Kulturelle Vielfalt: Führungskräfte sehen wenig Handlungsbedarf

Menschen unterschiedlicher Herkunft

Führungskräfte in Deutschland schätzen den Bedarf an internationalen Arbeitskräften geringer ein als Wirtschaft und Politik. Dennoch betrachten sie kulturelle Vielfalt als Erfolgsfaktor.

Wirtschaft und Politik betonen oft den hohen Bedarf an internationalen Arbeitskräften, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen. Laut der diesjährigen Führungskräftebefragung der Wertekommission teilen deutsche Führungskräfte diese Einschätzung nur bedingt. Zwar sehen 43 Prozent der Befragten einen Bedarf an internationalen Arbeitskräften in ihrer Branche, aber nur 40 Prozent in ihrem Unternehmen und 34 Prozent in ihrem Arbeitsbereich. Jede dritte bis vierte Führungskraft erkennt aktuell keine oder nur eine geringe Notwendigkeit, internationale Arbeitskräfte zu gewinnen.

Etwa die Hälfte der Führungskräfte in Deutschland sieht keinen Handlungsbedarf, um die Anerkennung und den Umgang mit kultureller Vielfalt zu fördern. Lediglich ein Viertel der Befragten spricht sich für zusätzliches Engagement aus, um der kulturellen Vielfalt mehr Beachtung zu schenken. Ein weiteres Viertel sieht teilweise Handlungsbedarf.

Kulturelle Vielfalt als Erfolgsfaktor

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtGleichzeitig gaben die befragten Führungskräfte mehrheitlich an, dass sie kulturelle Vielfalt als Erfolgsfaktor sehen. 53 Prozent stimmten zu, dass der zukünftige Erfolg ihres Unternehmens von einer gelungenen Integration internationaler Arbeitskräfte abhängt. 56 Prozent sind überzeugt, dass kulturelle Vielfalt ein Unternehmen bereichert. 54 Prozent halten es für wichtig, dass einheimische Mitarbeitenden verstehen, dass kulturelle Vielfalt ein Erfolgsfaktor ist.

Auf die Frage nach der Verantwortung, eine offene und vorurteilsfreie Arbeitskultur zu etablieren, antworteten 74 Prozent der Führungskräfte, dass sie diese Aufgabe bei sich selbst sehen. Über 60 Prozent bezeichneten es als ihre Verantwortung, ein gutes Integrationsumfeld für internationale Arbeitskräfte zu schaffen und für eine hohe Akzeptanz kultureller Unterschiede zu sorgen. Weit mehr als die Hälfte sieht sich zudem in der Verantwortung, sich für eine vielfältige und offene Gesellschaft und für die Demokratie zu engagieren.

Antworten stark abhängig vom Management-Level

60 Prozent der befragten Führungskräfte meinen, dass kulturelle Vielfalt in ihrem Unternehmen bereits Realität ist, und 80 Prozent gaben an, dass es bereits Diversity-Maßnahmen gibt. Dazu zählen vor allem Sprachkurse, die gezielte Mischung von Arbeitsteams und die Förderung von Mitarbeiternetzwerken. Allerdings gaben auch 20 Prozent an, dass es in ihrem Unternehmen noch keine Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Vielfalt gibt.

„Eine genauere Analyse der Ergebnisse zeigt, dass das Antwortverhalten stark von der Management-Ebene abhängt“, erklärt Prof. Dr. Ludger Heidbrink, Vorstandsmitglied der Wertekommission. „Je höher die Management-Ebene, desto größer werden der Bedarf an internationalen Führungskräften, der Handlungsbedarf für Maßnahmen zur kulturellen Vielfalt und die Verantwortung für eine offene und vorurteilsfreie Arbeitskultur im Unternehmen eingeschätzt. Dies lässt erkennen, dass die Beschäftigung mit Themen wie internationale Rekrutierung und kulturelle Vielfalt mit der Nähe zur strategischen Unternehmensführung zunimmt. Führungskräfte in höheren Positionen erkennen stärker die langfristigen Vorteile einer vielfältigen Belegschaft und die Notwendigkeit, entsprechende Maßnahmen aktiv voranzutreiben.“

Kulturelle Empathie ausbaufähig

Im Rahmen der Studie bewerteten die Führungskräfte auch Aussagen zur kulturellen Empathie. Diese Fähigkeit, sich in die Perspektive von Personen mit einem anderen kulturellen Hintergrund hineinzudenken und zu fühlen, ist bei den befragten Führungskräften mittelmäßig ausgeprägt. Es gibt keine großen Unterschiede zwischen den Führungsebenen. Allerdings weisen weibliche Führungskräfte sowie Führungskräfte mit hohem formalen Bildungsniveau signifikant höhere Empathiewerte auf.


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„Die Ergebnisse der diesjährigen Führungskräftebefragung offenbaren, dass kulturelle Empathie keinen hohen Stellenwert im Management hat“, sagt Sven H. Korndörffer, Vorstandsvorsitzender der Wertekommission. „Dabei ist die Fähigkeit, sich in die Denk- und Handlungsweisen von Menschen anderer Kulturen hineinzuversetzen, eine zentrale Voraussetzung, um die Vorteile kultureller Vielfalt nutzen zu können. Unternehmen sollten daher die intellektuelle Auseinandersetzung mit verschiedenen Perspektiven und Lebenswelten fördern und ihren Führungskräften immer wieder Gelegenheit geben, multikulturelle Erfahrungen zu sammeln.“

Rangfolge der Kernwerte unverändert

Die Führungskräftebefragung der Wertekommission ermittelt jedes Jahr die Relevanz der individuellen Kernwerte. Deren Ranking bleibt auch 2024 konstant. Als wichtigste Kernwerte nannten die Führungskräfte Vertrauen (33 Prozent), Verantwortung (30 Prozent) und Respekt (21 Prozent). Es folgen Integrität (9 Prozent), Nachhaltigkeit (5 Prozent) und Mut (4 Prozent). Dabei hat sich die Reihenfolge dieser Kernwerte in den letzten fünf Jahren nicht verändert. Allerdings haben 2024 die Werte Verantwortung (3,7 Prozent), Mut (1,5 Prozent) und Nachhaltigkeit (1,1 Prozent) an Bedeutung gewonnen. Deutlich verloren hat hingegen Integrität (-5,8 Prozent).

An der seit 2006 jährlich durchgeführten Führungskräftebefragung der Wertekommission – Initiative Werte Bewusste Führung e.V. nahmen in diesem Jahr 531 Führungskräfte der deutschen Wirtschaft teil, davon rund 20 Prozent aus dem Top-Management, 54 Prozent aus dem mittleren Management und 26 Prozent aus dem unteren Management. Sie wurden vom 6. bis 18. Juni 2024 online befragt.

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