Attest ohne Arztkontakt?

Mediziner mit Stethoskop in der Hand

Wer arbeitsunfähig ist und eine online ausgestellte Krankschreibung beim Arbeitgeber abgibt, handelt sich im Zweifel Ärger ein, wie ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin zeigt.

Ein Mitarbeitender fühlte sich krank, füllte über das Internetportal au-schein.de einen Fragebogen bezüglich seiner Symptome aus und ließ sich anschließend von einem Arzt seine Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 26. bis 30. August 2020 und vom 5. bis 9. September 2020 bescheinigen. Eine ärztliche Untersuchung, ein persönliches Gespräch oder ein telefonischer Kontakt erfolgten jedoch nicht. Denn der Online-Dienst stellt, nach Zahlung einer Gebühr, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung per Fernbehandlung nach Beantwortung einiger Fragen zum Gesundheitszustand für diverse Krankheitsbilder aus.

Der Arbeitgeber allerdings bezweifelte, dass der Mitarbeitende tatsächlich arbeitsunfähig war und verweigerte die Lohnfortzahlung für den Zeitraum der Krankschreibung. Der Mitarbeitende hingegen verwies auf seine körperlichen Beschwerden. Auf einen Arztbesuch verzichtete er nur aufgrund einer Ansteckungsgefahr durch das Corona-Virus.

Das Gericht verlangt mindestens einen telefonischen Kontakt zwischen Arzt und Patient

Die Richter des Arbeitsgerichts Berlin werteten die reine Online-Krankschreibung nicht als ordnungsgemäßen Nachweis der Arbeitsunfähigkeit (Urteil vom 1.4.2021, Az. 42 Ca 16289/20). Aus Sicht der Richter muss für eine Krankschreibung eine persönliche Untersuchung durch den Arzt, mindestens aber ein telefonischer Kontakt zwischen Arzt und Patient erfolgen. Deshalb durfte der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern. Denn zur Eindämmung der Pandemie war es zulässig, in Ausnahmesituationen auf den Arztbesuch zu verzichten und für den Zeitraum von bis zu sieben Kalendertagen nach einer telefonischen Anamnese krankschreiben zu dürfen.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.