Die Corona-Krise erklären Männer

Zwei Männer gehen die Straße entlang

In der Corona-Krise ist die Bericherstattung geprägt von Stereotypen. Während Frauen vor allem als Expertinnen fehlen, ist die Krise die Stunde von Männern. Sie erklären als Experten die Pandemie, sie fällen in der Mehrheit als politische Verantwortliche die Maßnahmen und sie wählen als Chefredakteure aus, was und wie über das Coronavirus berichtet wird.

Die Corona-Pandemie beeinflusst alle Bereiche des Lebens. Und sie hat verschiedene Auswirkungen auf Männer und Frauen. Während es überwiegend die Frauen sind, an denen die Dreifachbelastung von Kinderbetreuung, Homeschooling, Haushalt und Job hängen bleibt und sie es vor allem sind, die wegen der weggebrochenen Kinderbetreuung ihre Arbeitszeit reduzieren oder im Job ganz aussetzen müssen, ist die Krise eher die Stunde von Männern. Sie erklären als Experten die Pandemie, sie fällen in der Mehrheit als politische Verantwortliche die Maßnahmen und sie wählen als Chefredakteure aus, was und wie über das Coronavirus berichtet wird.

Um diese außergewöhnliche Situation genauer zu analysieren, hat die MaLisa Stiftung nun zwei Studien in Auftrag gegeben. Elizabeth Prommer und Julia Stüwe vom Institut für  Medienforschung der Universität Rostock haben die Fernsehberichterstattung untersucht. Der Daten-Forschende des Gender Equality Tracker, Max Berggren, hat die Berichte in den Online-Auftritten von Printmedien ausgewertet. Die Ergebnisse sind alarmierend – auch wenn an dieser Stelle betont werden muss, dass nur die Berichterstattung zwischen dem 16. und 30. April 2020 ausgewertet wurden, also eher der Beginn der Krise abgebildet ist.

Insgesamt zeigte sich, dass über alle Themen hinweg kaum Frauen als Expertinnen zu Wort kamen, weder in den Fernsehsendungen (ausgewertet wurden 178 Nachrichtensendungen der  Sender ARD, ZDF, RTL und Sat.1) sowie 79.807 Artikel aus 13 Printmedien und ihrer Onlineausgaben (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Focus, Frankfurter Rundschau, Handelsblatt, Neues Deutschland, Nordbayern- Kurier, Spiegel, Stern, Stuttgarter Nachrichten, Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel, taz, Welt). Bei den Fernsehsendungen kam eine Expertin auf vier Expertinnen. Etwas ausgewogener war es zwar in den Talkformaten, wo aber auch nur eine Frau auf zwei Männer kam. Selbst zu den Themen Pflege und Medizin, Branchen, die größtenteils von Frauen dominiert sind, wurden Frauen als Expertinnen sehr selten gefragt – mit 17 Prozent sogar noch weniger als zu allen Themen insgesamt.

Männer erklären, Frauen fragen allenfalls nach

Interessant ist hier der Blick auf die Expertinnen mit Führungsposition. Bei den Ärzt_innen und Forschenden mit Leitungspisition war der Frauenanteil mit fünf Prozent besonders niedrig, bei den Virolog_innen mit sieben Prozent ebenfalls. Das hat einerseits mit dem tatsächlichen Fehlen von Frauen in diesen Bereichen (in beiden Feldern stellen Frauen fast die Hälfte der Beschäftigten) zu tun, andererseits kann aber auch vermutet werden, dass in den Redaktionen vor allem mit maskulinen Begriffen nach einem Experten und eben nicht nach einer Expertin gesucht wurde. Insgesamt kamen doppelt so viele Männer wie Frauen zu Wort (67 Prozent gegenüber 33 Prozent).

Immerhin: Bei den Journalist_innen, Reporter_innen und Moderator_innen war der Frauenanteil mit 52 ausgewogen – denn 52 Prozent entspricht dem Anteil der Frauen in der Gesamtbevölkerung.

Die Studie kommt gerade rechtzeitig und unterfüttert eine Aktion des Vereins Pro Quote mit relevanten Daten. Dieser hatte Mitte Mai unter dem Hashtag #Coronaexpertin Namen von Expertinnen für die Corona-Krise gesammelt. Die Aktion war eine Reaktion auf das Ungleichgewicht in der Berichterstattung.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.