Frauen in Führung: DAX-Konzerne verharren in alten Mustern

2 Frauen gehen eine Treppe runter

Die aktuellen CSRD-Berichte offenbaren: In den DAX-Unternehmen stellen Frauen nur 28,5 Prozent der Top-Führungskräfte. Der Gender Pay Gap bleibt groß – mehr Transparenz sorgt zwar für Bewegung, doch echte Fortschritte bleiben die Ausnahme.

Seit diesem Jahr veröffentlichen die meisten DAX-Konzerne ihre Nachhaltigkeitsberichte nach den Vorgaben der neuen EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). Dabei geben sie auch den Frauenanteil in der obersten Führungsebene an. Insgesamt arbeiten in den berichtenden DAX-Unternehmen 51.074 Personen auf dieser Ebene, davon 14.543 Frauen – ein Anteil von 28,5 Prozent. Zum Vergleich: In der Gesamtbelegschaft liegt der Frauenanteil im Durchschnitt bei 33,1 Prozent.

Die meisten Unternehmen definieren die oberste Führungsebene als eine oder zwei Ebenen unterhalb der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane. Bei 64,5 Prozent der Unternehmen ist der Frauenanteil in der Führungsebene deutlich niedriger als in der Gesamtbelegschaft – mindestens fünf Prozentpunkte weniger.

Große Unterschiede zwischen den Unternehmen

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtBesonders auffällig ist die Diskrepanz beim Gesundheitsdienstleister Fresenius: Dort liegt der Frauenanteil in der Belegschaft bei 67,4 Prozent, in der obersten Führungsebene jedoch nur 28,2 Prozent – eine Differenz von 39,2 Prozentpunkten. Umgekehrt zeigt sich beim Energiekonzern RWE ein anderes Bild: Während nur 20,8 Prozent der Belegschaft weiblich sind, beträgt der Frauenanteil in der Führungsebene 33,3 Prozent. Auch bei Heidelberg Materials, BMW und Airbus ist der Frauenanteil in der Chefetage höher als in der Gesamtbelegschaft, allerdings nur geringfügig – bedingt durch den insgesamt niedrigen Frauenanteil in der Belegschaft.

Diese Ergebnisse stammen aus einer Studie von EY-Parthenon, die die CSRD-Berichte der DAX-Unternehmen ausgewertet hat. Einige Unternehmen legten jedoch keine entsprechenden Kennzahlen offen, da sie diese im Rahmen der doppelten Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD als unwesentlich einstuften. Sieben DAX40-Unternehmen wurden zudem von der Analyse ausgeschlossen, darunter Siemens, Siemens Energy, Siemens Healthineers, Infineon, Porsche Automobil Holding, Symrise und Qiagen, da sie entweder ein abweichendes Geschäftsjahr haben, ihre Berichte verspätet veröffentlichten oder nicht nach CSRD berichteten.

Erfolge bleiben begrenzt

Janine Bartsch, Senior Managerin bei EY-Parthenon, sieht in der Veröffentlichung der CSRD-Berichte einen wichtigen Schritt zu mehr Transparenz. Sie betont jedoch: „Wir sehen seit vielen Jahren oft sehr intensive Bestrebungen der Unternehmen, den Frauenanteil im Vorstand und im oberen Management zu steigern. Aus vielerlei Gründen sind diese Bemühungen aber oft nur begrenzt erfolgreich. Das kann unter anderem mit Themen wie Kinderbetreuung, traditionellen Rollenbildern und entsprechenden individuellen Karriereentscheidungen zusammenhängen. Aber wir sehen auch, dass die Strukturen in vielen DAX-Konzernen offenbar nicht ausreichend darauf ausgerichtet sind, Frauen den Weg in eine Führungsposition zu erleichtern. Dazu gehört auch oft das Fehlen von entsprechenden Netzwerken und starken Vorbildern. Auch Vorurteile gegenüber der Leistungsfähigkeit und Kompetenz von Frauen können eine Rolle spielen, ebenso wie eine entsprechende Unternehmenskultur, die Vielfalt nicht fördert.“


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Frauenanteil in der Belegschaft sinkt

Der Frauenanteil in den Belegschaften der DAX-Unternehmen ist in den letzten Jahren sogar leicht gestiegen: von 34,1 Prozent im Jahr 2021 auf 33,1 Prozent im Jahr 2024. Nur fünf Unternehmen konnten den Frauenanteil steigern, bei 26 sank er, bei zwei blieb er konstant. „Insgesamt gelingt es den DAX-Konzernen nicht ausreichend, den Frauenanteil in der Belegschaft zu steigern. Das ist nicht unbedingt immer den Unternehmen anzulasten, denn der Rückgang der Frauenquote kann auf sehr viele Faktoren zurückzuführen sein. Aber im Ergebnis ist die Entwicklung enttäuschend. Man kann nicht darauf hoffen, dass der Frauenanteil im auf oberster Führungsebene steigt, wenn gleichzeitig der Anteil der Mitarbeiterinnen sinkt. Die bisherigen Programme zur Stärkung der Attraktivität für weibliche Beschäftigte haben ihre Wirkung offenbar in vielen Fällen weitgehend verfehlt – da besteht auf jeden Fall Handlungsbedarf.“

Gender Pay Gap: Männer verdienen 14 Prozent mehr

Die DAX-Unternehmen berichten auch über den unbereinigten Gender Pay Gap, also den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. Männer verdienen im Durchschnitt 13,9 Prozent mehr als Frauen. Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Unterschied bei 16 Prozent.

Die Spannweite zwischen den Unternehmen ist groß: Bei Daimler Truck verdienen Frauen im Schnitt 15 Prozent mehr als Männer. In der Finanzbranche hingegen ist der Unterschied besonders hoch: Bei Munich Re und der Deutschen Börse verdienen Männer jeweils 29 Prozent mehr als Frauen, bei Hannover Rück liegen die Bruttogehälter der Männer 30 Prozent höher als die der Frauen, bei der Commerzbank sogar 30,5 Prozent. Den höchsten Gender Pay Gap weist die Deutsche Bank mit knapp 38,8 Prozent aus.

Transparenz als Chance

Die veröffentlichten Zahlen sind unbereinigt, berücksichtigen also weder Tätigkeiten noch Qualifikationen. Frauen arbeiten häufiger in Teilzeit und seltener in Führungspositionen, was den Lohnunterschied erklärt. Bartsch sieht in der Transparenz der CSRD-Berichte eine Chance: „Die Transparenz dank der jetzt veröffentlichten CSRD-Berichte hilft enorm, um sozialer Nachhaltigkeit – und dazu zählt ein möglichst geringer Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen – mehr Sichtbarkeit zu geben“, sagt Bartsch. „Unternehmen haben bei den ganzen Anforderungen zur Berichterstattung die Möglichkeit, von der erweiterten Transparenz zu profitieren und die Chance, durch Fairness und Gleichstellung nachhaltigen Unternehmenserfolg zu fördern. Denn wenn Unternehmen in soziale Nachhaltigkeit investieren, ergeben sich viele Vorteile. Zum Beispiel: Immer mehr Banken und Investoren koppeln Kreditvergaben und Investitionen an ESG-Kriterien. Und: Kosten lassen sich durch reduzierte Fluktuation und höhere Produktivität senken. Soziale Nachhaltigkeit stärkt das Vertrauen von Mitarbeitenden, Kund:innen und der Gesellschaft in das Unternehmen, was insbesondere in stark umkämpften Märkten von Vorteil ist. Es lohnt sich also auch für die Unternehmen, wenn sie den Gender Pay Gap weiter reduzieren.“

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