aerogel-it revolutioniert mit biobasierten Hochleistungsdämmstoffen die Industrie und ebnet so den Weg zu mehr Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. CEO Dr. Marc Fricke spricht im Interview über die Herausforderungen und Chancen auf dem Weltmarkt.
Ob aus Klimaschutzgründen oder aufgrund von hohen Energiepreisen, eine effiziente Wärmedämmung wird immer wichtiger. Das hat Dr. Marc Fricke bereits vor über 15 Jahren erkannt. Als Laborleiter in der Kunststoffsparte der BASF entwickelte er einen Hochleistungsdämmstoff auf Basis eines Polyurethan-Aerogels. Das Besondere daran: Mit dieser hocheffizienten Wärmedämmlösung ist eine sehr hohe Energieeffizienz möglich. Ferner ist der Hochleistungsdämmstoff sowohl innen als auch außen einsetzbar und durch einen neuen Produktionsprozess erstmalig auch als Platte herstellbar.
Eine Entwicklung, die auf dem Weltmarkt einzigartig ist
Diese Technologie hat Fricke 2021 mit seinem ehemaligen BASF-Kollegen Dr. Dirk Weinrich sowie Aerogelexperten der Technischen Universität Hamburg und zwei Unternehmensberatern in ein eigenständiges Unternehmen, der aerogel-it GmbH, ausgründet. Dabei war ihnen nicht nur die Energieeffizienz und CO2-Einsparung ihrer Produkte wichtig. Sie legten auch Wert auf eine rein biologische und nachhaltige Rohstoffbasis. Deshalb haben sie eine Möglichkeit entwickelt, aus jedem Biopolymer, also aus jedem Rohstoff, den uns die Natur zur Verfügung stellt (z.B. Zucker, Proteine), Aerogele herzustellen. Eine Entwicklung, die auf dem Weltmarkt einzigartig ist.
Und die für Unternehmen enorm bedeutend ist. Denn alle Industrien müssen langfristig dekarbonisieren, die Rohstoffbasis für ihre Produkte aus CO2-armen Rohstoffen beziehen und kreislauffähig machen. Und hier kommen die Produkte der aerogel-it aus nicht-fossiler Rohstoffbasis und höchster Energieeffizienz ins Spiel. Das nämlich spart nicht nur in der Produktanwendung aufgrund der Wärmedämmeigenschaften CO2 ein, es sorgt auch für eine hervorragende Umweltbilanz, wie es bisher noch nicht möglich war. Wie das genau geht, erzählt Fricke, CEO und Co-Founder des Climate-Tech-Unternehmens, im Interview.
Wir sind der Wandel: Was genau macht die aerogel-it GmbH?
Marc Fricke: Ob Bauindustrie, Logistikbranche oder Fahrzeugindustrie, alle stehen vor der gewaltigen Aufgabe, Energie einzusparen, CO2 Emissionen zu reduzieren und klimaneutral zu werden. Der Verbrauch von Ressourcen, der hohe Energiebedarf bei der Herstellung und dem Betrieb sowie resultierende Abfallströme zwingen Unternehmen zu einem Veränderungsdruck. Das sorgt weltweit für einen enormen Bedarf an nachhaltigen, hocheffizienten Materiallösungen – und die haben wir bei aerogel-it entwickelt. Denn uns ist es gelungen, erstmalig Hochleistungsdämmstoffe aus rein natürlichen Rohstoffen zu entwickeln. Damit sind wir weltweit das einzige Unternehmen, das eine Aerogel-Dämmung auf rein biobasierten Rohstoffen herstellt.
„Durch den Zusammenschluss kommen wir schneller voran, als wenn wir es allein stemmen würden“
Wir sind der Wandel: Wenn die Technologie so gut ist, warum wird sie nicht flächendeckend eingesetzt?
