AU-Bescheinigung hat hohen Beweiswert

Frau liegt auf Bett

Zweifelt ein Arbeitgeber die AU-Bescheinigung eines Mitarbeitenden an, sollte er Indizien vorweisen können, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit belegen. Ein bloßer Verdacht reicht nicht aus.

Eine Beschäftigte leidet seit mehreren Jahren unter einer psychischen Belastungsstörung. Als sie in einem Personalgespräch am 18. Januar erfährt, dass sie von ihrem Posten als Controllerin auf eine Stelle als Sachbearbeiterin versetzt werden soll, löst diese Degradierung bei ihr psychische Probleme aus. Sie sagt gegenüber ihren Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich krankschreiben lassen wird. Auch nimmt sie private Dinge aus dem Büro mit und gibt ihr Diensthandy ab. Am nächsten Tag folgt eine AU-Bescheinigung bis zum 2. Februar, zudem kündigt sie das Arbeitsverhältnis zu Ende Februar. Es folgt eine weitere AU-Bescheinigung bis zum 16. Februar. Am 17. Februar kommt sie wieder zur Arbeit, nimmt allerdings am Tag darauf Urlaub bis zum 23. Februar. Anschließend ist sie erneut krankgeschrieben, denn sie ist bis Ende Februar in stationärer Behandlung.

Da ihr Arbeitgeber die Erkrankung seiner Mitarbeiterin anzweifelt, erhält sie ihr Gehalt nur bis zum 18. Januar sowie für die Zeit der Urlaubstage. Für die Tage, an denen sie krankgeschrieben war, verweigert der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.

Die Androhung einer Krankmeldung ist keine gute Idee

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtDagegen wehrt sich die Mitarbeiterin und reicht Klage beim Arbeitsgericht Bonn ein. Dieses gibt ihr Recht (Az.: 1 Ca 241/22), so dass der Arbeitgeber der Mitarbeiterin für die Krankheitszeiträume ihr Gehalt zahlen muss. Dagegen wehrt sich der Arbeitgeber und geht in Berufung. Aber auch das Landesarbeitsgericht Köln gibt der Mitarbeiterin Recht (Az.: 6 Sa 682/22). Für die Richterinnen und Richter hat die AU-Bescheinigung einen hohen Beweiswert. Das heißt, die Ankündigung einer Krankmeldung, das Mitnehmen von persönlichen Gegenständen und das Abgeben des Diensthandys könnten zwar auf eine geplante Krankschreibung hinweisen – müssen sie aber nicht. In dem vorliegenden Fall legte die Mitarbeiterin vor Gericht ihre seit längerem bestehende Erkrankung offen, so dass für die Gerichte die AU-Bescheinigungen einen hohen Beweiswert hatten.

Kündigen Arbeitgeber einem Beschäftigten, sollten sie dabei generell berücksichtigen, dass das Arbeiten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist für Betroffene belastend sein kann. Eine anschließende Arbeitsunfähigkeit kann daher durchaus vorliegen. Beschäftigte sollten sich die Äußerung „dann lasse ich mich krankschreiben“ grundsätzlich verkneifen. Hätte die Mitarbeiterin zum Beispiel nicht belegen können, dass sie seit längerem an einer psychischen Belastungsstörung leidet, hätte das Urteil durchaus zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen können.

 

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.