man bei der Umsetzung der Veränderungen beachten?

Mynarek: Einerseits ist es wichtig, die Vorteile der bevorstehenden oder bereits implementierten Veränderungen zu kommunizieren. Jede Veränderung birgt zunächst das Potenzial, Angst und Schrecken bzw. ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen. Daher ist ein Fokus auf die positiven Aspekte unabdingbar. Andererseits schätzen es Beschäftigte, wenn sie das Gefühl haben, Einfluss auf ihre Arbeit und ihr Umfeld nehmen zu können. Der Verlust dieses Gefühls der Selbstwirksamkeit kann äußerst demotivierend wirken. Daher ist eine offene und inklusive Kommunikationskultur wichtig.

Das heißt nicht, dass jeder Beschäftigte in sämtliche Entscheidungsprozesse eingebunden werden muss. Vielmehr geht es darum, das „Warum“ hinter Maßnahmen und Entscheidungen so transparent und einfühlsam wie möglich zu vermitteln. Eine klare und verständliche Kommunikation hilft, Verständnis und Akzeptanz zu fördern. Ein effektives Entscheidungsmanagement spielt dabei eine zentrale Rolle. Indem Führungskräfte diese Ziele, Herausforderungen, mögliche Auswirkungen und nicht zuletzt Vorteile von Entscheidungen offen kommunizieren, schaffen sie Vertrauen und stärken das Gefühl der Mitarbeitenden, Teil des Gesamtprozesses zu sein. Durch diese Herangehensweise wird nicht nur die Arbeitszufriedenheit gesteigert, sondern auch die Motivation und Leistungsbereitschaft nachhaltig und nachweislich gefördert.


Dieses Interview ist im Zuge unserer Medienkooperation mit dem Face-Club entstanden. Auf journalistische Inhalte der WIR SIND DER WANDEL-Redaktion haben Geschäftspartner von WIR SIND DER WANDEL keinerlei Einfluss.


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.