Fricke: Das liegt einerseits an unseren Wettbewerbern, die seit Jahrzehnten mit ihren Dämmstoffen den Markt beherrschen. Andererseits an den Kosten. Noch ist unser Produkt mehr als doppelt so teuer. Wir wissen aber bereits heute, wenn wir skalieren, werden wir preislich in die Nähe der heutigen Dammstoffe kommen. Einen ähnlichen Entwicklungsweg hat übrigens Styropor genommen. Das war in 1950er-Jahren auch noch kein Allerweltsprodukt. Dabei funktioniert unser Handelsgeschäft mit Aerogelen – allerdings nicht mit biobasierten – bereits jetzt. Das heißt, wir bieten Aerogel-Produkte für feuerfeste bzw. Hochtemperatur-Anwendungen oder als Hitzeschild für Elektrobatterien an.
Wir sind der Wandel: Wenn Sie in Deutschland der einzige Hersteller von biobasierten Aerogelen sind, stellt dann nicht der Zulassungsprozesse eine große Herausforderung dar?
Fricke: Das stimmt, allerdings haben wir in unserer Zeit bei BASF bereits ausreichend Erfahrungen mit Zulassungsprozessen sammeln können, denn für die kunststoffbasierten Aerogele mussten wir seinerzeit auch den Zulassungsprozess durchlaufen. Ein Vorteil, den wir jetzt haben: Wir können auf Projektpartner der Vergangenheit zurückgreifen. Dazu zählt zum Beispiel das Unternehmen Kahnt und Tietze. Mit deren Fassadenelementen aus Carbonfaser bewehrtem Beton und unserer Aerogel-Dämmung kann man so schlank bauen wie nie zuvor. Das zeigen wir gemeinsam zum Beispiel im ersten Carbonbeton-Gebäude in Dresden. Ferner entsteht dieses Jahr das erste Mehrfamilienhaus aus Cabonbeton in Leipzig, welches wir gemeinsam mit Kahnt und Tietze umsetzen. Einzelzulassungen erhalten wir also entsprechend, aber noch keine bauaufsichtlichen Zulassungen. Durch den Zusammenschluss jedoch kommen wir schneller voran, als wenn wir es allein stemmen würden.
„Wir brauchen weniger Unterstützung durch die Politik als vielmehr bei der Skalierung“
Wir sind der Wandel: Fehlt Ihnen die Unterstützung durch die Politik?
Fricke: Wir brauchen weniger Unterstützung durch die Politik als vielmehr bei der Skalierung. Denn wir sind kein klassisches Start-up, sondern bieten eine neue Technologie. Das heißt, wir wollen neue Industrieanlagen aufbauen und nicht nur eine Idee umsetzen. Um beispielsweise eine Demoanlage aufbauen zu können, benötigen wir zunächst finanzielle Mittel im einstelligen Millionenbereich. Hier sollte die Wahl des Investors gut überlegt sein. Am Ende muss es für beide Seiten passen.
Für uns hat sich bewährt, so lange wie möglich unabhängig zu bleiben. Auch, um das Unternehmen erst einmal weiterzuentwickeln. Hinzu kommt, dass Risikokapitalgeber ihre Checkliste haben. Da muss man reinpassen. Das hat bisher bei uns noch nicht hundertprozentig gepasst.
Auch ist eine Hürde, dass wir so breit aufgestellt sind. Etwas, was Investor:innen nicht mögen. In ihren Augen sollten wir uns fokussieren. Wir aber möchten aktuell noch keine Branche ignorieren, weil es einfach noch zu viele interessante Opportunitäten gibt, in denen wir einen Beitrag leisten können. Deshalb sind wir aktuell noch sehr breit aufgestellt. Daran glauben wir und lassen uns davon nicht abbringen.
Wir sind der Wandel: Würden Sie für die Finanzierung aus Deutschland weggehen?
Fricke: Wir haben in die USA und in Kanada gute Kontakte sowie Kund:innen, die bereits erste Bioaerogel von uns beziehen. Es gibt also die Möglichkeit, woanders Kapazitäten aufzubauen. Die erste Anlage aber würden wir gerne in Deutschland aufbauen. Vor allem auch, um zeigen zu können, was technologisch möglich ist.
Dieses Interview ist im Zuge unserer Medienkooperation mit dem Face-Club entstanden. Auf journalistische Inhalte der WIR SIND DER WANDEL-Redaktion haben Geschäftspartner von WIR SIND DER WANDEL keinerlei Einfluss.