Große Unterschiede beim Weihnachtsgeld

Geldscheine im Briefumschlag

Weihnachtsgeld in Deutschland: Tarifverträge bestimmen die Höhe – doch nicht alle profitieren. Starke Unterschiede je nach Branche und Tarifbindung.

In Zeiten steigender Energiepreise und teurer Lebensmittel entlastet das Weihnachtsgeld viele Haushalte in Deutschland. Besonders tariflich Beschäftigte können im November oder Dezember mit einer zusätzlichen Zahlung rechnen. Laut Statistischem Bundesamts erhalten fast 86 Prozent der Tarifbeschäftigten ein Weihnachtsgeld. Die durchschnittliche Auszahlung beträgt dabei 2.987 Euro – 178 Euro oder 6,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Erhöhung spiegelt die gestiegenen Löhne und Gehälter wider, die Gewerkschaften nach der jüngsten Inflationswelle durchsetzten. Das Weihnachtsgeld ist dabei entweder als fester Betrag im Tarifvertrag festgelegt oder richtet sich prozentual nach dem Bruttoverdienst und steigt mit dem Einkommen.

Starke Unterschiede je nach Branche

Die Höhe des Weihnachtsgeldes und wer es erhält, variiert stark je nach Branche. In der Finanz- und Versicherungsbranche sowie im Baugewerbe bekommen über 95 Prozent der Tarifbeschäftigten Weihnachtsgeld. In den Bereichen Information und Kommunikation sowie in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung sind es weniger 70 Prozent.


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Besonders hoch ist das Weihnachtsgeld in der Öl- und Gasbranche mit durchschnittlich 5.955 Euro. Auch die Kokerei und Mineralölverarbeitung zahlen mit 5.898 Euro überdurchschnittlich. Die Finanzbranche liegt mit etwa 4.500 Euro ebenfalls weit vorn. Dagegen fällt die Sonderzahlung in der Tabakverarbeitung (564 Euro) und in der Leiharbeitsbranche (394 Euro) deutlich niedriger aus.

Tarifbindung und Weihnachtsgeld: Ein entscheidender Unterschied

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtNur Beschäftigte in tarifgebundenen Betrieben erhalten tariflich geregeltes Weihnachtsgeld. 2023 arbeiteten laut Statistischem Bundesamt nur etwa 49 Prozent der Mitarbeitenden in Deutschland in einem tarifgebundenen Betrieb. Viele Unternehmen orientieren sich zwar an Tarifverträgen, sind aber nicht daran gebunden. Für Beschäftigte ohne Tarifvertrag sinken die Chancen auf festgelegte Sonderzahlungen erheblich.

Der Einkommensexperte Malte Lübker von der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung betont die Vorteile der Tarifbindung. Beschäftigte mit Tarifvertrag erhalten nicht nur häufiger Weihnachtsgeld, sondern profitieren auch von höheren Grundgehältern. „Das Weihnachtsgeld ist ein echtes ‚Extra‘, denn auch die Grundgehälter sind in Betrieben mit Tarifvertrag meist höher als bei vergleichbaren Arbeitgebern, die nicht nach Tarif bezahlen“, so Lübker.

Kein gesetzlicher Anspruch auf Weihnachtsgeld

In Deutschland besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Weihnachtsgeld. Ein Anspruch kann sich jedoch aus dem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag ergeben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) weist darauf hin, dass ein Anspruch auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder der betrieblichen Übung resultieren kann – wenn das Weihnachtsgeld in der Vergangenheit ohne vertragliche Regelung wiederholt gezahlt wurde.

Historisch gewachsen und kulturell verwurzelt ist das Weihnachtsgeld heute ein wichtiger Bestandteil des Einkommens vieler Arbeitnehmer. Was einst als willkürliche Weihnachtsgabe vom Fabrikherren verteilt wurde, hat sich durch den Einsatz der Gewerkschaften zu einer fest verankerten Leistung in vielen Tarifverträgen entwickelt. Auch das Urlaubsgeld, oft niedriger als das Weihnachtsgeld, gehört zu diesen traditionellen Sonderzahlungen.

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Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat und Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union.