Agil wie ein Piratenschiff

Piraten-Flagge

Unternehmer stehen heute vor den Herausforderungen: agile Unternehmensform, neue Technologie und hohe Geschwindigkeit. Orientieren sollten sie sich dabei an Piraten: Die alten Haudegen waren clever organisiert, gut geführt, sehr fokussiert und agil.

Starke Unternehmen müssen heute agil sein. Flexibel, schnell und dynamisch wie ein Piratenschiff. Märkte fordern diese Anpassungsfähigkeit sowie selbst- und flach organisierte Unternehmen. In einem solchen Umfeld kommen umsatzstarke Großunternehmen mit augenscheinlich starker Marktmacht wie große und langsame Dampfer daher – denen die schnellen und wendigen Start-ups gefährlich werden. Dabei ist es oft nicht einmal ein Unternehmen, sondern eine neue, disruptive Technologie, die ihre Produkte oder Dienstleistungen überflüssig macht. Die Musik-CD beispielsweise fegte ihren Vorgänger, die Musik-Kassette, vom Markt. Und Rollenkoffer sorgten dafür, dass Gepäckträger ausgedient hatten. Es setzen sich Geschäftsmodelle durch, die im Bereich Veränderungsmanagement und Prozessoptimierung wendig und schnell sind.

Wie aber gegen diesen Dreiklang aus agiler Unternehmensform, neuer Technologie und hoher Geschwindigkeit angehen? Die Antwort darauf kann sein: Mach’s wie ein Pirat. Denn Fähigkeiten, die heute besonders gefragt sind, beherrschten Piraten schon vor 500 Jahren. Die alten Haudegen waren clever organisiert, gut geführt, sehr fokussiert und agil. So behaupteten sie sich bereits im 16. und 17. Jahrhundert erfolgreich gegen das spanische Handelsmonopol. Sie trotzen der wirtschaftlichen Übermacht mit agiler und schlanker Aufstellung. Denn Piratenschiffe waren leicht und wendig, schweres Geschütz sparte man sich, um schneller zu sein als die Beuteschiffe.

Schneller als der Wettbewerb

Geschwindigkeit ist die Basis aller Wettbewerbsvorteile: So ermöglicht ein Patent einem Unternehmen bestenfalls ein paar Jahre Entwicklungsvorsprung. Eine gute Marktposition heute bringt vielleicht morgen aber schon keine Umsätze mehr. Um ein Unternehmen an der Spitze zu halten, muss man demnach kontinuierlich schneller sein als der Wettbewerber. Agilität ist also Voraussetzung für Schnelligkeit.

Insbesondere beim Aufbruch in neue Projekte oder Marktsegmente wird nach wie vor Präzision vor Geschwindigkeit gestellt. Lange und ausführliche Analysen kann man sich aber, ebenso wie ausgefeilte Strategien, nicht mehr leisten. Daher bezeichnen Businesspiraten diesen Sachverhalt als Setup-Überschätzung: Der Erfolg gelingt nur bei einem perfekten Start mit optimaler Aufstellung. Tatsächlich aber müssen Pläne immer wieder angepasst werden. Die Umstände zwingen dazu, die Strategie kontinuierlich zu überarbeiten.

Knackiges Konzept statt lange Strategieplanung

Insbesondere bei der Entwicklung von Geschäftsmodellen ist der Hang zur Perfektion zu beobachten. Dabei kann man weder Kunden noch Märkte perfekt vorhersagen. Setup-Überschätzung zum Beispiel ist der Grund dafür, dass Nokia das Smartphone und Microsoft das Internet verpasst haben, dass Google Social Media und Yahoo fast allem hinterherläuft.

Piraten hingegen fangen schneller an: ein knackiges Konzept statt langer Strategieplanung. Man muss sein Vorgehen auf dem Weg sowieso kontinuierlich anpassen. Daher setzen sie auf Pretotypen, schnelle Handmuster, statt teurer Prototypen, und holen sich so ein erstes Feedback vom Kunden ein. Den ersten Vorsprung gewinnen sie durch einen schnellen Start. Denn während andere noch am Geschäftsmodell oder am Unternehmensaufbau feilen, sind bei ihnen schon die ersten Erkenntnisse vom Markt eingeflossen.

