Thomas Leif, langjähriger Chefreporter des Südwestrundfunks (SWR) und Gründer des Journalistenvereins Netzwerk Recherche, ist tot. An dieser Stelle ein persönlicher Nachruf.
Lieber Thomas,
vielleicht sitzt Du jetzt mit einem guten Glas Wein und einer Zigarillo auf der roten Wolke da oben und diskutierst angeregt mit Helmut Schmidt und Helmut Kohl. Vielleicht hast Du da oben schon gleich eine Journalistenvereinigung ins Leben gerufen, auf jeden Fall eine Medienveranstaltung, die Du in gewohnt bissiger Weise moderierst. Und wenn jemand wirre Fragen stellt, die zu nichts als der eigener Selbstdarstellung des Fragestellers führen, wirst Du nur knurren: “Ja, die Frage ist verstanden worden!” Und zum Ende wirst Du ein paar kluge Thesen in den Raum werfen und dann ironisch das Get Together ansagen. “Draußen gibt es links gedrehte Hirsesuppe und handverlesenen Wein.” Und Deine Fans würden jubeln.
So jedenfalls war es stets in der Landesvertretung Rheinland Pfalz, wo Du viele Jahre im politmedialen Berlin den Mainzer Mediendisput moderiertest.
Hier habe ich Dich im Jahr 2006 das erste Mal live erlebt. Damals noch als ambitionierte Journalistikstudentin, die sich durch die vermeintlichen Niederungen des Lokaljournalismus kämpfte. Und da, auf dem Podium, lauter Herren der Generation 50+, die von oben herab dozierten, Journalistinnen und Journalisten müssten Haltung haben, sollten unbestechlich sein und dürften niemals PR machen, egal, wie niedrig die Honorare im Journalismus seien. Haltung. Darauf ist es Dir immer angekommen. Du warst ein berechenbarer, zäher und vor allem hammerharter Knochen. Ich meldete mich zu Wort, weil es mich nervte, dass da die vermeintlichen Edelfedern die Jugend belehrten – und das auch noch in dieser patriachalen-chauvinistischen Art und Weise. Dass hier Frauen generell fehlten und die Aussagen über die angeblich unkritische Jugend, die einfach nur “irgendwas mit Medien” machen wolle, einfach nicht zutreffend seien, merkte ich kritisch an. Und Du hast mit einem flotten Spruch gekontert. Und ludst mich ein, das nächste Mal dafür zu sorgen, dass mehr Frauen auf dem Podium wären. So manche ältere Kollegin fand Dein Verhalten unangemessen. Typisch Leif, hieß es hinterher.
Die Einladung nahm ich hingegen gerne ein. Es war der Auftakt für eine mehrere Jahre andauernde Zusammenarbeit – als Lobbyisten für den Qualitätsjournalismus.
Danke für so vieles
Ich habe Dir unendlich viel zu verdanken. Ich lernte, worauf es ankommt, will man Lobbyist in der eigenen Sache sein. Ich lernte von Dir Veranstaltungen zu moderieren, nicht irgendwie, sondern unterhaltsam, bissig, zugespitzt. Ich lernte von Dir, Idealismus in gezieltes und geplantes Vorgehen zu verwandeln – und auf diese Weise fast unerreichbare Ziele erreichen zu können. Und ich durfte in einigen Jahren als eine Art Mentee Innensichten in das politmediale Berlin nehmen, die so manch anderem jungen Kollegen oder junger Kollegin verborgen blieben. Dabei hast Du mich stets auf Augenhöhe behandelt und auch wenn andere Deine zotigen Sprüche kritisierten, verstand ich sie als das, was sie waren – Deine Art von Humor, den man und frau sportlich nehmen sollte. Denn dahinter steckte ein politischer Mensch, der das Herz meist am rechten Fleck hatte. Und Du konntest einstecken. Und musstest es auch.
Leif polarisierte. Immer und immer wieder. Und Du machtest Fehler. Nach einem fulminanten Aufstieg in dieser menschenfressenden Branche Journalismus, nach Jahren, in denen Du hinter den Kulissen Karrierestrippen zogst, den Anfangsverdacht für Enthüllungsgeschichten gezielt platziertest und unzählige junge Talente gefördert hast, kam der Absturz. Es gebe viel darüber zu sagen, aber ich habe gelernt zu schweigen. Ich war zu nah an Dir dran und geriet dabei zwischen die Mühlen. Am Ende hatte ich zu viel Angst. Ich besann mich zunächst auf mich und sagte Dir einmal alles, was mich umtrieb. Du hörtest es Dir in Ruhe an und noch einmal hatten wir einen Abend, an dem wir uns austauschten. Über unsere Ideen für den Journalismus, das politische System, über Gerechtigkeitsfragen und nicht zuletzt gab es auch viele zotige Sprüche von Dir zu meinem Privatleben. Ich weiß noch, wie ich mich von Dir verabschiedete und dabei dachte, wie sehr ich das Gespräch mit Dir vermisst hatte.
Ich hätte Dir noch so viel erzählen wollen
Du hast noch einmal versucht, zu kämpfen und ich geriet dabei noch einmal unter die Räder. Ich entschied mich für den geordneten Rückzug und begann statt mit neuerlichen Engagement für den Journalismus mit Kampfsport für Frauen. Das ist nun bald sieben Jahr her. In diesem Jahr werde ich den schwarzen Gürtel machen. Das Engagement für Journalismus fand mich zwar nur wenig später wieder – aber in anderer Form, als Betriebsrätin, als Gewerkschafterin. Doch meine Haltung ist bis heute von Dir tief geprägt. Sie hat mich auch als Betriebsratsvorsitzende den einen oder anderen Konflikt durchstehen lassen, sie hat mich durch eine Tarifauseinandersetzung getragen und schließlich wäre es ohne die von Dir beeinflusste Haltung nicht möglich gewesen, meinen Betrieb zurück in den Flächentarif zu bringen. Ich wäre nicht die Arbeitnehmervertreterin, die ich heute bin, hätte ich nicht von Dir lernen können. Und ich wäre auch nicht die Journalistin, die ich heute bin.
Damals, als wir darüber sprachen, wie journalistische Karriere üblicherweise verlaufen und ob Umwege über bestimmte Positionen zielführend seien, sagte ich Dir, wohin ich wollte. Ich bin dort mittlerweile angekommen. Und alles das hätte ich Dir sehr gerne noch einmal persönlich gesagt. Bei einem guten Glas Wein. Ich hätte Dir gern meine Tochter vorgestellt und Dich vielleicht auch gern zu meiner Dan-Prüfung eingeladen. Du hättest so manchen bösen Spruch über Frauen, die Bretter und Beton zerschlagen, gefunden. Und ich hätte darüber gelacht, wohlwissend, dass Du es nicht aus Verachtung sondern Respekt sagst. Denn auf die Haltung kommt es an. Noch im Herbst dachte ich daran, dass ich Dir wirklich unbedingt schreiben wollte. Ich habe es nicht getan – Gerüchte, Ermittlungen gegen Dich würden immer noch laufen, hielten mich davon ab. Heute erreichte mich die Nachricht, dass Du am 30.12. verstorben bist. Ich hätte so gerne noch Tschüss gesagt.
Deine Tina
Thomas Leif, langjähriger SWR-Chefreporter, ist im Alter von 58 Jahren gestorben. Er wurde 1959 in Daun in der Eifel geboren und war durch seine Reportagen im sogenannten Presenter-Format bekannt. Von 2009 bis 2013 moderierte er die SWR-Talkshow “2+Leif” aus Berlin.
Der promovierte Politikwissenschaftler veröffentlichte zahlreiche Bücher, darunter den Bestseller “Beraten & verkauft” über die Geschäfte von Unternehmensberatungen. Seit 2009 war er Honorarprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Koblenz-Landau.
Der Journalist war Gründer und langjähriger Vorsitzender des Netzwerk Recherche. Der Verein wurde 2001 von Journalisten gegründet und soll investigativen Journalismus fördern. Wegen falscher Abrechnung von Zuschüssen musste Leif 2011 von seinem Amt als Vorsitzender zurücktreten. Leif war seit 1982 Gewerkschaftsmitglied.
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