Gehaltstransparenz bleibt Randthema in Deutschland

Geldscheine im Briefumschlag

Ein Jahr vor Inkrafttreten der EU-Direktive plant nur die Hälfte der deutschen Unternehmen, Gehälter umfassend offenzulegen. Hauptgrund für die geplante Transparenz sind regulatorische Vorgaben.

Die deutsche Unternehmenskultur tut sich weiterhin schwer mit Gehaltstransparenz. Das zeigt die aktuelle Pay Transparency Survey der Unternehmensberatung WTW. Bis 2026 müssen Unternehmen jedoch handeln, denn dann schreibt die EU-Direktive die Offenlegung von Gehaltsdaten vor.

Laut der Umfrage nennen 75 Prozent der deutschen Unternehmen regulatorische Anforderungen als Hauptgrund für mehr Transparenz, gefolgt von ESG-Kriterien (55 Prozent) und den Erwartungen der Mitarbeitenden (48 Prozent). Unternehmenswerte und kulturelle Aspekte spielen mit 28 Prozent eine untergeordnete Rolle – deutlich weniger als im internationalen Vergleich (51 Prozent). Die Studie befragte weltweit 1.674 Unternehmen mit 34 Millionen Mitarbeitenden, darunter 98 deutsche Firmen.

Unsicherheiten bei Arbeitgebern

Irrtümer und Mythen rund ums Arbeitsrecht„Deutschland ist in Sachen Gehaltstransparenz sehr konservativ eingestellt. Doch der Druck von außen steigt: Ab 2026 tritt die EU-Direktive in Kraft und Unternehmen müssen die Zahlen offenlegen. Dabei ist es wichtig, transparente Gehaltsstrukturen nicht nur aus regulatorischer Perspektive zu betrachten, sondern auch aus kommunikativer Sicht”, sagt Florian Frank, Head of Work & Rewards bei WTW. Die Studie zeigt, dass 81 Prozent der Unternehmen noch keine Strategie für die Bereitstellung von Gehaltsdaten haben. Nur 7 Prozent planen, diese aktiv zu kommunizieren, während 12 Prozent sie lediglich auf Nachfrage offenlegen wollen.

Viele deutsche Unternehmen fürchten, dass mehr Transparenz zu Fragen von Mitarbeitenden (84 Prozent) und Manager:innen (75 Prozent) sowie zu vermehrten Gehaltsverhandlungen (74 Prozent) führt. Gleichzeitig hoffen 43 Prozent auf eine stärkere Mitarbeiterbindung.

Führungskräfte spielen bei der Kommunikation eine Schlüsselrolle. Doch hier gibt es Zweifel: Viele Manager:innen fühlen sich nicht ausreichend vorbereitet, um Vergütungsprogramme zu erklären. Zudem sorgen sich Unternehmen, dass ihre aktuellen Gehaltsstrukturen den Anforderungen nicht genügen oder negative Reaktionen der Mitarbeitenden auslösen könnten.

Unterschiede zwischen Unternehmen

„Wo die Unternehmen in puncto Transparenz stehen, ist sehr unterschiedlich. Viele kleinere und mittelständische Unternehmen sind gerade erst dabei, die Vorarbeit zu leisten, Grading-Strukturen für die Bewertung gleichwertiger Arbeit zu schaffen und den Pay-Gap zu schließen. Globale Konzerne sind häufig schon weiter und setzen laut WTW-Studie bei vielen Aspekten auch auf einen globalen Ansatz in der Kommunikation. Dennoch ist es für die meisten Unternehmen noch ein weiter Weg, die Gehaltstransparenz auch wirklich in der Unternehmenskultur zu verankern“, erklärt Frank. Dennoch bleibt Gehaltstransparenz für viele Unternehmen ein weiter Weg. Aktuell beschränkt sich die Kommunikation meist auf Basis-Themen wie Job-Levels, variable Gehaltsanteile und die Zusammensetzung des Grundgehalts.


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Knapp die Hälfte der deutschen Unternehmen (47 Prozent) plant auch künftig nicht, Durchschnittsgehälter mit ähnlichen Positionen zu vergleichen. Bei Stellenausschreibungen zeigt sich Deutschland ebenfalls zurückhaltend: Während europaweit 65 Prozent der Unternehmen Gehaltsangaben für ausgeschriebene Stellen machen oder dies planen, sind es in Deutschland nur 54 Prozent.

Vorbereitung auf die EU-Direktive

„Die meisten Unternehmen haben längst festgestellt, dass die Überarbeitung der internen Gehaltsstrukturen komplex und langwierig sein kann und sind bereits dabei, ihre Vergütungsstrukturen und Prozesse den neuen Vorgaben anzupassen sowie etwaige Gehaltslücken zu schließen. Dabei sollten sie jedoch nicht nur die regulatorischen Anforderungen berücksichtigen. Unternehmen stehen hier vor allem auch vor einem großen kulturellen Wandel. Dieser lässt sich nur mit einer guten Kommunikationsstrategie bewältigen“, betont Naima Warlo, Expertin für Pay Transparency bei WTW.

Bis 2026 sollten Unternehmen folgende Schritte umsetzen:

  1. Stellenarchitektur: Klare Rollen- und Aufgabenstrukturen schaffen, um gleichwertige Arbeit zu definieren.
  2. Vergütungsstrukturen: Gehaltsstrukturen überprüfen, objektive Richtlinien für Einstellungen, Beförderungen und Leistungsbewertungen einführen.
  3. Datenerhebung: Systeme und Daten bereitstellen, um Gehaltsanalysen durchzuführen.
  4. Wissensvermittlung: Führungskräfte schulen, damit sie die Vergütungsthemen sicher kommunizieren können.

Die WTW-Umfrage, durchgeführt im Juli 2024, befragte weltweit 1.674 Unternehmen, darunter 98 deutsche Firmen mit 2,7 Millionen Mitarbeitenden.

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