„Man wächst mit seinen Aufgaben“

Ein Kind seht vor einer großen und hohen Treppe

Technik und IT sind für Sabine Loest, die als Director Sales bei VMware tätig ist, die Enabler für den Fortschritt. Im Interview erzählt die Managerin, wie sie sich als Frau in einer Männerdomäne zu behaupten lernte.

Nach ihrer Ausbildung bei der Telekom studiert Sabine Loest BWL mit dem Schwerpunkt European Finance and Accounting. Wichtig ist ihr bei der Wahl des Studiengangs, dass auch Auslandssemester vorgesehen sind. Diese verbringt sie in Leeds, was ein großer Treiber für ihre Affinität für Technik wird. Denn dort arbeitet man bereits mit Computern und erstellt seine Seminararbeiten und Präsentationen am PC. Etwas, was in den 1990er-Jahren in Deutschland noch nicht gang und gäbe ist.

Zurück in Deutschland kauft sie sich einen Computer mit Modem. Und weil sie damit in ihrem Umfeld die erste ist, muss sie sich vom Anschließen bis zum Umgang alles selbst beibringen. Sie ist von der Technologie und ihren Möglichkeiten derart fasziniert, dass sie nicht nur ihre Diplomarbeit über eCommerce bei IBM schreibt, sondern auch nach dem Studium in die IT einsteigt.


Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.


Wir sind der Wandel: Warum haben Sie sich für die IT entschieden?

Sabine Loest: Mich begeistert der technologische Fortschritt, der uns das berufliche und private Leben ungemein vereinfacht. Man kann sich doch heute kaum noch vorstellen, wie wir früher ohne Smartphone und Apps gelebt und gearbeitet haben. Und weil mir lebenslanges Lernen enorm wichtig ist, passt die sich ständig weiterentwickelnde IT sehr gut zu meinen beruflichen Bedürfnissen.

“Vielen Mädchen fehlt schlicht der Zugang zur IT”

Wir sind der Wandel: Woran liegt es, dass der Anteil von Frauen im IT-Bereich immer noch sehr niedrig ist?

Loest: Ich glaube, viele junge Frauen haben einen zu großen Respekt vor der IT und denken, dass es dabei immer nur ums Programmieren geht. Davon bin ich in meinem Job aber weit entfernt. Denn die berufliche Bandbreite im IT-Sektor ist enorm groß. Leider wird darüber zu wenig kommuniziert. Oft heißt es, dass die IT männerdominiert, technisch und nerdig ist. Das ist mittlerweile aber nicht mehr der Fall. Ich treffe immer häufiger in Softwareunternehmen auch auf Frauen.


Sabine Loest

Nach ihrem Studium steigt Sabine schnell immer tiefer in die IT-Welt ein. Ihr erster Job führt sie zu einem Anbieter für Controlling-Software. Nach Stationen bei Salesforce und SAP ist Sabine Loest mittlerweile bei VMware als Director Sales Financial Service & Telco tätig.


Wir sind der Wandel: Was könnte zu einer Veränderung beitragen?

Loest: Vielen Mädchen fehlt schlicht der Zugang zur IT. Unternehmen sollten sich daher aktiv daran beteiligen, Mädchen früh für die IT zu begeistern. Wir bei VMware engagieren uns zum Beispiel beim Girls Day. Damit bekommen Mädchen früh einen direkten Einblick in die Arbeitswelt eines IT-Unternehmens und sehen so, dass es hier eben nicht nur um das Programmieren geht, sondern vor allem um die Technologie. Wichtig ist dabei, aufzuzeigen, welche beruflichen Optionen existieren.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Bildung. In vielen Bundesländern sind Computer-AGs und Ähnliches lediglich Wahlfächer. Werden dann Mädchen nicht früh mit einer gezielten Ansprache für diese Fächer motiviert, finden viele später auch nicht den Zugang zu entsprechenden Ausbildungsberufen und Studiengängen. Und fehlt eine entsprechende Ausbildung, kann auch kein weiblicher Nachwuchs in die Unternehmen strömen.

“Generell sollten sich Frauen auch außerhalb ihrer Jobs gegenseitig viel stärker unterstützen”

Wir sind der Wandel: Wie fördern Sie bei VMware Berufseinsteigerinnen?

Loest: Wir fördern unseren weiblichen Nachwuchs gezielt durch Mentoringprogramme und Coachings. Unser Ziel ist dabei, die jungen Kolleginnen auf ihrem Weg zu bestärken. Denn nur wer mutig und selbstbewusst ist, lernt, sich in der noch immer männerdominierten Branche durchzusetzen. Wobei es mir persönlich sehr wichtig ist, auch männlichen Nachwuchs zu coachen.

Wir sind der Wandel-NewsletterGenerell sollten sich Frauen auch außerhalb ihrer Jobs gegenseitig viel stärker unterstützen. Deshalb baue ich für München aktuell ein Netzwerk für Mitarbeiterinnen von VMware auf, wo wir auch außerhalb des Arbeitsplatzes voneinander lernen können. Wo wir ein ehrliches Feedback einholen können. Wo wir uns rege austauschen und Herausforderungen besprechen können.

Wir sind der Wandel: Wie bewahren Sie sich Ihre Authentizität in einem männlich geprägten Umfeld?

Loest: Das war ein Lernprozess. Und auch wenn ich meine Authentizität nie ganz verloren habe, passte ich mich nach dem Studium der männlich geprägten Umgebung an. Mit zunehmendem Alter und durch berufliche Erfolge aber wurde ich immer selbstbewusster, so dass ich mittlerweile zu mir, meinen Werten und meiner Haltung sehr selbstbewusst stehe.

Wir sind der Wandel: Haben Menschen in Ihrem beruflichen Umfeld eine genaue Vorstellung davon, wie Sie in bestimmten Situationen zu sein haben?

Loest: Ich glaube, viele Männer erwarten von Frauen vor allem in Stresssituationen, dass sie emotional reagieren. Und ich bin auch durchaus emotional, wenn ich für etwas kämpfe, für etwas stehe oder an etwas glaube. Dann erfülle ich sicherlich ihre Erwartungen. Dann erfülle ich sie aber auch gerne. Denn ich stelle mich nicht strategisch auf, wie viele Männer es durchaus tun.

“Es ist nicht schlimm, an sich zu zweifeln”

Wir sind der Wandel: Wenn Sie auf Ihren bisherigen Berufsweg zurückblicken: Was waren besondere Herausforderungen, denen Sie sich stellen mussten?

Loest: Zu meinen größten Hürden gehört durchaus der Selbstzweifel, insbesondere als Berufsanfängerin. Und auch wenn die Selbstzweifel bei mir noch nicht ganz verschwunden sind, so sind sie heute doch vielmehr ein Katalysator. Und zwar dann, wenn sie zur Selbstreflexion führen. Denn dann unterstützen sie mich bei meiner Weiterentwicklung. Die Selbstreflexion tut aus meiner Sicht jedem gut.

Wir sind der Wandel: Was würden Sie mit dem heutigen Wissen Ihrem jüngeren Ich raten?

Loest: Es ist nicht schlimm, an sich zu zweifeln. Denn ohne Selbstzweifel entwickelt man sich nicht weiter. Sei aber gleichzeitig mutig und wage Dinge, auch wenn sie dir noch zu groß erscheinen. Denn man muss nicht immer alles am Anfang zu 100 Prozent erfüllen. Man wächst mit seinen Aufgaben. Anders machen es Männer auch nicht.

Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.