Werden Expertinnen bei Google indirekt benachteiligt?

Frau mit Handy in der Hand

Wer bei Google Anzeigen schaltet, kann seine Website ganz nach vorne bringen. Vorausgesetzt,das Matching zwischen Ad und Website-Inhalt stimmt überein. Aber möglicherweise gilt das nicht immer für selbständige Frauen.

Das vermutet der Socialmedia-Experte Sebastian Jabbusch auf Twitter.

Der Berliner Unternehmer machte beim Schalten einer Anzeige bei Google Ads die Entdeckung, dass Frauen für identische Werbung wahrscheinlich mehr bezahlen könnten als Männer, wenn sie in der Anzeige generische Begriffe verwenden. Der Grund könnte schlicht in einem nicht passenden Matching liegen: Denn die allermeisten soloselbständigen Frauen dürften mit dem generischen Maskulinum in ihren Anzeigen werben, da in der Regel viel häufiger nach dem männlichen Begriff gesucht wird, auch wenn Internetznutzerinnen und Internetnutzer  gar nicht explizit einen Mann haben wollen. Beispiel: Jemand sucht nach einer Socialmedia-Bertaterin oder einem Socialmedia-Berater in Berlin. Dann geben viele eben die männliche Form ein, weil das genersiche Maskulinum nun einmal die in der Regel gesprochene Sprache ist.

Eine Socialmedia-Beraterin gerät nun aber ins Hintertreffen, denn viele selbständige Frauen verwenden auf ihren Websites in den Inhalten und Selbstbeschreibungen auch die weibliche Form. Für den Google-Algorithmus aber dürfte das Matching dann nicht so perfekt übereinstimmen, wie es bei der Website eines Mannes der Fall wäre. Die Folge: Die Anzeige müsste teurer werden, schließlich will Google die besten Ergebnisse zeigen und das setzt die größten Übereinstimmungen voraus. “Die Ad dürfte für eine Frau damit etwas mehr kosten als für einen Mann”, sagt Jabbusch. Auch wenn es pro Anzeige nur wenige Cent sind, so dürfte sich das doch im Laufe eines Berufslebens aufsummieren. Stimmt das? Zumindest eine nicht-repräsentative Umfrage unter soloselbständigen Digital-Unternehmerinnen zeigt: Viele Frauen teilen diesen Eindruck und stützten Jabbusch’s Vermutung. Wir haben eine Presseanfrage an Google geschickt und sind gespannt, was das Unternehmen antwortet.

Nutzer suchen häufig mit generisches Maskulinum

Aber mehr noch: Auch bei der normalen Suche, bei der es nur auf Keywords ankommt, könnten Frauen häufiger benachteiligt werden, wenn das Matching zwischen dem maskulinem Suchbegriff und Websiten-Inhalt wegen Verwendung der weiblichen Form weniger stark übereinstimmt als es bei einem männlichen Kollegen der Fall ist.

Um seine Vermutung zu verifzieren, hat sich der Socialmedia-Experte unter Selbständigen umgehört und etwa in der Facebook-Gruppe der Digital-Media-Women gefragt, wie die Unternehmerinnen hier mit dem Problem zwischen Matching und generischem Maskulinum umgehen.

Das Ergebnis: Viele selbständige Frauen verwenden aus SEO-Gründen eine genderneutrale Sprache und versuchen möglichst, auf die weibliche Form zu verzichten, damit das Matching besser ist. Aber das hat Folgen: Sie werden als Frauen und als Expertinnen weniger sichtbar. Jabbusch vermutet, dass so vielleicht sogar zu erklären sein könnte, warum Frauen häufig auf Podien fehlen. Zumindest, wenn die VeranstalterInnen nicht viel Zeit auf das Suchen und Finden einer Expertin verwenden.

Genderneutrale Sprache verhindert Benachteiligung

Dass Google Frauen absichtlich benachteiligt, glaubt der Socialmedia-Experte indes nicht. Auch wir gehen nicht davon aus. “Möglicherweise stimmt die Vermutung gar nicht. Möglicherweise kennt Google das Problem auch gar nicht, weil es im Englischen gar nicht vorkommt. Hier gibt es ja keine weibliche Form”, so Jabbusch. Aber vielleicht ist der Konzern im deutschsprachigen Raum auch noch gar nicht darauf aufmerksam gemacht, dass es zumindest bei vielen Selbständigen diese Sorgen gibt.

So oder so lohnt es sich, dem Verdacht nachzugehen. Das Problem mit dem generischen Maskulinum und dem Such-Algorithmus ist übrigens auch in anderen sozialen Plattformen bereits bekannt. So hatten es Headhunter und Headhunterinnen noch vor einer Weile schwer, zum Beispiel auf Xing unter Jobbezeichnungen explizit nach Frauen zu suchen. Auch hier soll Medienberichten zufolge der Algorithmus lange so programmiert gewesen sein, dass Frauen wegen der weiblichen Form weniger oft passende Keywords hatten – und ihre Profile nicht so häufig aufgefunden wurden. Das Unternehmen soll aber mittlerweile reagiert haben und die Suche angepasst haben.

Auf jeden Fall dürfte es sich lohnen, sich weiterhin für eine geschlechtsneutrale Sprache einzusetzen- denn so kann viel indirekte Benachteilung vermieden werden.

Tina Groll

Tina Groll arbeitet hauptberuflich als Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren“ aus. Sie ist Mitglied im Deutschen Presserat sowie als Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union tätig. Als Autorin von WIR SIND DER WANDEL beschäftigt sie sich mit der Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik.