„Typisch weibliche Eigenschaften schaden der Karriere“

Maike Dietz

Maike Dietz, Karrierecoach und Personalberaterin, erklärt im Interview, weshalb Frauen mit typischen männlichen Eigenschaften als „richtige“ Chefs wahrgenommen werden.

Die Personalberaterin und Karrierecoach arbeitete nach ihrem BWL-Studium sieben Jahre lang bei der Daimler-Benz AG in Stuttgart. Seit 15 Jahren ist sie selbstständig als Personalberaterin und hat bisher mehr als 1.500 Projekte betreut. Als Karrierecoach begleitet sie Führungskräfte bei der bewussten Gestaltung ihrer Karriere. Im Interview räumt sie mit klassischen Rollenerwartungen auf und erklärt, weshalb Frauen mit typisch männlichen Eigenschaften als „richtige“ Chefs wahrgenommen werden.


Frauen haben etwas zu sagen, sie müssen allerdings den Raum erhalten, das auch zu tun! Diesen bieten wir mit unserem Format DIE CHEFIN-TALK.
Hier laden wir Frauen ein, mit uns über ihr Thema zu sprechen.


die Chefin: In den Koalitionsverhandlungen haben sich SPD und CDU auf eine Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen geeinigt. Viel wichtiger ist aber doch die Frage, welche Fähigkeiten Frauen wirklich brauchen, um in Führungspositionen erfolgreich zu sein – was wären beispielsweise solche?

Maike Dietz: Die Frauenquote wird natürlich dazu beitragen, vermehrt Frauen in Führungspositionen zu etablieren. Wahrscheinlich wird es in einigen Jahren gang und gäbe sein, eine weibliche Chefin zu haben. Das scheint mir besonders wichtig vor dem Hintergrund eines Forschungsprojekts der Technischen Universität München (TUM). Demnach wird fröhlich wirkenden Frauen weniger Führungskompetenz zugetraut als Männern. Salopp formuliert heißt das, zu viel Lächeln schadet der Karriere. Wer hingegen typisch männliche Werte zeigt, wie z.B. Stolz auf die eigene Leistung, wird als echter Chef angesehen.

“Frauen neigen oft dazu, ihre Fähigkeiten unter den Scheffel zu stellen.”

die Chefin: Es gelten also nach wie vor die gängigen Klischees?

Dietz: Durchaus, auch wenn langsam ein Wandel in den Chefetagen einsetzt. Erschreckend ist, manche Stereotypen gegenüber weiblichen Führungskräften sind bei Frauen sogar noch ausgeprägter – auch das hat die Studie gezeigt. So trauen beispielsweise Frauen Männern in Führungspositionen mehr zu als ihren Geschlechtsgenossinnen. Mitarbeiter erwarten von ihren Vorgesetzten durchsetzungsstark zu sein, dominant und selbstsicher – alles männliche Eigenschaften. Frauen neigen oft dazu, ihre Fähigkeiten unter den Scheffel zu stellen und Fehler zunächst bei sich zu suchen. Dadurch erscheinen sie schwächer als ihre männlichen Kollegen, die auf Gewinnen und Erfolg programmiert sind. Dieses eher vorsichtige Auftreten legen Mitarbeiter und Kollegen schnell als Unsicherheit aus. Mitarbeiter wollen aber Vorgesetzte, die sichtbar hinter ihren Zielen stehen und Entscheidungen treffen.

die Chefin: Welche Auswirkungen hat es für den Alltag, wenn eine weibliche Führungskraft diese Voraussetzungen nicht erfüllt?

Dietz: Je nach Situation, kann sie so schnell das Vertrauen und den Respekt ihrer Mitarbeiter verlieren. Primäre Aufgabe einer Führungskraft ist es nun einmal, Entscheidungen zu treffen und diese auch gegenüber Mitarbeitern, Kollegen und Vorgesetzten zu vertreten – das erfordert Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein. In einem mir bekannten Fall waren die Mitarbeiter insgesamt sehr zufrieden mit ihrer Chefin, sie schätzten ihre Art des Umgangs, denn sie lobte viel und vor allem gezielt. Allerdings machte sie in den Entscheidungsgremien immer mehr Kompromisse als ihre Kollegen; das führte dazu, dass die Teammitglieder ihre eigene Arbeit als weniger wert empfanden, verärgert waren und nicht mehr hinter ihrer Chefin standen. Schlussendlich wurde sie von ihrem männlichen Stellvertreter abgelöst, der es verstand, seine Themen konsequent durchzusetzen.

“Frauen sollten analysieren, in welchen Situationen sie nicht vorankommen.”

die Chefin: Was können Unternehmen dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen anerkannt werden?

Dietz: Wir brauchen einen Kulturwandel in deutschen Chefetagen, ein grundsätzliches Umdenken und ein Arbeiten an den eigenen Vorurteilen – das gilt für Männer und Frauen gleichermaßen. Da es aber deutlich mehr Männer in Entscheidungspositionen gibt, sind mutige Herren gefordert, die eine Vorreiterrolle spielen und Frauen eine echte Chance geben – die akzeptieren, dass Frauen keine Kopie von männlichen Führungskräften werden müssen, um erfolgreich zu sein.

die Chefin: Was können Frauen selbst tun, um in ihrer Führungsrolle anerkannt zu werden?

Dietz: Sich wie selbstverständlich in der Führungsrolle bewegen, sich treu bleiben, dabei aber gleichzeitig die Erwartungshaltungen bewusst wahrnehmen und dementsprechend handeln.Es ist wenig sinnvoll, vorzugeben jemand anderes zu sein. Die Authentizität bleibt auf der Strecke und das merken Gesprächspartner. Mein Tipp: Frauen sollten analysieren, in welchen Situationen sie nicht vorankommen, bei welchen Themen sie sich nicht durchsetzen können und für welche Stellen sie nicht in Betracht gezogen werden. Wobei stehen sie sich selbst im Weg? An welchen Stellen macht es Sinn, von männlichen Kollegen zu lernen? Denn klar ist, die Unternehmenswelt ist noch männlich geprägt – was aber meiner Meinung nach nicht weiter schlimm ist. Solange sich beide Seiten darüber bewusst sind, dass Frauen und Männer unterschiedlich gestrickt sind. Ein Mann mit überwiegend typisch weiblichen Eigenschaften hätte es auch schwer, als Vorgesetzter anerkannt zu werden. Eigenschaften zählen, nicht das Geschlecht. Und welcher Frau hat ein wenig Diplomatie und Charme schon geschadet. Solange Offenheit besteht, können Männer und Frauen sich wunderbar ergänzen.

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Sabine Hockling

Die Chefredakteurin Sabine Hockling hat WIR SIND DER WANDEL ins Leben gerufen. Die Wirtschaftsjournalistin und SPIEGEL-Bestsellerautorin beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit den Veränderungen unserer Arbeitswelt. Als Autorin, Herausgeberin und Ghostwriterin veröffentlicht sie regelmäßig Sachbücher – seit 2023 in dem von ihr gegründeten DIE RATGEBER VERLAG.