Die Macht der Ausreden

Personen am Tisch

Alles wird digitaler und disruptiver, nur die Ausreden werden immer einfacher und trivialer. So jedenfalls erscheint es. Wie die Macht der Ausreden Unternehmen beeinflusst und warum sie im beruflichen Alltag zu Konflikten führen, weiß die Mediatorin Stephanie Huber.

Unternehmen, die von Ausreden nicht tangiert werden, gibt es nicht. Ausreden werden nicht umsonst auch als Schutzbehauptung bezeichnet – sei es um diplomatisch zu sein, um Fehler zu verschweigen oder um selber besser dazustehen. Eine Ausrede ist ein (angeblicher) Grund, der als Entschuldigung für etwas vorgebracht wird.

Auf der einen Seite kann sich jeder billige Ausreden leisten. Es scheint sie im Überfluss zu geben. Auf der anderen Seite flüchten sich Menschen häufig dann in einer Ausrede, wenn sie ihrer Sache nicht mehr gewachsen sind. Folglich können Ausreden auch Anzeigen für notwendigen Handlungsbedarf sein.

Ausreden stillschweigend akzeptieren?

Sind Ausreden in unserer Gesellschaft Verhaltensweisen, die zwar erkannt, aber dennoch stillschweigend akzeptiert werden? Mit der ein klitzekleines bisschen zurechtgebogenen Wahrheit lässt sich ein möglicher Konflikt vielleicht vermeiden. Negative Umstände lassen sich unter einem beschönigten Deckmantel verstecken. Auch Fehler und Kritik bieten einen guten Vorwand für phantasievolle Rechtfertigungen. Oder es geht darum, einen möglichen oder tatsächlichen Geschichtsverlust zu vermeiden oder an Reputation zu verlieren.

Wie oft werden Ausreden in Unternehmen erkannt und nicht angesprochen oder gar sanktioniert? Warum führt diese Form der Lüge nicht zur Kündigung, sondern scheint sie sogar zu vermeiden? Vielleicht weil diese Ausflucht auch als Not- oder Schutzlüge anerkannt ist?

„Frau B., Sie hatten mir die Fertigstellung der Unterlagen bis 15 Uhr zugesagt. Aus welchem Grund haben Sie sie bis jetzt, 16 Uhr, immer noch nicht fertig?“

„Ja Chef, wäre meine Kollegin heute morgen pünktlich gekommen. Und hätte der Kollege Z. mich nicht gebraucht und daher unterbrochen, dann wären die Unterlagen bestimmt pünktlich fertig gewesen.“

Ein klassisches Beispiel, wie es jeden Tag in Unternehmen vorkommen kann. Es werden unzählige Vorwände für nicht eingehaltenes Zeitmanagement aufgeführt. Aber wen interessieren diese Ausflüchte? Wer möchte sie hören?

Was würden wir ganz ohne Ausreden sagen?

„Sorry Chef, ich habe mich entschieden, dass ich mich lieber kollegial als Ihnen gegenüber zuverlässig verhalte.“ Was würde in dem Fall die Wahrheit bewirken? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Chef diese Antwort der Mitarbeiterin als unverschämt, respektlos oder gar beleidigend empfindet? Bei der Ausrede ist anzunehmen, der Vorgesetzte wird sich über die Ausrede selber mehr ärgern als über die Verspätung. Also könnte der Eindruck erweckt werden, Ausreden sind dienliche Instrumente die durchaus eine Daseinsberechtigung haben.

Die meist verwendete Ausrede „Ich habe keine Zeit“ beispielsweise hat nichts mit Zeitmangel zu tun, sondern ausschließlich damit, was einem Menschen wirklich wichtig ist und wo er seine Prioritäten gesetzt hat. Keine Zeit zu haben, ist immer gleichbedeutend mit sich für etwas keine Zeit zu nehmen. „Ich möchte die Zeit nicht dafür nutzen“ ist ehrlicher und weniger kompromittierender als „Ich möchte die Zeit nicht mit dieser Arbeit verbringen, da unterstütze ich lieber die Kollegen“.

