„Einfach machen wird bei uns sehr stark gelebt“

Karo Kauer

Innerhalb von vier Jahren baut Karo Kauer ein Unternehmen mit Millionen-Umsatz auf. Was ihr Antrieb ist und was hinter ihrem Erfolg steckt, erzählt die Influencerin im Interview.

Eine Sportverletzung kurz vor ihrem Sport-Abitur stellt Karo Kauer seinerzeit vor die Entscheidung: ein Jahr chillen, bis sie ihr Abitur abschließen kann, oder eine Ausbildung absolvieren. Sie entscheidet sich für die Ausbildung zur Personaldienstleistungskauffrau bei einer Zeitarbeitsfirma. Rückblickend bezeichnet sie diese Zeit als die beste „Schule ihres Lebens“. Hier muss sie nicht nur Klinken putzen, sondern auch eine Dienstleistung verkaufen, die nicht besonders angesehen ist.

Zum kreativen Ausgleich beginnt sie in ihrer Freizeit mit der Hochzeitsfotografie, was sie 2014 in die Instagram-Welt führt. Hier merkt die Influencerin schnell, wie sie mit ihren Posts andere inspiriert. Mit 5.000 Follower:innen bekommt sie ihre erste Kooperationsanfrage von einem Hamburger Start-up. Mit 25.000 Follower:innen folgt ihre erste Einladung zu einem Blogger-Event. Mittlerweile folgen ihr über 500.000 Menschen bei Instagram.

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Was steckt hinter dem Erfolg der Unternehmerin?

Sie selbst sagt, dass Kooperationen und Produkte immer mit ihrer Identität übereinstimmen müssen. Das heißt, setzt sie ihren Namen auf Produkte oder wirbt für diese, muss sie sich mit ihnen identifizieren können. Eine Strategie, die in den letzten zehn Jahren aufgegangen ist. Denn Kauer kann nicht nur eine beachtliche Influencer-Karriere vorweisen, sondern hat auch eine Beratungsfirma und ein Modelabel mit Online-Shop und Stores gegründet, Schmuck entworfen, Parfums, Accessoires und Wein kreiert sowie ein Café eröffnet – vereint unter dem Dach „Karo Kauer Family“.

Dabei soll der Instagram-Kanal wenig strategisch wirken, wenn sie ihre Follower:innen an ihrem Alltag mit zwei Kindern und Job teilhaben lässt. Auch scheint es, dass sie bei all ihrem Erfolg auf dem Boden geblieben ist. Etwas, wofür ihre Community sie sehr schätzt. Was die Content-Creatorin vor allem aber kann ist, sich in die Bedürfniswelt ihrer Community einzufühlen und das Zwischenmenschliche zu pflegen.

Durch die Kooperation mit Nakd kommt Kauer auf den Geschmack

Wie gut ihr das gelingt und wie stark und kaufkräftig ihre Community dabei ist, zeigen ihre erfolgreichen Verkaufsaktionen. 2019 zum Beispiel lädt Nakd Kauer und andere Influencer:innen zu einer Challenge ein: Jeder entwirft zwei Kleidungsstücke und promotet diese innerhalb seiner Community. Wer am schnellsten verkauft, gewinnt die Challenge. Der Gewinn: eine komplette Kollektion für Nakd kreieren. Und obwohl viele die Influencerin vor einem möglichen Imageverlust warnen, vertraut sie ihrer Community und nimmt die Challenge an. Einerseits hat sie große Lust, Mode zu kreieren. Andererseits ist sie überzeugt, dass sie – auch wenn sie scheitern sollte – am Ende nur daraus lernen kann. Sie kreiert zwei Cardigans und gewinnt die Challenge. Innerhalb von sieben Minuten verkauft die Influencerin mit ihrer damaligen Reichweite von etwa 50.000 Follower:innen alle Cardigans. Im Gegensatz zu einer Youtuberin, die mit einer Reichweite von einer Million Follwer:innen antritt und nach einer Woche noch nicht ausverkauft ist.

Durch die Kooperation mit Nakd kommt Kauer auf den Geschmack: Sie möchte eigene Mode kreieren. Im Januar 2020 gründet sie dafür ihr Label. Doch keine sechs Monate später endet diese Reise jäh. Der Label-Name ist bereits vergeben, eine Kanzlei zwingt sie zur Umbenennung. Wo es möglich ist, lässt Kauer die Labels umnähen. Die Stücke, auf denen der Name gedruckt ist, müssen verbrannt werden. Doch Kauer lässt sich nicht unterkriegen: Im Juli 2020 folgt das Rebranding des Labels, im November der erste eigene Store. Was sie antreibt und was ihr Erfolgsrezept ist, erzählt Karo Kauer im Interview.


