Die Zukunft in 30 Jahren: Dezentralisierung versus Machtkämpfe

Blick hoch zu Wolkenkratzern

Wie wird die Welt in 30 Jahren aussehen? Ayad Al-Ani skizziert in seinem Essay “Die Politische-Ökonomie des Zusammenbruchs” zwei gegensätzliche Szenarien: radikale Dezentralisierung versus Machtkonzentration in den Händen weniger Akteure.

In den nächsten 30 Jahren steht die Welt vor tiefgreifenden Veränderungen, geprägt von klimatischen, sozialen, politischen und ökonomischen Dynamiken. Diese Entwicklungen könnten bestehende Institutionen kollabieren lassen, da Entscheidungsträger zunehmend überfordert sind. Diese These vertritt Ayad Al-Ani in seinem Essay “Die Politische-Ökonomie des Zusammenbruchs: Eine kurze Geschichte der nächsten 30 Jahre”.


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Al-Ani beschreibt zwei gegensätzliche Entwicklungen: Einerseits die Möglichkeit radikaler Dezentralisierung, andererseits die Zentralisierung von Macht und Technologie in den Händen weniger Unternehmen und Staaten. In einer dezentralisierten Welt könnten “Smart Cities” und “15-Minuten-Städte” entstehen, die ihre eigene Energie produzieren und hochautomatisierte Fabriken anziehen. Diese “maschinischen Communities” nutzen Technologien wie KI, Robotik und 3D-Druck, um ihren Mitgliedern Produktivität und Kreativität zu ermöglichen. Diese Einheiten könnten basisdemokratisch agieren und transparente politische Prozesse aufweisen.

Zentralisierung und Hegemonialmächte

Irrtümer und Mythen rund ums ArbeitsrechtGleichzeitig könnte die Entwicklung dieser Technologien in den Händen weniger Unternehmen und Staaten konzentriert sein. Diese Zentralisierung ermöglicht die strategische Nutzung von Schlüsseltechnologien im geopolitischen Wettbewerb und zur Kontrolle über die dezentralen Regionen. Ein historisches Vorbild hierfür ist die “Letzte Abendmahl”-Strategie des amerikanischen Verteidigungsministeriums in den 1990ern.

Al-Ani prognostiziert eine mögliche Fusion von Politik und Technologieindustrie, bei der politische Entscheidungsträger zunehmend “nominiert” werden und die Bevölkerung durch digitale Transaktionen überwacht wird. Diese Hegemonien nutzen Technologien nicht nur zur Kontrolle ihrer Gesellschaften, sondern auch zur Bewusstseinsmanipulation.

Kooperation oder Kollaps?

Zwischen den zentralisierten und dezentralisierten Ebenen könnten virtuelle Netzwerkstaaten entstehen, die im digitalen Raum Fluchtmöglichkeiten bieten und globale Talente anziehen. Diese neuen Strukturen könnten jedoch die effektive Bewältigung des Klimawandels erschweren, da der Konflikt zwischen den Hegemonien Ressourcen bindet.

Al-Ani skizziert zwei mögliche Zukunftsszenarien: eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Hegemonien zur Bewältigung globaler Herausforderungen oder ein unkontrollierter Zusammenbruch der einzelnen Hegemonien. In beiden Fällen steht die Welt vor radikalen Anpassungen und tiefgreifenden Veränderungen.

Dieser Essay bietet einen faszinierenden und zugleich beunruhigenden Blick auf die möglichen Entwicklungen der nächsten 30 Jahre. Die Frage bleibt, ob die Menschheit in der Lage sein wird, diese Herausforderungen zu meistern und eine nachhaltige Zukunft zu gestalten.

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Tina Groll

Tina Groll, SPIEGEL-Bestsellerautorin und Redakteurin bei ZEIT ONLINE im Ressort Politik & Wirtschaft, konzentriert sich als Autorin von WIR SIND DER WANDEL auf Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik. 2008 zeichnete sie das Medium Magazin als eine der “Top 30 Journalisten unter 30 Jahren” aus. Ferner ist sie Mitglied im Deutschen Presserat.