Trotz größerer Sichtbarkeit stoßen viele Frauen in Führungspositionen weiterhin auf Vorurteile und fehlende Netzwerke. Eine neue Studie belegt: Der Aufstieg an die Spitze lässt sich planen – doch er gelingt nicht von selbst.
Frauen in Spitzenpositionen gelten als Gradmesser für Gleichstellung und als Erfolgsfaktor für Unternehmen. Doch der Aufstieg in die Führungsetagen bleibt oft mühsam. Die globale Studie „Women Leaders: How Far Have We Come?“ von Spencer Stuart, basierend auf der Befragung von über 2.300 weiblichen Führungskräften weltweit, zeigt ein gemischtes Bild: Trotz individueller Erfolge und wachsender Sichtbarkeit erleben viele Frauen Stagnation oder Rückschritte beim gesellschaftlichen und organisatorischen Wandel.
Die Mehrheit der befragten Frauen arbeitet auf C-Level-Niveau – 14 Prozent als CEOs – und bringt Erfahrung in P&L-Verantwortung sowie in Aufsichtsgremien mit. Dennoch sehen nur knapp die Hälfte Fortschritte im Arbeitsklima für Frauen in den letzten fünf Jahren. Besonders in Nordamerika überwiegt die Skepsis: 57 Prozent der Frauen in den USA und 58 Prozent in Kanada empfinden die Entwicklung als stagnierend oder rückläufig. In Asien und Lateinamerika hingegen herrscht mehr Optimismus, was auf regionale Fortschritte bei Diversity-Initiativen zurückzuführen sein könnte.
Weibliche Führungskräfte gestalten ihre Karriere aktiv
Auffällig ist, dass Frauen ihren eigenen Arbeitsplatzes oft positiver bewerten als die Branche insgesamt. 57 Prozent schätzen das Klima in ihrem Unternehmen als „gut“ oder „exzellent“ ein. Viele fühlen sich in Entscheidungen eingebunden, gehört und authentisch. 84 Prozent vertrauen darauf, ihre beruflichen Ziele zu erreichen – allerdings nur gut die Hälfte innerhalb ihres aktuellen Arbeitgebers.
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Frauen planen ihre Karriere bewusst. Zwei Drittel der Befragten gaben an, ihren Weg aktiv gestaltet zu haben. Ihr Erfolg basiert nicht nur auf Leistung, sondern auch auf Netzwerken: Mentor:innen, formelle und informelle Kontakte sowie gezielte Karriereschritte spielen eine Schlüsselrolle. Besonders wichtig ist die Förderung durch männliche Sponsoren, die in männlich dominierten Machtstrukturen oft den entscheidenden Unterschied machen. Fast ein Drittel der Frauen nennt einen männlichen Sponsor als wichtigsten externen Karrieretreiber.
Zugang zu Machtstrukturen aktiv öffnen
Trotz wachsender Sichtbarkeit von Frauen in Spitzenpositionen bleiben strukturelle Barrieren bestehen. Unbewusste Voreingenommenheit gilt weiterhin als Hindernis: 50 Prozent der Frauen sehen Bias als Karrierehindernis, 17 Prozent sogar als größtes Hindernis. Dabei geht es nicht nur um offene Diskriminierung, sondern auch um subtile Formen wie höhere Leistungserwartungen, stereotype Annahmen über Mobilität oder Karriereambitionen und den Ausschluss aus informellen Netzwerken. Solche Muster benachteiligen Frauen systematisch und fördern die Vergabe von Führungspositionen auf Basis von Beziehungen statt Leistung.
Ein bemerkenswerter Befund der Studie ist die Bedeutung von P&L-Verantwortung. Viele Frauen sehen diese Erfahrung nicht als Hauptgrund für ihren Erfolg, betonen aber ihre nachhaltige Wirkung. Wer früh – idealerweise in den ersten fünf Berufsjahren – Marktverantwortung übernimmt, stärkt seine Karriereplanung, sein Selbstbewusstsein und seine Sichtbarkeit im Unternehmen. P&L-Rollen schärfen den strategischen Blick und erhöhen die Chancen auf Top-Positionen.
Spencer Stuart betont, dass Unternehmen gezielt handeln müssen, um den Anteil von Frauen in Führungspositionen zu steigern. Neben individuellen Anstrengungen braucht es strukturelle Veränderungen: transparente Beförderungsmechanismen, Leadership-Programme, Rotationserfahrungen und Executive Coaching. Männer, die als Sponsoren agieren, sollten ihre Netzwerke für Frauen öffnen. Organisationen müssen sich zudem mit eigenen Vorurteilen und Entscheidungsprozessen auseinandersetzen.
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Grenzen setzen, Selbstzweifel hinterfragen, Verantwortung übernehmen
Auch Frauen selbst sind gefordert: Wer die eigene Karriere aktiv steuert, Netzwerke knüpft und unbequeme Chancen ergreift, verbessert seine Aufstiegschancen erheblich. Dabei gilt es, Grenzen zu setzen, Selbstzweifel zu überwinden und Verantwortung zu übernehmen – etwa durch den Einstieg in generalistische Führungsrollen. Gleichzeitig mahnen viele Teilnehmerinnen zur Solidarität: Der berufliche Aufstieg sollte kein Konkurrenzkampf sein. Frauen sollten einander fördern und unterstützen.
Die Studie zeigt: Fortschritte sind sichtbar, aber nicht linear. Der Wandel verläuft ungleich und hängt von gesellschaftlichen wie politischen Dynamiken ab. Während einzelne Frauen beeindruckende Karrieren machen, bleibt die strukturelle Transformation eine Daueraufgabe. Unternehmen und Führungskräfte müssen gemeinsam handeln, um Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen. Der Weg in die Führungsetagen ist heute offener denn je – aber noch lange nicht selbstverständlich.