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Wir sind der Wandel: Sie haben in den letzten vier Jahren ein Unternehmen mit mittlerweile 70 Mitarbeitenden und einem Millionen-Umsatz aufgebaut. Was ist Ihr Antrieb?

Karo Kauer: Mein Antrieb war von Anfang an, auf eigenen Beinen zu stehen. Dafür darf man in unserer schnelllebigen Welt aber nicht stehenbleiben. Für mich als Influencerin heißt das, dass ich mich immer wieder neu erfinden muss. Als Unternehmerin muss ich immer wieder neue Produkte kreieren. Das schafft man aber nur, wenn man Produkte neu denkt, wenn man immer wieder auf sich aufmerksam macht sowie neue Kooperationspartner:innen für sich gewinnt.

Wir sind der Wandel: Woher haben Sie das Wissen, wie man ein Unternehmen und Beschäftigte führt?

Kauer: Ich bin keine klassische Geschäftsführerin, sondern agiere im Unternehmen sehr freundschaftlich. Unsere Muttergesellschaft heißt nicht nur „Karo Kauer Family“, diesen Family-Gedanken leben wir im Unternehmen wirklich. Das heißt, wir kochen und essen zusammen, gehen gemeinsam zu Events, feiern zusammen. Daher schaue ich mir vor Bewerbungsgesprächen zum Beispiel nie Lebensläufe an, sondern treffe die Entscheidung immer aus dem persönlichen Gespräch heraus. Denn Mitarbeitende müssen unseren Familiengedanken wirklich mitleben wollen.

“Die größte Herausforderung ist für mich, dass Private außen vor zu lassen, aber dennoch nahbar zu sein und Persönliches zu teilen”

Wir sind der Wandel: Führen Sie alle drei Unternehmensbereiche der „Karo Kauer Family“ allein?

Kauer: Das Design werde ich immer machen. Auch schaue ich zum Schluss immer auf alles rauf. Ich bin mittlerweile jedoch zu viel unterwegs, als dass ich alle drei Bereiche noch allein führen kann. Daher habe ich Ende 2023 zwei Geschäftsführer aus den eigenen Reihen benannt. Im Grunde ein formeller Akt, denn beide haben mir schon lange den Rücken freigehalten und bereits vorher Geschäftsführerentscheidungen getroffen.

Das Eingestehen, dass auch andere gute Entscheidungen treffen können, und das Abgeben von Kontrolle war allerdings ein Prozess, den ich lernen musste. Mir bleibt aber auch nichts anderes übrig, denn auch mein Tag hat nur begrenzt Stunden. Und ich brauche ja auch noch Zeit für meinen Hauptjob als Content-Creatorin.

Wir sind der Wandel: Welche Herausforderungen sind für Sie als Influencerin die größten?

Kauer: Die größten Herausforderungen sind für mich einerseits, dass Private außen vor zu lassen, aber dennoch nahbar zu sein und Persönliches zu teilen. Andererseits, als Alleinerziehende meinen Tätigkeiten als Unternehmerin und als Content-Creatorin gerecht zu werden.

Wir sind der Wandel: Wie schätzen Sie die Zukunft des Influencer-Marketings ein?

Kauer: Ich mache das jetzt seit zehn Jahren und glaube, dass wir noch nicht am Höhepunkt angelangt sind. Noch immer gibt es Kunden, die erst jetzt damit starten. Ich glaube aber auch, dass sich Plattformen und Content verändern werden. TikTok und Reels zeigen beispielsweise, dass das Bewegtbild immer essenzieller wird. Auch wird es immer wichtiger, authentisch zu sein und entsprechenden Content anzubieten. Was ich an meinen Zahlen sehe: Postings, in denen ich als Karo mit schwäbischem Akzent im Vordergrund stehe performen besser als solche, in denen ich Klamotten perfekt in Szene setze.

“Weil ich für meine Community ein Vorbild bin, nehme ich meinen Job sehr ernst”

Wir sind der Wandel: Wie vorausschauend agieren Sie?

Kauer: Ich habe zwar keinen konkreten 5-Jahres-Plan, da ich mir die Agilität erhalten möchte. Dennoch handle ich aus der Verantwortung für meine Familie und mein Team vorausschauend und setze auf unterschiedliche Standbeine. So habe ich zum Beispiel bewusst die Entscheidung getroffen, Lager und Logistik Inhouse zu lassen, obwohl wir hier keinerlei Erfahrungen hatten. Ist mein Job als Influencerin vorbei und niemand kauft mehr mein Label, haben wir uns Know-how im Fulfillment-Bereich angeeignet. Das zahlt sich bereits jetzt aus. Seit 2023 verpacken und verschicken wir auch für andere große Influencer:innen Produkte.