Gründe für Ausreden:

  • Unreife Handlungsweise
  • Angst, Verantwortung zu übernehmen
  • Selbstverteidigung, besseres Selbstbild
  • Unfähigkeit, für eigene Fehler geradezustehen
  • Mangelndes Selbstbewusstsein, fehlende Selbstkontrolle
  • Fehlende Disziplin und Respektlosigkeit

Ausreden versus Konflikte

Ausreden können Konflikte vermeiden – oder sie führen dazu!
Gerade Konflikte demonetarisieren Unternehmen und führen zu skalierender Unzufriedenheit. Deshalb ist es gerade in Zeiten der omnipräsenten Digitalisierung immens wichtig, die richtige Kommunikation als richtungsweisende Prozesse zu erkennen. Das bindet nicht nur die Mitarbeiter ans Unternehmen, sondern es schafft auch die bestmögliche Zufriedenheit.

Mit mehr angewandter Kommunikation hätte unsere eingangs erwähnte Frau B. ihrem Chef zum Beispiel auch so begegnen können: „Lieber Chef, ich habe Ihnen zugesagt die Unterlagen pünktlich um 15 Uhr fertig zu haben. Wie wichtig ist die termingerechte Fertigstellung für Sie?“ und/oder „Können wir den Termin auf 16 Uhr verlegen?“

Wie immer im Leben ist der Casus knacksus die richtige Kommunikation. Funktioniert diese, klappt es auch mit dem Chef, den Kollegen und den Mitmenschen. Der Schlüssel für ausredenfreie Kommunikation gelingt in der Regel über Fragetechniken.

Die Macht der Ausreden mit Fragen klären

Durch Fragen erfahren Sie den Grund für die Ausrede. Was bewegt den Menschen dazu und ob er in seiner momentanen Lage Hilfe benötigt.

Was? Wie? Wann? Wo? Woran? Wer?
W-Fragen sind zielführende Fragen und konkretisieren Sachverhalte und Prozesse. Sie klären und schaffen Transparenz. Es gibt übrigens keine dummen Fragen, sondern höchstens unangenehme.

Wie könnte aus Ihrer Sicht die Lösung aussehen?
Wann genau benötigen Sie die Unterlagen?
Wo sehen Sie Einsparungspotenzial?
Woran würden Sie merken, dass die Antwort eine Ausrede ist?
Was genau möchten Sie mit Ihrer Ausrede bewirken?

Warum?
Die Warum-Frage steht häufig am Anfang einer Auseinandersetzung, weil sie oftmals als Angriff oder Vorwurf verstanden wird? Sie sollte durch andere W-Fragen ersetzt werde. „Warum kommen Sie so spät?“ lieber durch ein „Was ist passiert, dass Sie sich verspätet haben?“

Wer nicht fragt, darf sich nicht wundern, wenn er hört, was er nicht will!

Richtiger Umgang mit Ausreden
Wer eine Ausrede vermutet oder erkennt, sollte dies auch direkt ansprechen. „Mein Eindruck ist, es handelt sich um eine Ausrede.“ Aber Vorsicht: Sein Gegenüber zu enttarnen, bedeutet wahrscheinlich, er wird sich angegriffen fühlen. Auf Angriff wird er wie die allermeisten Menschen mit Verteidigung antworten. Folglich wird er seine Ausrede auch noch verteidigen.

Eine Rechtfertigung rechtfertigt keine Ausrede. Wenn Sie sich diese Rechtfertigung verbitten, und auch in der Position dazu sind, dann lieber Klartext als Ausflüchte: „Danke, ich benötige keine Rechtfertigung, beim nächsten Mal die Wahrheit reicht völlig.“

Ausreden sind die machtloseste Art, NEIN zu sagen!

 

Stephanie Huber

 

Stephanie Huber ist Gründerin und Geschäftsführerin von konSENSation. Sie arbeitet hauptberuflich als Mediatorin mit dem Schwerpunkt Wirtschaftsmediation und Konfliktmanagement. Ihr Aufgabengebiet umfasst primär Unternehmen und deren Führungskräfte, die durch aktives Kommunikationsmanagement Lösungen für ihr Unternehmen suchen.

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.