Wenn Eltern den Nachwuchs bereuen

Eltern gehen mit Kind am Arm spazieren

Erstmals hat eine größere Studie untersucht, warum Eltern es bereuen, Kinder bekommen zu haben. Demnach würden 20 Prozent der Mütter und Väter in Deutschland nicht noch einmal Eltern werden wollen.

Das ist das Ergebnis einer YouGov-Befragung unter 1.200 Eltern. Das Meinungsforschungsinstitut wollte wissen, ob Eltern sich noch einmal für Nachwuchs entscheiden würden, wenn sie die Wahl hätten. Acht Prozent der Befragten stimmten dieser Aussage “voll und ganz” zu, weitere elf Prozent gaben an, dass sie “eher” dieser Meinung seien. Zählt man das zusammen, könnte das heißen, dass fast jedes fünfte Elternpaar seine Entscheidung, Kinder zu bekommen, mehr oder weniger bereut.

Das Phänomen ist nicht so neu. Schon seit einer 2015 veröffentlichten Studie der israelischen Soziologin Orna Donath erfährt das Thema regretting motherhood eine gewisse Beachtung. Allerdings war die gleichnamige Untersuchung nicht repräsentativ und sie widmete sich auch nur Müttern, die es bereuten, Kinder bekommen zu haben.

Die YouGov-Befragung hat nun auch die Väter dazu in den Blick genommen. Wichtig ist: Alle bereuenden Eltern liebe ihre Kinder und haben in der Regel auch keine gestörte Beziehung zum Nachwuchs. Allerdings geben sie zu, dass das Leben als Familie und als Mutter oder Vater eben nicht nur rosarot und wunderschön, sondern ziemlich anstrengend und stressig ist – und sehr viele Nachteile verglichen mit ihrem Leben als Kinderlose hat.

Je geringer das Einkommen, desto skeptischer sehen Eltern ihre Entscheidung

Insgesamt gaben etwa 44 Prozent der Mütter an, dass sie glaubten, ihre Karriere sei besser ohne Kinder verlaufen. Von den Müttern, die sich heute gegen Nachwuchs entscheiden würden, waren es sogar 67 Prozent. Bei den Vätern gab nur jeder fünfte an, dass er Nachteile durch die Familiengründung für seine Laufbahn sehe. Bei den bereuenden Vätern waren es immerhin 51 Prozent.

Warum glauben die Eltern das? Knapp die Hälfte gibt an, dass sie sich für die Familie aufopferten und zu wenig Zeit für sich hätten. Auch kritisieren die Eltern die fehlende Kinderbetreuung und mangelnde Vereinbarkeit. Klar ist: Wer sich ständig gehetzt fühlt, weil er zwischen Job und Kita hin- und herhetzen muss, der fühlt sich auch im Familienleben generell beeinträchtigt. Die Studie zeigt auch, dass Eltern ihre Entscheidung besonders dann bereuen, wenn sie über ein geringes Einkommen verfügen. Ein Drittel derjenigen, die weniger als 1.500 Euro netto hat, würde sich nicht noch einmal zur Familiengründung durchringen.

Die Studie zeigt insofern auf, wie stark die äußeren Rahmenbedingungen einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Familien haben. Ein weiteres Argument dafür, Eltern bei ihrem Spagat zwischen Familie und Job zu entlasten – etwa mit einem Familiengeld oder einer Familienarbeitszeit. Das könnte vielleicht auch dazu beitragen, dass sich wieder mehr Menschen für Kinder und vor allem für mehrere Kinder entscheiden. Denn auch das stellteeine YouGov-Studie in dieser Woche fest: Die Deutschen würden sich eigentlich viel lieber eine Großfamilie wünschen, berichtet ZEIT ONLINE. Demnach würden immerhin 44 Prozent gern mit mehreren Generationen zusammenleben.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.