Wir sind der Wandel: Was ist bei all dem Ihr Erfolgsfaktor?

Kauer: Ob als alleinerziehende Mutter, Unternehmerin oder Influencerin, ich bin immer emotional, nahbar und authentisch. Und weil ich für meine Community ein Vorbild bin, nehme ich meinen Job auch sehr ernst. Auch bin ich mutig und lege bisweilen eine gesunde Naivität an den Tag. Wir sind letztes Jahr zum Beispiel mit einem Truck durch Deutschland gefahren und haben aus dem LKW heraus unser Label verkauft – was mit sehr hohen Kosten verbunden war. Als wir im Nachgang die Aktion ausgewertet haben, wurde mir erst bewusst, dass das auch gut nach hinten hätte losgehen können. Nämlich dann, wenn wir nichts verkauft hätten. Dieses „einfach machen“ wird bei uns sehr stark gelebt. Denn wir denken nicht über das Scheitern nach, sondern verwenden unsere Energie auf eine erfolgreiche Planung.

Wir sind der Wandel: Können Sie so mutig agieren, weil Sie Ihr Business auf verschiedene Standbeine gestellt haben und bei einzelnen Projekten nicht immer alles auf eine Karte setzen?

Kauer: Das macht es sicherlich leichter, auch mal ins finanzielle Risiko zu gehen. Aber auch wenn die verschiedenen Standbeine mir eine gewisse finanzielle Sicherheit geben, den Mut, die Risikobereitschaft und die Energie muss ich trotzdem haben.

Wir sind der Wandel: Wenn Sie mit Ihrem Unternehmen weiter auf Wachstum setzen wollen, müssen Sie irgendwann auf Investoren zurückgreifen. Ist das geplant?

Kauer: Um gewisse Projekte groß denken und umsetzen zu können, werden wir langfristig nicht ohne Fremdkapital auskommen. Das heißt, mit dem Wachstum werden langfristig auch Investoren dazukommen müssen – auch wenn ich es aktuell sehr vorteilhaft finde, dass wir weder eine Bank noch einen Investor benötigen.

“Ich habe sehr viel Networking betrieben, was mich noch heute voranbringt”

Wir sind der Wandel: Welcher Moment hat Sie in den vergangenen Jahren am meisten vorangebracht?

Kauer: Ich habe mich 2021 von meinem Ex-Mann getrennt. Dabei war die private Trennung auch eine geschäftliche. Deshalb musste ich mehr als jemals zuvor für meine zwei Kinder weitermachen. Und hatte dabei nur ein Ziel vor Augen: Für meine Kinder und mich ein neues Zuhause zu schaffen – was mich sehr angetrieben hat.

Ich habe sehr viel Networking betrieben, was mich noch heute voranbringt. Ich war fleißig, habe über den Tellerrand hinausgeschaut und bin Kooperationen eingegangen, die auch mal unbezahlt waren. Denn ich wusste, es zahlt sich aus. Ich war omnipräsent in allen Köpfen, was zum Beispiel auch Kai Pflaume zu mir nach Eislingen brachte. All das hat sich gelohnt, denn 2022 und 2023 waren meine bisher erfolgreichsten Jahre.

Wir sind der Wandel: Wie gelingt es Ihnen, sich im beruflichen und familiären Alltag den Raum zu schaffen, um über Trends und neue Themen nachzudenken?

Kauer: Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt, was mich sehr inspiriert. Sehe ich einen Look oder habe ich eine Idee, mache ich mir sofort eine Notiz. Das heißt aber auch, dass mein Kopf unentwegt rattert, was auch sehr gefährlich ist. So habe ich immer wieder Momente, wo ich merke, dass es zu viel wird. Dann höre ich auf meinen Kopf und Körper und nehme mir spontan eine Auszeit, um übers Wochenende in die Berge zu fahren.

Wir sind der Wandel: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Kauer: Ich habe keine konkreten Pläne, aber einen großen Wunsch für das Label: Ich wünsche mir, dass man die Marke wahrnimmt und die Kleidung gerne trägt, ohne dass man mich als Content-Creatorin kennt. Hier sind wir auf einem guten Weg, obwohl dieser sehr lang ist. Für mich persönlich wünsche ich mir mehr Zeit, zum Beispiel für Hobbies. Ich mache zwar Sport, aber weniger leidenschaftlich und mehr zum Zweck.

Wir sind der Wandel: Würden Sie mit dem heutigen Wissen etwas anders machen?

Kauer: Nein. Ich habe zwar viele Fehler gemacht, aber darüber bin ich über mich hinausgewachsen. Deshalb kann ich ehrlich sagen: Ich würde wieder alles genau so machen.


Das Interview führten wir auf dem “Les Ateliers Lillet” in Hamburg.


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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.