Unberechenbar am Markt

Piraten befinden sich im ständigen Change-Management. Sie wollen nicht am Geschäftsmodell festhalten, sie wollen die Beute behalten. Wenn der Kurs nicht zum Ziel führt, wechseln sie den Kurs, nicht etwa (aus Versehen) das Ziel. Solche Kurswechsel, auch abrupt, sind richtige Strategien für das aktuelle, disruptive Marktumfeld. In weniger schnellen und wechselhaften Zeiten passte man sich allmählich und stetig an – Unternehmensentwicklung war Weiterentwicklung. In modernen, volatilen Märkten hingegen kann man sich weder die alte Geschwindigkeit noch das alte „Weiter-so“ leisten. Daher bedeutet Anpassungsfähigkeit heute auch mal einen unberechenbaren Kurswechsel.

Agile Unternehmen sind beweglich am Markt. Sie sind so wendig wie historische Piratenschiffe: unberechenbar am Markt und innerhalb der eigenen Organisation agil. Agilität ist ein Rezept für eine immer komplexere und mehrdeutigere Welt, so kann man Kunden positiv überraschen.

Eine schlanke Aufstellung ist agil

Niedrige Gemeinkosten, also eine schlanke Aufstellung, erzeugen auch bei kleineren Aufträgen Energien und erzielen Gewinne. „Schnelle, wenig kostspielige Ausflüge in noch schlecht definierte Märkte“ müssen möglich sein, schreibt der Harvard Professor Clayton Christensen 2012. Seine Empfehlung: eine geradezu piratische Herangehensweise.

Piratenschiffe waren in jeder Hinsicht schlank. Sie waren leicht und damit schnell. Statt schwere Waffen wie Kanonen setzten sie auf eine motivierte Crew, die mit Säbel und Enterhaken umgehen konnte. Schlank war auch die Organisation der Schiffe: Wie bei Start-ups wurde nur das Nötigste geregelt. Heutige Unternehmensgründungen sollten daher wie die Piratenschiffe von damals agieren: wenige Regeln und festgeschriebene Prozesse. Es geht einfach los. Der Kitt für die Crew ist die Aussicht auf Beute. Nutzen Sie das: Prozesse werden später festgehalten, wenn sie erprobt sind, die Unnützen werden verworfen.

Hierarchien existieren dabei nicht. Ein Kapitän, unterstützt durch einen Quartiermeister, reicht aus. Denn die Crew organisiert sich selbst. Die Organisation von Piratenschiffen kann man deshalb mit einer „workers cooperative“ vergleichen. Der Kapitän ist vor allem für die Richtung, also die Strategie, zuständig. Und in kritischen Kampfsituationen, ist er mit voller Autorität ausgestattet. Ansonsten genügt das Einschwören auf die Beute, statt kleinteiliger Führung.

Das Schiff unter dem Jolly Roger (der Piratenflagge) taugt also als Vorbild für agile Unternehmen. Denn greift der „wind of change“ in Ihre Segel, sind Sie besser vorbereitet als Ihre Wettbewerber.

 

Der Unternehmensberater und Interimsmanager Manfred Schmid war in Managementpositionen und als Geschäftsführer für verschiedene Hidden Champions tätig. Supply Chain Management und die Optimierung des Geschäftsmodells waren dabei zentrale Felder seiner Arbeit. Der vorliegende Beitrag stammt aus seinem Buch Das Piratenprinzip.

Die Ratgeber-Redaktion

Unter der Autor:innen-Bezeichnung REDAKTION veröffentlichten DIE RATGEBER von 2010 bis 2020 Gastbeiträge sowie Agenturmeldungen. Im August 2020 gingen die Inhalte von DIE RATGEBER auf die Webseite WIR SIND DER WANDEL über.